Von wegen demokratisch: Die negative Seite von Kickstarter, Indiegogo und Co.

Alexander Trust, den 4. Februar 2020
Eine Idee im Crowdfunding
Eine Idee im Crowdfunding, Bild: CC0, Tumisu

Ich finde Crowdfunding toll. Aber nur die Möglichkeit, an einer Idee eines anderen teilzuhaben, die mir gefällt. Wenn hingegen in den Medien die politische Dimension von Crowdfunding „schöngeschrieben“ wird, dann muss ich immer mit der Stirn runzeln. Denn leider Gottes ist die Idee nicht zu Ende gedacht. Deshalb hört sich die Rede von der Demokratisierung der Wirtschaft durch Crowdfunding eher wie kapitalistisches Marketing an. Ein Kommentar.

Crowdfunding ist nicht demokratisch!

Sieht man einmal davon ab, dass das Konzept des Crowdfunding viel älter ist, als Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo im Netz es suggerieren, habe ich vor allem ein Problem mit dem „Marketing“ für diesen Begriff. Viel zu leichtfertig werden immer nur die „vermeintlich“ positiven Seiten gepriesen.

Denn uns wird erklärt, dass wir mittels der Internetplattformen ein schönes neues Medium zum Teilhaben erhalten. Das ist so ganz falsch nicht. Doch in erster Linie dient Crowdfunding vielem, nur nicht der Demokratie und unsere Teilhabe birgt ein einseitiges Risiko.

Schwarmfinanzierung als Risikominimierung

Crowdfunding kann auch ein Testballon für ein Unternehmen sein. In jedem Fall aber dient Schwarmfinanzierung viel zu oft als Mittel der Risikominimierung. Warum ist das so?

Erzielt ein Unternehmen nicht das gesteckte Ziel mit einer Kampagne, hat es nichts verloren. Es kann die Idee überarbeiten und dann mit einem Businessplan immer noch versuchen, Geldgeber zu finden.

Schafft ein Unternehmen allerdings das gesteckte Ziel der Kampagne, dann hat es damit ein Großteil seines Risikos auf „uns“ Unterstützer abgewälzt, und zwar so günstig wie sonst vermutlich nirgendwo.

Geld für lau

„Wir“ können für 0 Euro einen Computer oder ein Smartphone finanzieren. Aber eine Geschäftsidee ohne Zinsen umsetzen zu können, ist eine einseitige Verlagerung des Risikos. Denn im Grunde sind Zinsen in der Wirtschaft ein Indikator für das damit verbundene Risiko. Je mehr Zinsen es gibt, desto mehr Risiko ist damit verbunden. Beim Crowdfunding wird dieses Konzept aber ad absurdum geführt. Denn die Gewinner sind in erster Linie die Plattformbetreiber. Denn die halten die Hand auf. Dann folgen die Ideengeber und das größte Risiko tragen wir Unterstützer. Doch gerade wir bekommen eigentlich ziemlich wenig für unser Invest.

Fernsehsendungen wie „Die Höhle der Löwen“ erklären vor laufender Kamera spielerisch den Prozess des Wagniskapitals. Die Investoren in der Sendung, die „Löwen“, wollen deshalb für ihr Investment auch Firmenanteile haben. Das ist Ihre Form von nachgelagertem Zins.

Naive Gründer und Unterstützer

Ein Aspekt von vielen, den ich unbedingt erwähnen möchte. Schon zu Beginn einer Kampagne gibt es bereits die ersten Probleme. Denn nicht jede Idee, die auf Kickstarter oder Indiegogo eine Finanzierung sucht, ist auch zu Ende gedacht. Bei manchen Unternehmen reicht das eingesammelte Geld manchmal schon nicht mehr für Tests und Vorserienproduktionen, sodass gar kein finales Produkt mehr in den Handel kommt.

Dann unterschätzen manche Gründer die weltweite Logistik. Der 8Bit Guy musste für ein über Kickstarter finanziertes Projekt Freunde und Familie zusammentrommeln, um dem Verpacken und Versenden auch nur halbwegs Herr zu werden. Das Ergebnis waren in seinem Fall nur Lehrgeld und Lieferverzögerungen. Er kann aber sogar mehrere Lieder davon singen. Eines präsentiert das Video ab Minute 26.

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Halbwertszeit von Crowdfunding-Produkten

Das Fass von Produkten, die zwar erfolgreich finanziert wurden, aber trotzdem nie erscheinen, möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht aufmachen.

Aber ich möchte Euch vielmehr auf etwas anderes Hinweisen. Nämlich die Halbwertszeit von Produkten, die auf den Crowdfunding-Plattformen erfolgreich beim Kunden ankamen.

Assoziationsketten sind manchmal merkwürdig. Denn der Stein des Anstoßes für diesen Kommentar von mir ist ein Video des YouTubers Spiel und Zeug über die Nachhaltigkeit von Smart-Home-Produkten.

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Wie nachhaltig sind Crowdfunding-Produkte?

Wie nachhaltig sind eigentlich Produkte aus dem Crowdfunding? Diese Frage müssen wir nicht „ökologisch“, sondern vielmehr „egoistisch“ beantworten. Dann wird nämlich ein Schuh draus.

Selbst das Kickstarter-Phänomen „Pebble“ zeigt, dass auch vermeintlich zu Ende gedachte Produkte irgendwann für Nutzer als Elektroschrott enden können. Doch mir geht es um andere Produkte, bei denen die Erfinder sich zu wenig Gedanken darüber machen, wie lange ihre Produkte im Einsatz bleiben können.

  • Sobald beispielsweise die Server hinter einem Internetschutz abgeschaltet werden, ist dieser nutzlos.
  • Wenn man keine „Samen-Tabs“ mehr kaufen kann für einen „smarten“ Kräutergarten für den Schreibtisch, ist das Invest nur noch teurer Elektroschrott.
  • Wenn sich der „smarte“ Teekocher zum Ferrari unter den Wasserkochern entwickelt, ist die Idee nicht zu Ende gedacht. Denn dann sind die Betriebskosten so hoch, dass man sich das Produkt nicht leisten kann.
  • Und ja, auch wenn ein „Drucker“ für die Hosentasche toll ist, mit dem man Papier, Holz, Kunststoff und sogar die eigene Haut bedrucken kann. Wie lange kann man nach dem Kickstarter dafür noch Druckerpatronen kaufen?

Genau diese Fragen sind ein besonderes Indiz für mich, dass Crowdfunding vieles ist, aber nicht unbedingt demokratisch. Denn bei vielen Projekten und auch Firmengründungen wird das Risiko einfach abgewälzt und die Ideengeber machen sich darüber keine Gedanken. Am Ende sind wir der Dumme.

Es gibt auch bei Kickstarter und Indiegogo keine Verpflichtung, den Käufern das Geld zurück zu zahlen. Das ist aber gar nicht meine Forderungen. Vielmehr würde es schon reichen, wenn wir alle (Gründer wie Unterstützer) versuchen, die Idee zu Ende zu denken.


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