Test: Logitech Create für iPad Pro

Alexander Trust, den 9. Dezember 2015
Logitech Create
Logitech Create, Foto: Alexander Trust

Das Logitech Create für das iPad Pro ist das erste Zubehör, dass den Smart Connector am iPad Pro genutzt hat. Im Test des Logitech Create zeigt sich, dass dies nicht nur Vorteile hat.

Beim Schreiben von Testberichten kommt bei mir vor allem die Motivation als entscheidendes Kriterium dazu. Im vergangenen Jahr habe ich den Lesern von Macnotes – leider oder Gott sei Dank – eine Reihe von Reviews erspart, weil entweder die Produkte zu schlecht, oder die Apps zu gewöhnlich waren. Beim Tastatur-Cover Logitech Create wäre es beinahe ähnlich abgelaufen. Doch ich konnte meinen inneren Schweinehund überwinden, als ich in vielen US-Blogs und auf vielen Webseiten super positive Testberichte über das Produkt las. Doch das Fass zum Überlaufen brachte ein Beitrag bei iFun.

Ich bin in erster Linie Anwender, und nicht Verkäufer. Es gab mal eine iPhone-Schutzhülle, für deren negative Bewertung ich von demselben Mitarbeiter von iFun, der jetzt das Logitech Create lobt, öffentlich bloßgestellt wurde. Er fand die iPhone-Hülle „super toll“, vielleicht weil bei ihm alles super toll ist, wie seine aktuelle Einschätzung zur Logitech Create:

„Mit Blick auf die oben erwähnten Vorteile gegenüber dem Apple-Original ist die Logitech Create hier in jedem Fall eine Empfehlung, zumal deren Preis trotz zusätzlicher Funktionen 30 Euro unter dem des Smart Keyboard von Apple liegt.“
iFun

Zusammengefasst bedeutet dies: Weil etwas 30 Euro billiger ist als Apples eigenes Produkt, blendet man die Kritikpunkte aus und findet es toll?! Da gibt es für mich keinen logischen Schluss, tut mir Leid.

Vorteile der Logitech Create

Doch das Zitat bringt mich dazu, die Vorteile der Logitech Create zu skizzieren. Das Zubehör ist robust, ordentlich verarbeitet und optisch ansprechend. Es ist deutlich hübscher als Apples eigenes Smart Keyboard Cover.
Zudem ist der Tastaturanschlag, wie von Logitech-Tastaturen gewohnt, sehr gut und die Anschlüsse und Lautsprecher sind an der Hülle ausgespart, sodass man immer noch was hört und sowohl den Klinkenstecker als auch den Lightning-Anschluss erreichen kann. Das allerdings sollte kein Feature sein, sondern ist Notwendigkeit. Wenn eine Schutzhülle dies nicht leistet, müsste man ihr das viel eher negativ ankreiden.

Nachteile der Logitech Create

Bei mir ist das Zubehör seit der Lieferung des iPad Pro zum Stichtag im Betrieb. Jedenfalls war es das bis Ende letzter Woche, denn dann entschied ich mich dazu, mir eine andere Hülle zu kaufen. Irgendwann haben bei mir die Nachteile den Nutzen dieses Zubehörs überwogen.
Diese Nachteile möchte ich im folgenden erläutern. Es wird sicher so sein, dass man mir nicht in jedem Punkt zustimmen muss.

Zu schwer

Halten wir fest: Mit der Logitech Create wiegt das iPad Pro bald anderthalb Kilo. Das ist mehr als manches MacBook oder Subnotebook heute auf die Waage bringt und schadet der Mobilität. In einem Rollenspiel würde man einem iPad Pro mit Create im Fähigkeiten-Spektrum bei Mobilität mindestens -1, wenn nicht sogar mehr Punkte abziehen. Das ist doppelt tragisch, weil doch ein Tablet ein ultra-mobiles Gerät ist und das iPad Pro trotz größeren Bildschirms sogar leichter ist als das allererste iPad, das 2010 das Licht der Welt erblickte.

