Kommentar: Apples Wechsel zu ARM ist eine Chance für Intel

Alexander Trust, den 2. September 2020
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Erst gab es Gerüchte. Dann kündigte Apple im Rahmen der WWDC 2020 im Juni an, bis spätestens 2022 sein gesamtes Mac-Portfolio auf eigene Prozessoren umzurüsten. Für Intel und den Rest der Branche könnte dieser Weckruf zur rechten Zeit kommen und stattdessen eine reinigende Wirkung haben.

Die Abhängigkeit vieler Unternehmen von Apple ist gerade im Umfeld der iPhone-Produktion spürbar. Wenn der iPhone-Hersteller seine Produktion umstellt und Geräte verändert, dann sind die Zulieferer hoffentlich darauf eingestellt gewesen. Andernfalls wirkt sich das bei manchen drastisch auf den Börsenkurs aus. Jüngstes Beispiel ist Inventec Appliance. Das Unternehmen profitierte enorm als es die AirPods der ersten Generation zusammenbauen durfte. Doch dann kam der Abschied von Jony Ive und schon vorher forcierte Apple die neuen AirPods Pro. Sie haben ein anderes Design, auch intern. Die Technologie flexibler Mainboards und Akkutechnologie bedarf passender Fertigungsanlagen. Es heißt aktuell, dass Inventec für die kommenden AirPods im Pro-Design vermutlich nur noch 20 Prozent der Liefermenge produzieren darf.

Ein Glück für Inventec, dass es auch auf andere Märkte schielt und in der Corona-Pandemie damit begann Beatmungsgeräte zu bauen. Die Zukunft sieht das Unternehmen im Bereich der Medizintechnik. Vielleicht kreuzen sich dort die Wege mit Apple eines Tages auch wieder deutlicher.

Intel bleibt Intel, aber wie lange noch

Diese Abhängigkeit gab es zwischen Apple und Intel nie. Intel verkaufte zuletzt zwar sein Modemgeschäft an Apple. Der iPhone-Hersteller will so mittelfristig eigene Chips bauen oder die Technologie sogar in seine SoCs integrieren, um Geräten nicht nur 5G-Konnektivität zu spendieren, sondern sie generell anbindbar zu machen. Wenn überhaupt konnte man beobachten, dass Apple irgendwie abhängig von Intel war, und zwar abhängig von Intels Möglichkeit zur Innovation. Die fiel jedoch zuletzt eher karg aus. Ich traue Apple mit dem Know-how und den Patenten Intels in kürzerer Zeit deutlich mehr Innovation zu als Intel es bis dahin vermochte.

Was bleibt aber Intel dann noch? Mehr als wir denken und mehr als uns lieb ist. Doch bekannt ist Intel vor allem als Produzent für Server- und Desktop-Computerprozessoren. In diesem Segment gibt es für Intel nur schon viele Jahre immer größer werdende Konkurrenz. „Noch“ hat es bei PC-Mikroprozessoren rund 80 Prozent Marktanteil. Der wird aber in Zukunft ein paar Prozent kleiner ausfallen, wenn Apple seine Macs mit eigenen Prozessoren ausstattet.

Dann gibt es GPU-Hersteller wie Nvidia, die mittlerweile im Servergeschäft aktiv sind und auch dort Intel Konkurrenz machen. Denn die Architektur von Grafikchips ist es, die im Bereich des Maschinenlernens gegenüber herkömmlichen Prozessorarchitekturen Vorteile bietet. Intel wird nicht von heute auf morgen vom Markt verschwinden, vermutlich auch übermorgen nicht und selbst wenn sich nichts ändert immer noch viele Jahre eine komfortable Rolle spielen. Doch der Konzern aus Kalifornien könnte Apples Entscheidung nun als Weckruf für sich entdecken, sich selbst neu zu erfinden.

Andere machen es vor

Was also tun? Intel muss vielleicht mehr Spezialisierung in Kauf nehmen, um am Ende wieder mehr Innovation wagen zu können.

AMD zeigt, wie es gehen könnte: Das Unternehmen bietet seit ein paar Jahren hochspezialisierte SoCs an, die Microsoft und Sony Computer Entertainment in den aktuellen und kommenden Spielekonsolen einsetzen. PlayStation 4, PlayStation 4 Pro und in Zukunft PlayStation 5 genauso wie die Xbox One, Xbox One S und die Xbox One X, sowie in Zukunft die Series X setzen auf SoCs von AMD. Die aktuelle Vorzeige-Handheld-Konsole Switch von Nintendo läuft mit einem SoC von Nvidia. Apple wird im Bereich der Videospiele dank seiner Entscheidung zu eigenen Prozessor reüssieren, da bin ich ganz sicher.

Auch sind AMD und Nvidia mittlerweile im Bereich der Cloudserver angekommen oder statten Fahrzeughersteller mit Technologie für selbstfahrende Autos aus. Es gibt viel zu tun, also lassen wir es bitte nicht liegen. Wann, wenn nicht jetzt, könnte Intel sich selbst neu erfinden wollen?

Intel sollte sich spezialisieren und andere Hersteller inspirieren

Dort draußen gibt es viele PC-Hersteller, die bei Intel Ware von der Stange kaufen, so wie viele Android-Smartphone-Anbieter einen Qualcomm-Chip und weitere Komponenten von der Stange kaufen. Um aber allen zu gefallen, gehen Intel und Qualcomm unnötige Kompromisse ein.

Welche Vorteile gegenüber der Konkurrenz man sich mit hochspezialisierter Soft- und Hardware erarbeiten kann, das zeigte Apple mit dem iPhone. Tatsächlich gefiel dem Unternehmen dieser Weg so gut, dass es mittlerweile eine eigene Hardwarearchitektur in fast der gesamten Produktpalette nutzt. „Tragischerweise“ schließt sich erst heute ein Kreis, den Apple sich bei seiner Gründung nicht traute zu zeichnen. Nicht auszumalen, wo das Unternehmen heute in der Computerbranche angekommen wäre, wenn es schon damals versucht hätte, seine eigenen Prozessoren zu bauen.

Umso interessanter wäre es deshalb auch, wenn Intel selbst anfinge eigene, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln und sich im Selbstverständnis vom Kopf auf die Füße stellte – ein bisschen wie Dell und aber auch Samsung und Microsoft in einem.


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