Wie zuverlässig wird das iPhone 12? Probleme von 5nm-Fertigung

Alexander Trust, den 15. Juni 2020
Sieht so das iPhone 12 aus?
Sieht so das iPhone 12 aus?, Bild: PhoneArena.com

Die Produktion von Platinen und Mikrochips ist heute auf einem Level angelangt, auf dem Ingenieure wie Steve Wozniak kaum noch in der Lage sind eigene Produkte selbst zusammenzubauen, wie er es damals bei den ersten Apple-Computern tat. Die immer kleinere Fertigung von Bauteilen erfordert nicht nur die Verwendung von Maschinen, sie macht außerdem große Sorgfalt notwendig und birgt Probleme. Entsprechend darf man die Frage stellen: Wie zuverlässig wird das iPhone 12?

Als Computer-Nutzer bekommt man von der Technologie hinter den Geräten in vielen Fällen nur wenig mit. Man kauft die Geräte, nutzt sie und käme aber nicht auf die Idee, sie selbst zu bauen. Selbst wenn etwas schief geht oder kaputt geht, bedeutet das in der Regel nicht, dass man mit der Materie konfrontiert wird, um die Ursachen zu erforschen. Das Gerät wird repariert oder durch ein neues ersetzt, und gut ist.

Hardware-Probleme durch zunehmende Miniaturisierung

Doch in den letzten Jahren setzte ein Trend zur Miniaturisierung bei Halbleitern ein. Es gibt gesicherte Erkenntnisse darüber, dass diese stete Verkleinerung dummerweise immer größere Probleme bereitet. Umso sorgfältiger muss bei der Herstellung darauf geachtet werden.

HCI: Hot Carrier Injection

Schon im Bereich eines halben Mikrometers (also der Größenordnung vor dem Nanometer) kommt es zu einem Phänomen, das man „Hot Carrier Injection“ nennt. Elektronen auf Chips können sich dummerweise durch Wärme aufladen mit kinetischer Energie und überschreiten so Grenzen, die sie eigentlich nicht hätten überschreiten sollen.

Problematisch wird das unter anderem bei Halbleitern, die Energiemanagement betreiben und aber auch bei SSDs. Deren Verlässlichkeit nimmt ab.

NBTI: Negative-Bias Temperature Instability

Bei der Fertigung unterhalb von 180nm kann es zu einem Phänomen namens „Negative-Bias Temperature Instability“ kommen.

Dieses kann die Funktionsweise von Chips beeinträchtigen. Gerade bei mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets, Laptops) kann NBTI Probleme mit den Energiesparmaßnahmen verursachen.

Selbsterhitzung

Ein anderes Phänomen nennt sich „self-heating“. Es tritt bei zunehmender Miniaturisierung auf und hat ebenfalls Einfluss auf die Verlässlichkeit von Bauteilen. Entsprechend gibt es natürlich Forschungen zu den Auswirkungen von Selbsterhitzung.

Neue Probleme kommen, alte werden schlimmer

Mit der immer größeren Verkleinerung bei der Produktion von Halbleitern treten natürlich auch andere Phänomene zutage, von denen wir manche erst noch entdecken müssen, und andere besser erforschen.

Gleichzeitig werden aber vorhandene deutlich problematischer. Die Selbsterhitzung hat natürlich einen Einfluss auf die Lebensdauer von Bauteilen. Diese werden mitunter heute gar nicht mehr so alt wie noch in den 80ern und 90ern. Die Produktion von Mikroelektronik, die heute in 3D in mehreren Schichten aufgedampft wird, potenziert mögliche negative Effekte. André Lange vom Fraunhofer IIS in Dresden erklärt gegenüber SemiconductorEngineering, dass Selbsterhitzung und elektrische Belastung sich heute mehr denn je auf die Verlässlichkeit von Bauteilen auswirken.

„The drivers of aging, such as temperature and electrical stress, have not really changed (…). However, densely packed active devices with minimum safety margins are required to realize advanced functionality requirements. This makes them more susceptible to reliability issues caused by self-heating and increasing field strengths. Considering advanced packaging techniques with 2.5D and 3D integration, the drivers for reliability issues, especially temperature, will gain importance.“ (André Lange)

Zu viel Wärme ist nicht gesund

Computer haben in der Regel einen Sicherheitsmechanismus. Wenn der Prozessor zu heiß wird, schaltet sich das Gerät ab. Gemerkt haben das zum Beispiel viele iPhone-Nutzer, die im Sommer ein Apple-Smartphone als Navigationsgerät hinter der Windschutzscheibe im Einsatz haben.

