Software ist ein Klimakiller: Zukunftsprobleme auf dem 36C3

Alexander Trust, den 28. Dezember 2019
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„Wie klimafreundlich ist Software?“

Das fragen Informatikerin Marina Köhn vom Umweltbundesamt und Dr. Eva Kern vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier auf dem 36C3 in Leipzig. Beide stellen Statistiken und Ansatzpunkte für einen Diskurs der Öffentlichkeit vor, bleiben aber Lösungen schuldig. Sie stellen lediglich direkt und indirekt durch ihre Beispiele die Frage, inwieweit wir alle miteinander dazu beitragen, mehr Ressourcen zu verbrauchen als notwendig.

Im Internet verursacht jeder von uns Traffic. Doch genau dieser Datentransfer entspricht immer auch einem CO2-Fußabdruck. Auf Konzerten oder bei Sportveranstaltungen zücken viele Leute Ihr Handy und machen Aufnahmen vom Event, streamen dies möglicherweise sogar live ins Netz. Jeder einzelne Nutzer verursacht so zusätzlichen Datenverkehr. Das sei ein Problem. Das „gespeicherte Datenvolumen im Netz“ verdoppele sich circa alle zwei Jahre. Das Wachstum der Daten ginge stetig weiter. Ein Ende? Nicht in Sicht.

Bitcoins besonders umweltschädlich

Ein besonders umweltschädliches Konzept verfolgen Kryptowährungen wie Bitcoin. Diese Währung an den Energiebedarf zu koppeln ist also eine der großen Umweltsünden unserer Zeit. Besonders tragisch: Das Schürfen findet vor allem in China statt, wo die Energie zum Großteil aus Kohle gewonnen wird. Der Stromverbrauch für die Gewinnung von Bitcoins entspricht zum jetzigen Zeitpunkt demjenigen des Landes Österreich.

Software Bloat am Beispiel Windows?!

Windows 95 benötigte noch 4 MB Speicher und rund 50 MB auf der Festplatte. Selbst Windows XP kam mit 64 MB Speicher und 1,5 GB auf der Festplatte aus. Doch bei Vista fand eine Vervielfachung statt. Denn das System benötigte 512 MB Speicher und 15 GB Festplattenplatz. Die Informatikerin Köhn stellt in Zweifel, dass der Funktionsumfang der Betriebssysteme in dem Maße mitgewachsen ist, es sich stattdessen um das Phänomen des Software Bloat handele, man spricht auch von Bloatware.

An dieser Stelle sei von uns auf einen kleinen Denkfehler, bzw. Bias hingewiesen. Die in der Tabelle beschriebene Version von Windows XP nutzte eine 32-bit-Architektur. Vista setzte auf 64-bit. Letztere ist – zumindest in der Theorie – effizienter und kann vorhandene Aufgaben (entsprechend programmiert) schneller ausführen. Am Ende verbrauchte man also weniger Strom. In der Realität war und ist es aber leider trotzdem so, dass Software nicht effizient genug umgesetzt wird.

Es ist aber laut Frau Köhn ebendiese Software die dazu führt, dass Hardware obsolet wird und entsprechend für Ressourcenverbrauch sorgt.

Lösungen? Fehlanzeige

Es ist dann Dr. Eva Kern, die ein „Wirkungsmodell“ vorstellt, das die Zusammenhänge zwischen Software, Hardware und natürlichen Ressourcen abzubilden versucht. Eine konkrete Lösung ist dies noch nicht, aber immerhin ein Versuch zu einer solchen zu gelangen. Die Forschung in dem Bereich wirkt aber noch, als stecke sie in den Kinderschuhen. Die Software wirkt kompliziert in der Anwendung, wenngleich die Wissenschaftlerin auch eine Schnittstelle für Entwickler anbieten will.

Es gibt aber schon jetzt in Entwicklungsumgebung wie Xcode Möglichkeiten, die Effizienz und den Ressourcenverbrauch der eigenen Apps zu analysieren. Apple erlaubt die Analyse von Programmen zur Laufzeit, um diese zu optimieren und Flaschenhälse zu erkennen. Genau die Nachhaltigkeit, die Frau Kern propagiert hat Apple seinen Entwicklern schon vor einigen Jahren ans Herz gelegt.

Auch ist es Apple, das noch immer an Downloadgrenzen von Apps im Mobilfunknetzwerk festhält. So zwingt es indirekt Entwickler dazu, Apps möglichst schlank zu programmieren, damit diese auch von der Masse der iPhone-Nutzer heruntergeladen werden kann. Effizienz kann also auch ein Kriterium bei der Enwicklung sein. Wenn nämlich die App der Konkurrenz heruntergeladen werden kann, die eigene aber nicht, gerät man ins Hintertreffen.

Referenzsysteme und -modelle

Für die Analyse setzen die Wissenschaftler auf gewisse Referenzsysteme und auch standardisierte Anwendungsfälle, z. B. von einer Textverarbeitung, beim Videoschnitt und anderen. 30 Mal wird ein Arbeitsvorgang oder werden Arbeitsvorgänge wiederholt abgespielt und der Stromverbrauch aber auch die Auslastung von Speicher und CPU festgehalten.

Unter dem Strich stehen bei verschiedenen Apps oft minimale Unterschiede im Ressourcenverbrauch. Frau Dr. Kern weist aber zurecht darauf hin, dass bei der weltweiten Verbreitung der Software auf Millionen von Rechnern selbst minimale Änderungen in der Einzelnutzung in der Summe zu Einsparpotenzial führen. Noch können die Wissenschaftler aber nicht sagen, wie man anders entwickeln soll, um weniger Ressourcen zu verbrauchen. Auch deshalb, weil sie nicht in der Lage sind, zu verstehen, warum manche Apps so viel Strom verbrauchen.

Interessante Randnotiz: Die Bibliothek für einen blinkenden Cursor wurde in einer Textverarbeitung fehlerhaft implementiert. Sie sorgte selbst im Leerlauf für unnötig hohen Stromverbrauch (ca. 80 Watt im Leerlauf versus über 100 Watt).

Umweltzertifizierung

Der „Blaue Engel“ ist auch im Bereich Technik vorhanden. Doch anders als bei Klopapier oder Haushaltswaren im Allgemeinen ist es kein echtes Zertifikat. Stattdessen soll er als Auszeichnung für besonders ambitionierte Produkte in der IT gelten. So wird er in naher Zukunft sogar für Rechenzentren eingeführt. Abschließend ist die Zertifizierung aber noch nicht geklärt. Auch Videospiele sollen den „Blauen Engel“ erhalten, Ego-Shooter ausgenommen.

Hinweis: Das Video ist leider nicht vollständig lippensynchron. Möglich, dass dies im Laufe des Events noch behoben wird.


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