Test: Parallels Desktop 6 – Virtualisierungssoftware für Mac-Anwender

Stefan Keller, den 19. September 2010

Besonders für „Switcher“ interessant sind Virtualisierungsprogramme, mit deren Hilfe sich ein virtueller Computer emulieren lässt. Darauf lassen sich alle möglichen Betriebssysteme installieren. Im kommerziellen Sektor konkurrieren bei dieser Aufgabenstellung VMWare Fusion und Parallels Desktop miteinander. Letzterer ist kürzlich in Version 6 erschienen, die wir hier testen möchten.

Einrichtung

Parallels Desktop ist in der Lage, einen virtuellen Computer neu zu erstellen, von einer BootCamp-Partition zu starten und eine VMWare-Maschine zu Parallels zu konvertieren. Einen neuen Computer zu erstellen, geht dabei leicht von der Hand. Parallels fragt sofort nach der CD/DVD, auf der das Betriebssystem ist oder nimmt alternativ eine Image-Datei (unterstützt wird ISO, DMG und CDR). Daraus leitet es ab, welches OS installiert werden soll (wobei das im Fall von FreeBSD fehlschlug und Parallels Desktop sich erkundigte, um welches System es sich hierbei handelt) und welche Hardware dafür sinnvoll wäre. In unseren Tests mit Windows 7, Windows XP, Ubuntu 10.04, FreeBSD und OpenSolaris hat das Tool dabei 1 GB RAM vorgeschlagen, was akzeptabel ist. Für die meisten unterstützten Systeme gibt es zudem eine Installationshilfe, bei der nach Benutzerkonto und ggf. Seriennummer gefragt wird. Wenn der Anwender dies wünscht, wird die Installation danach ohne sein Zutun fortgeführt. Wer jedoch eher auf einen klassischen Virtualisierer setzt, kann das alles auch abschalten und selbst an der Konfiguration herumspielen.

An dieser Stelle leistet sich Parallels jedoch einen kleinen technischen Schnitzer: Nachdem die Installation des Betriebssystems abgeschlossen ist, wird je nach installiertem RAM im Mac ein größerer Teil oder gar der gesamte freie Speicher als „inaktiv“ gebrandmarkt. Mac OS fängt folglich an, die Auslagerungsdatei (Swap) zu nutzen, was den realen Rechner langsamer macht. Allerdings ist der Spuk nach der Einrichtung vorbei, wenn normal mit der virtuellen Maschine gearbeitet wird, ist dieses Verhalten nicht zu beobachten. Dennoch leidet die Konkurrenz nicht an diesem Problem, weshalb wir es erwähnen möchten.

Gleich nachdem Windows eingerichtet wurde, bei Linux muss man das selbst anstoßen, werden die Parallels Desktop-Tools installiert, die den Datenaustausch mit dem Mac ermöglichen und einen 3D-fähigen Grafiktreiber mitbringen. Was wir nicht wirklich verstanden haben, ist jedoch, warum nach dessen Installation (unter Windows 7) die Taskleiste an den oberen Bildschirmrand gewandert ist – das hat sich später vor allem im Zusammenhang mit den iOS-Apps als ziemlich unpraktisch erwiesen.

Performance

Der Test erfolgte auf einem iMac (Ende 2009), der mit einem Core 2 Duo 3,06 GHz und der GeForce 9400M bestückt ist. Der physikalische Arbeitsspeicher ist 12 GB groß. Die CPU beherrscht Intels Virtualisierungstechnologie („Vanderpool“) und das merkt man auch. Im normalen Windows-Betrieb fühlen sich die virtuellen Windows-Installationen flüssig an, wie es sein sollte. Eine leichte Ernüchterung machte sich beim Test mit Windows 7 breit. Obwohl Parallels Desktop die Aero-Spielereien emulieren kann, sogar mit Hardwarebeschleunigung, sind die meisten Animationen nicht flüssig. Dies ist jedoch eher als „Jammern auf hohem Niveau“ zu verstehen, denn die allgemeine Arbeitsgeschwindigkeit war durchweg in Ordnung. Erfreulicherweise starten die Windows-VMs sehr schnell, wobei der Schlafmodus ebenfalls problemlos funktioniert.