 

Zu hohe Temperaturen wirken sich nicht nur auf das Alter der Komponenten aus, sondern auch auf deren Leistungenfähigkeit. Denn die Fähigkeit zur Bewegung von Elektronen verschlechtert sich in einem warmen Umfeld. Wir können das übrigens am eigenen Leib erleben. Denn auch unser Gehirn mag heiße Temperaturen nicht besonders gut leiden.

Elektrische Felder sorgen für Störungen

Ein weiteres Ungemach stellen elektrische Felder dar, die auf die Bauteile wirken. Zwar werden Mikrochips von heute mit weniger Spannung betrieben, doch sind diese eben deutlich kleiner. Entsprechend viel größer sind die elektrischen Felder, die die Arbeitsweise beeinflussen können. Dazu kommt, dass über die Zeit ein Spannungsabfall an den Bauteilen zu messen ist. Haran Thanikasalam erklärt, dass das unter anderem dazu führt, dass die Geräte beim Einschalten dann länger brauchen, bis sie funktionieren. Mit dafür verantwortlich ist die eingangs beschriebene NBTI.

Thanikasalam ist Ingenieur bei der Firma Synopsys, die wiederum Software entwickelt, mit der Mikroprozessoren designt werden. Er warnt, dass die Fertigung derzeit die Grenzen der Physik erreiche.

„But as devices scale down, voltage scaling has been slower than geometry scaling. Today, we are reaching the limits of physics. Devices are operating somewhere around 0.6 to 0.7 volts at 3nm, compared to 1.2V at 40nm or 28nm. Because of this, the electric fields have increased. Large electrical field over a very tiny device area can cause severe breakdown.“ (Haran Thanikasalam)

Das Phänomen wird „time-dependent dielectric breakdown“ (TDDB) genannt.

Was kann man dagegen tun? Man kann sicherstellen, die Bauteile nicht zu viel Felddichte auszusetzen.

Elektromigration

Ein weiteres Phänomen, dass Mikroelektronik Probleme bereitet, ist die „Elektromigration“. Die betrifft aber nicht nur die Bauteile selbst, sondern auch die Verbindungen zwischen einzelnen Bauteilen. Durch die stete Verkleinerung der Bauteile erhöht sich auch bei diesem Pähnomen die Wirkung zunehmend. Sie führt ebenfalls zur Alterung der Bauteile. Moderne digitale Systeme sind allerdings in der Lage, einen teilweisen Ausfall zu kompensieren. Ein Prozessor eines Computers würde womöglich weniger Leistung bringen, trotzdem sei dadurch die allgemeine Funktion des Geräts nicht beeinträchtigt. Doch es gibt eben auch Bauteile, bei denen die in diesem Artikel beschriebenen Effekte zum Ausfall führen können, seien es SSDs oder beispielsweise Sensoren.

Simulation steckt in den Kinderschuhen

Bei SemiconductorEngineering wird zudem ein Problem beschrieben, das noch eine Lösung sucht. Für die Simulation von Chipdesigns benötigt es standardisierte Modelle. Doch die Standardisierung in diesem Bereich steckt leider noch in den Kinderschuhen.

Denn in Bereichen wie diesen kann man manche Probleme schlicht nur beseitigen, indem man sie mathematisch vorherberechnet und in Simulationen optimale Rahmenbedingungen für den dauerhaften Betrieb findet. „Experimente“ im klassischen Sinn würden viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die Entwicklung behindern. Zudem werden sie umso schwieriger, je kleiner die Bauteile werden.

Vor dem Hintergrund, dass Apple im kommenden iPhone 12 auf 5nm Prozessoren setzt, erschien es uns sinnvoll, auch diese Aspekte einmal hier zu beleuchten. Es wäre umso interessanter, wenn Apples Ingenieure in einem Blog oder Whitepaper selbst auch einmal beschreiben würden, wie das Unternehmen mit den ganzen Phänomenen beim Design und der Fertigung von Mikrochips umgeht. Denn eins ist klar: Auch Apple hat beim Design seiner Chips mit den gleichen Widrigkeiten zu kämpfen.


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