Arzttöchter erklären nicht die Welt: Traub im Irrtum

Alexander Trust, den 24. September 2020
Müll in der Natur
Müll in der Natur, Bild: Pete Linforth

Das Magazin Cicero veröffentlicht vorab einen Auszug aus einem Buch des Politikstudenten Clemens Traub, der selbst Teil der Bewegung „Fridays for Future“ war und ihr aber den Rücken kehrt. Traub thematisiert vermeintlich sozialen Sprengstoff, merkt dabei aber nicht, wie er Gemeinplätze hofiert und Vorurteile weiter schürt und damit am Ende „selbst“ zündelt.

Als ich begann, den Beitrag auf Cicero zu lesen, dachte ich mir zunächst, dass und wie Traub vermutlich angefeindet würde. Er versucht eine ausgewogene Sicht auf ein Phänomen unserer Zeit zu liefern. Doch er befeuert vor allem Vorurteile – meine Meinung.

Es fängt schon damit an, dass Traub seinen Standpunkt überschätzt. Es gehört nämlich solche Selbstüberschätzung dazu, zu behaupten, dass er das „typische Milieu“ der „meisten“ Demonstranten der FFF-Bewegung kenne. Ich kenne es nicht, aber ich bin auch nicht Teil der Bewegung. Nur ich weiß, dass man solche Behauptungen empirisch belegen können muss.

Geburtsfehler bei Fridays for Future?

Dann spricht er von einem Geburtsfehler der Bewegung. Es seien vor allem Akademikerkinder, die uns die Welt erklären wollten und unter sich blieben. Dafür gibt es bislang keine Belege. Es ist eine Beurteilung Traubs „aus dem Bauch heraus“. Er beschreibt damit nur, was er selbst erlebt hat.

Thunberg ist „kein“ Akademikerkind

FFF ist in den letzten zwei Jahren aus dem Schulstreik für Klima Greta Thunbergs erwachsen.

Ihre Eltern sind eine Opernsängerin und ein Schauspieler. Thunberg selbst geht noch zur Schule und hat zwar gute Noten, ist aber entsprechend noch keine Akademikerin. Ja, Thunberg lebt vegan, aber das ist dann auch schon die einzige Übereinstimmung mit den Attributen, die Traub den FFF-Aktivisten zuweist. Denn die würden vor allem „Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies Einkaufen“ betreiben, weil sie es sich leisten könnten. Thunberg trinkt keinen Alkohol. Traub tut dies vielleicht, aber viele Anhänger der Klimaprotest-Bewegung allein schon deswegen nicht, weil sie noch minderjährig sind und es gar nicht dürfen.

Traub zündelt selbst

Gerade, indem Traub aber die FFF-Bewegung als privilegiert vereinnahmt, sie in einen „Elfenbeinturm“ steckt, schürt er Vorurteile. Er unterstellt den Protestlern einen kosmopolitischen Lebensstil, der die Ängste und Sorgen derjenigen außer Acht lässt, die sich sowieso vieles nicht leisten können und in Zukunft wegen möglicher Klimapolitik noch weniger werden tun können.

Zum einen unterstellt Traub hier wiederum etwas, nämlich dass Klimapolitik immer nur etwas kostet. Steigende Strompreise gab es schon „vor“ FFF. Sie haben eine ganz andere Ursache. Fehlplanungen und inkonsequente Handlungen der beteiligten Politiker beispielsweise sind der Grund dafür, dass die Strompreise explodieren (und auch das tun sie nicht). Was es bedeutet, wenn Preise explodieren, sollte man mal jemanden Fragen, der eine Währungsinflation miterlebt hat. Ich würde „behaupten“, dass die FFF-Bewegung bislang gar keinen Einfluss auf den Strompreis gehabt hat. Aber das ist nur „mein“ Bauchgefühl.

Indem Traub jedenfalls diese Vorurteile bedient spaltet er die Gesellschaft selbst. Denn diejenigen, die seinen Argumenten folgen, ohne sie zu hinterfragen, werden so gegen die vermeintlichen Akademikerkinder aufgestachelt.

Andere sollen nicht, weil manche es nicht tun?

Doch selbst wenn Traub immer mal wieder berechtigte Denkanstöße geben möchte, legt er sich doch selbst ein ganz faules Ei ins Nest. Er schreibt, dass „sich immer mehr Menschen fragen, wann endlich für ihre Alltagssorgen auf die Straße gegangen werde“. Zum einen zeichnet er damit das Bild von Leuten, die sich nicht selbst für ihre Angelegenheiten einsetzen, sondern darauf warten, dass andere es tun. Damit beurteilt er auch diese Gruppe nicht besonders sinnhaft.

Doch Teile der Gesellschaft, die ihre Sorgen nicht ernst genommen fühlen, gibt es. Nur ist das kein Argument gegen FFF. Denn nur weil andere nicht für ihre Belange protestieren kann man doch wieder anderen nicht „verbieten“ sich für die eigenen Belange einzusetzen. Das gilt sogar für den Fall, dass Traub mit seinen Vorurteilen gegenüber Akademikerkindern recht haben würde. Traubs Argument ist moralischer Natur. Aber man kann jemandem den Protest nicht verwehren, weil man ihn moralisch verwerflich findet. Er gehört zu den Grundrechten.

Ich hoffe für Traub, dass der Auszug bei Cicero nur die halbe Wahrheit zeigt und er in seiner Streitschrift – und sei es nur im Anhang – empirische und wissenschaftliche Quellen für seine Behauptungen beibringt. Ansonsten nämlich ist seine Streitschrift nur ein ideologisches Pamphlet, das Zweifel sät. Davon hat unsere Gesellschaft schon mehr als genug.


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