Spiele-Leistung

Ein Sonderfall eines Anwendungsbeispiels ist sicherlich die Kategorie „Spiele“. Hier zeigt sich deutlich, dass Parallels Desktop seine Hausaufgaben gemacht hat. Im Test gab es kein Windows-Spiel, das nicht zumindest spielbar war. Jedoch fiel auf, dass die Performance in Spielen besser sein könnte. Dies bewies VMWare, das zwar öfter Probleme hatte (Need For Speed: Most Wanted stürzte etwa beim Spielstart ab), aber eine bessere Framerate erreicht. Der Fairness halber sei erwähnt, dass VMWare zudem deutlich häufiger mit Grafikfehlern zu kämpfen hat (Grand Theft Auto: Vice City, Unreal Tournament 2004), doch wenn etwas anstandslos läuft, ist es bei der Konkurrenz im Allgemeinen flüssiger (Grand Theft Auto 3, Max Payne 2), einzige Ausnahme bestand in Flat Out 2, das in beiden VMs problemlos lief, bei Parallels Desktop jedoch eine höhere Framerate erreicht. Interessanterweise ist die Spiele-Performance unter Windows 7, trotz höherer Hardwareanforderungen, etwas besser als mit Windows XP.

Zumindest beim ersten Mal ist jedoch die Time Machine-Warnung etwas ärgerlich. Sie wird als modale Dialogbox eingeblendet, die es erst wegzuklicken gilt. Da Parallels Desktop keine Rücksicht darauf nimmt, ob die VM gerade den Arbeitsplatz oder ein Spiel präsentiert, kann dies ärgerliche Folgen haben. Glücklicherweise lässt sich die Meldung dauerhaft abschalten.

Am Ende des Tages bleibt jedoch lobend festzuhalten, dass Parallels Desktop die kompatiblere der beiden kommerziellen Mac-Virtualisierungslösungen ist – wenn einer der Hauptgründe für eine (Windows-) VM das Spielen ist, ist Parallels also die bessere Wahl.

Auf Benchmarks haben wir beim Test bewusst verzichtet, denn nur allzu häufig werden Treiber (für reale Hardware) auf eben jene hin optimiert. Stattdessen haben wir uns lieber anhand von realen Spieletiteln einen Überblick über die Performance verschafft.

Alternative Betriebssysteme

Ein ganz und gar gegenteiliges Bild liefert Parallels Desktop jedoch bei alternativen Betriebssystemen ab. Für den Test alternativer Betriebssysteme mussten Ubuntu 10.04, OpenSolaris 2009.06 und FreeBSD herhalten. Während es für Linux noch die Parallels Desktop-Tools gibt (die sich allerdings nur manuell auf der Konsole installieren lassen; bei der Express-Installation werden sie automatisch, aber unsichtbar installiert, d.h. der Anwender könnte sich über einen unerwarteten Neustart wundern), stehen Anwender, die andere Betriebssysteme emulieren möchten, im Regen.

Zudem fiel auf, dass die Express-Installation keine Abfrage bzgl. der Sprache implementiert, standardmäßig wird Ubuntu englisch installiert, sogar wenn Parallels Desktop selbst deutsch ist. Immerhin gleichen die Parallels-Tools für Linux weitestgehend den Windows-Kollegen, sodass man unter Linux vernünftig arbeiten kann. Der Maus- und Grafiktreiber wurde installiert und die am Mac angeschlossenen Festplatten (USB- und Netzwerkplatten) sind über eine Desktop-Verknüpfung bequem zu erreichen. Einzig auf den Coherence-Modus, bei dem die eigentliche VM ausgeblendet wird und der Eindruck entsteht, dass die Anwendungen nativ auf dem Mac laufen, fehlen unter Linux.

Sonstige Funktionen

Nach der Pflicht kommt die Kür, bei der sich Parallels Desktop 6 gut schlägt. USB-Geräte können problemlos virtuellen Rechnern zugewiesen werden. Wird zur Laufzeit ein neues USB-Gerät angesteckt, fragt Parallels nach, für welchen Rechner es verwendet werden soll (Mac oder einer der eingeschalteten VMs). In den Einstellungen kann dies jedoch festgelegt werden, sodass ein Scanner etwa immer mit der aktuellen virtuellen Maschine verbunden wird ohne weitere Nachfrage. Für die virtuellen Maschinen gibt es zudem ein paar kleine Extra-Features. So kann unter anderem eingestellt werden, inwiefern Time Machine die VM sichern soll. Parallels unterstützt Snapshots, die einem Komplett-Backup einer virtuellen Maschine entsprechen. Einmal eingerichtet, kann man also gefahrlos alles ausprobieren, was man möchte und falls etwas kaputt geht, kann ein älterer Snapshot wiederhergestellt werden. Man sollte sich dabei aber überlegen, ob man die Isolation, die alle Integrationsfeatures abschaltet, nicht evtl. aktivieren sollte, denn sonst könnten auch die Daten auf dem Mac Schaden nehmen. Damit der emulierte Computer vor neugierigen Blicken geschützt ist, lässt er sich mit einem Passwort verschlüsseln.

