Geschenkpapier, Umwelt und Gastbeiträge from Hell

Alexander Trust, den 5. Dezember 2019
Geschenkpapier
Geschenkpapier, Bild: Susanne Jutzeler

Vorsicht vor Linkbaits mit Trendthemen.

Bei uns trudelte heute eine „Pressemitteilung“ von einem deutschsprachigen DIY-Portal ins Mailfach. Eine Mitteilung, wie es sie seit vielen Jahren immer wieder gibt. Manche enthalten vermeintliche „Fakten“, andere enthalten auch Grafiken und Diagramme. Die dürfe man für seine eigene Berichterstattung verwenden, so der Tenor in all diesen Anfragen.

Wer Macnotes „von früher“ kennt, wer aber auch mich und meine Webseiten etwas besser und länger kennt, der weiß, was jetzt kommt.

Leute, lasst Euch nicht verarschen

Heutzutage kämpfen viele um Aufmerksamkeit. Wir kämpfen sogar selbst um die Aufmerksamkeit unserer Mitmenschen. Nicht wenige von Ihnen blicken nämlich während eines Gesprächs verstohlen auf ihr Smartphone (oder die Smartwatch).

Wer im Web was werden will, der braucht Aufmerksamkeit. Nun gibt es Marketing-Tricks, mit denen man zu genau dieser Aufmerksamkeit gelangt. Doch hochgradig seriös wirken wollende Pressemeldungen über „Recherchen“ zum Thema Umwelt, Verpackung und Müll sind nur eine Spielart von dieser perversen Unart.

Du bekommst unser Wissen gratis, aber wir wollen den Link

In solchen E-Mails wird Euch versprochen Ihr dürftet die Inhalte für Eure Beiträge „kostenlos“ einsetzen. Schon das grenzt an Verarscherei. Immerhin haben diejenigen, die die E-Mail schreiben, die Inhalte selbst „kostenlos“ erhalten. Sie sind nämlich frei zugänglich.

Nur dummerweise gibt es diesen Content ja gar nicht gratis. Denn der Gegenüber möchte, dass Ihr, wenn Ihr darüber schreibt, auf seine Webseite XYZ verlinkt. Alles auf der Welt kostet Links?!

Unseriöser Scheiß

Was ich davon halte? Herzlich wenig. Heute war so ein Tag, an dem ich mir fünf Minuten Zeit genommen habe, um das PDF im Anhang der Mail zu überfliegen. Und was soll ich sagen?

Drei Seiten voll mit Informationen aus Wikipedia? Vielleicht aus Broschüren und Newslettern des Umweltbundesamtes? Oder womöglich von Abfallversorgern aus der Region? Am Ende stand es in der Apotheken-Umschau… Die Infos werden da als heiß recherchiertes „Insiderwissen“ verkauft. Nur eine These möchte ich Euch vorstellen. Denn die zeigt besser als notwendig, wo das Problem liegt.

An Weihnachten erzeugen wir mehr Müll

Wenn Ihr Euch den Spaß macht und nach „Weihnachten mehr Müll“ googelt, findet Ihr unter anderem einen Hinweis auf das Wertstoffblog aus dem Jahr 2015. Dort heißt es, es würden 20 bis 30 Prozent mehr Müll an Weihnachten anfallen. 20 bis 30 Prozent? Das sind „exakt“ die Werte, die auch der Link-Bait des DIY-Beitrags angibt. Blöd nur, dass die im Wertstoffblog verlinkte Quelle, die Augsburger Allgemeine nämlich, den Inhalt hinter einer Paywall versteckt. Der Artikel wird aber zumindest mit der Einleitung noch sichtbar angezeigt. Es fällt der Hinweis auf den Abfall-Wirtschafts-Verband (AWV). Na dann wissen wir ja nach der eigenen Recherche, wo zumindest diese Info herkommt.

Denn das DIY-Projekt, das uns gratis Inhalte liefert und dafür aber trotzdem einen Backlink haben möchte, hält es nicht für nötig, seine Inhalte mit Quellen zu versehen. Da werden Thesen aufgestellt, die so „niemand“ überprüfen kann. Das ist hochgradig unseriös.

Exkurs: Wertstoffblog:

Betrieben wird das Wertstoffblog übrigens von einer „Marketing“-Agentur, deren Hauptkunden ein Ministerium in NRW oder ein Abfallversorger (Remondis) sind. Doch was für sich genommen schon beschissen genug ist, dass Google quasi Lobbyarbeit echten Inhalten vorzieht, soll an dieser Stelle nicht unser Thema sein.

Was aber hat es mit dem Müll an Weihnachten auf sich? Die „Bundesregierung“ veröffentlichte 2017 ebenfalls einen Beitrag zu diesem Thema. Darin klärt man auf, wie man „weniger Müll zu Weihnachten“ produzieren kann. Und was soll ich Euch sagen? Einige der Ideen dort sind auch in dem Link-Bait des DIY-Portals zu finden.

Mir kommt es also so vor als hätte dort jemand die ersten Suchergebnisse zu einem Marketing-Thema auf Google genommen, etwas zusammengeschrieben und am Ende sind wir die Dummen.

Am schlimmsten ist der langfristige Effekt

Wenn Ihr mich fragt, sind solche „naiven“ Marketing-Aktionen von irgendwelchen Webseiten wirklich plump. Klar, mich stört so etwas.

„Aber“ am meisten stört mich dabei, dass viele Webseiten-Betreiber diese Informationen einfach aufgreifen, abschreiben und einen Link setzen. Gar nicht so sehr wegen des Links. Sondern vielmehr weil das Netz mit Inhalten zugemüllt wird, die dazu führen, dass wir alle miteinander „vermeintliche“ Fakten konsumieren, die niemand von uns überprüfen kann.

Insofern muss ich mich an dieser Stelle bedanken, dass das Leben es gut mit mir meinte und ich Informatik, Soziologie und Linguistik studieren durfte. Entsprechend bin ich vermutlich privilegiert, um nicht auf so einen Nepp hereinzufallen. Dummerweise werden diese Pseudo-Fakten trotzdem weiterhin das Netz unsicher machen. Schade.


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