Wer sich ganz wie zu Hause fühlen will, kann sich zudem den „MacLook“ installieren, der den Windows-Skin in Richtung des Mac OS X-Aussehens verändert.

iOS-Apps

Als besonderes Goodie bietet Parallels eine App an, die auf iPad und iPhone lauffähig ist. Die verbindet sich über den Parallels-Server mit dem Mac und bietet sodann die Möglichkeit, die virtuellen Rechner fernzusteuern. Das geht in gerade noch akzeptabler Geschwindigkeit über das eigene LAN und mit einer katastrophalen Performance über das Internet.

An dieser Stelle geht das große Wundern über die Taskleiste am oberen Bildschirmrand in die zweite Runde, denn so wird sie durch die App-Navigation überdeckt und somit ist der Start-Knopf nicht erreichbar. Auf dem iPhone verschwindet diese Leiste übrigens, sobald es in das Querformat gedreht wird, auf dem iPad bleibt die Leiste selbst dann erhalten.

Vor allem beim Wechseln der Auflösung haben wir des öfteren Abstürze der App beobachten können. Dies ist nicht weiter tragisch, denn die virtuellen Rechner laufen auf dem Mac ungehindert weiter, aber dennoch ärgerlich.

Wenn keine Parallels-Tools vorhanden sind, wie es für OpenSolaris etwa der Fall ist, ist die App quasi gar nicht zu gebrauchen. Geklickt wird durch Antippen, doch leider versagt die App beim präzisen Durchgeben der korrekten Koordinaten, sodass ein Klick auf den „Applications“-Button von Gnome (oben links) ganz woanders registriert wurde.

Ansonsten könnte man meinen, die App tut was sie soll, jedoch wird kein Sound an die iOS-Geräte weitergegeben und zudem ist zum Filmgucken die Performance, selbst über das eigene LAN, zu schlecht, sodass vielleicht Office noch Sinn machen könnte. Dies allerdings wird durch die Bildschirmtastatur gekonnt verhindert, die fast den halben Bildschirm im Querformat einnimmt. Im Hochformat ist dies etwas günstiger, doch beherrschen die Grafiktreiber in der virtuellen Maschine keine gedrehten Bildschirme und deshalb bleiben nur die gängigen 4:3 bzw. 16:9 oder 16:10-Auflösungen. Entschärfen lässt sich die Lage mit einer Bluetoothtastatur oder dem Keyboard-Dock für das iPad, wobei dadurch ein Großteil der Mobilität eingebüßt wird. Schlussendlich bleibt ggf. nur noch die Fernwartung übrig, für die diese App geeignet sein könnte, aber zu viel sollte man sich nicht davon versprechen.

Fazit

Parallels Desktop ist eine grundsolide Virtualisierungssoftware. In unseren Tests kam es meist nicht ganz an die Leistung der Konkurrenz heran, war aber für Direct-X-Anwendungen dahingehend besser zu gebrauchen, dass deutlich mehr überhaupt (anständig) funktionierte. Ebenso überzeugen konnte die Integration in den Mac-Desktop. Wenn es jedoch darum geht, ein Betriebssystem zu emulieren, das nicht aus Redmond kommt, dann ist VMWare wohl der universellere Virtualisierer. Die iOS-App ist ein nettes Goodie, bietet in der Praxis jedoch eher keinen Mehrwert, zumal es für das iPhone bereits zahlreiche Fernwartungstools gibt. Dennoch muss sich das Produkt in der Praxis vor niemandem verstecken und kann das Versprechen, das beste Windows-Erlebnis auf den Mac zu holen, halten, weshalb wir guten Gewissens 4 von 5 Macs vergeben können.


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