Löschen nur Zeichen für Zeichen

So gut der Tastatur-Anschlag bei der Create sein mag, die Nutzung in den Apps ist nicht vollständig ausgereift. Besonders stört, dass man keinen Dauer-Anschlag nutzen kann. Am Desktop oder Laptop nutzt unsereins den zum Beispiel, wenn wir über die Rückschritttaste mehr als nur ein Zeichen löschen wollen. Das bietet die Logitech Create derzeit nicht. Ob es sich dabei um ein Software-Problem handelt, kann ich nicht sagen. Vergleichbar ist diese Situation mit fehlendem Dauerfeuer in action-reichen Arcade-Games. Es macht einfach keinen Spaß, wenn man 20 mal auf die Backspace-Taste tippen muss, um 20 Zeichen zu löschen. Natürlich kann man auf andere Weise, Wörter oder Absätze markieren. Doch es funktioniert an diesem Punkt nicht, wie es in jedem anderen Fall funktioniert. Beim Hinzufügen von Zeichen gilt übrigens das gleiche Phänomen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies mit iOS zusammenhängt.

Hintergrundbeleuchtung variiert

Möglich, dass in diesem Fall abermals die Software ein Problem verursacht, das behoben werden kann und muss, aber die Logitech Create vergisst manchmal die Einstellung für die Hintergrundbeleuchtung. Das ist ärgerlich, weil man diese eigentlich in drei Stufen regulieren kann und natürlich weniger Beleuchtung geringerem Akkuverbrauch entspricht.

Stromverbrauch ohne Tastenanschlag

Es ist doch so: Größtenteils verwenden Nutzer nur eine Schutzhülle, bzw. einen Aufsteller, es sei denn, es handelt sich um ein spezielles Anwendungsfeld. Genau das hab ich bei der Logitech Create auch getan, zumal man das Produkt fast nur als Aufsteller gebrauchen kann. Doch Vorsicht: Abgesehen von dem Stromverbrauch, den das Tastatur-Cover beim Tippen verbraucht, kann man mit ihm als Aufsteller deutlich weniger lang Filme gucken als ohne das Zubehör. Abermals muss ich mich fragen, ob vielleicht die Software Schuld daran hat. Wer das iPad ohne Create nutzt, kommt, selbst wenn er nie einen Tastenanschlag macht, länger mit einer Akkuladung aus. Das ist für mich ein enormer Nachteil.

Schlechte Auflage, eingeschränkte Aufstellmöglichkeiten

Die Logitech Create kann man nur in einem Winkel als Aufsteller nutzen, nämlich wenn man den Smart Connector mit der Tastatur verbindet. Logitech nennt dies den Schreibmodus. Daneben gibt es den Betrachtungsmodus, in dem man das iPad Pro auf der Tastaturschale ablegt. Von dieser Einschränkung einmal abgesehen ist der Betrachtungsmodus ein Graus, in vielerlei Hinsicht.

Denn das iPad Pro liegt mit seiner Rückseite in dieser Position auf dem Metall der Tastatur auf. Eigentlich soll ein Magnetmechanismus für ein wenig Stabilität sorgen, doch schon bei der einfachen Verwendung des Apple Pencils schrappt die Rückseite des iPad Pro an einer Stelle immerfort über das Metall des Tastatur-Covers. Dass das auf lange Sicht nicht gut geht, sondern für Kratzer in beiden Materialien sorgen wird, ist selbsterklärend. An dieser Stelle würde der Kollege von iFun einwenden, dass ich es erst soweit treiben müsste, um es beweisen zu können. Tut mir Leid, aber ich gehöre nicht zu den dekadenten Leuten dort draußen, die meinen damit Geld verdienen zu müssen, indem sie Geräte vor laufender Kamera zerstören. Ich musste für mein iPad Pro hart arbeiten und habe auch die Logitech Create aus dem eigenen Portmonee bezahlt. Möglich, dass mich dieser Zustand nicht ganz so in meiner Meinung einschränkt, wie bei jemandem, der vom Hersteller ein Testmuster bekommt.

Dazu kommt, dass dieser Betrachtungsmodus zwar einen Neigungswinkel fürs Zeichnen oder Schreiben mit dem Apple Pencil bietet, durch die Beweglichkeit aber zu Fehlern führt. Das ist als würde einem das Blatt Papier wegrutschen. Klar, dass das nicht ständig passiert, vor allem nicht, wenn man mit Stock im Rücken, nach Ergonomie-Anleitung an einem Schreibtisch sitzt. Aber wer tut das schon? In vielen Positionen, beispielsweise, wenn man das Create mit einem Arm hält, weil gerade kein Tisch vorhanden ist – in der Bahn zum Beispiel -, um dann mit dem Pencil auf dem Display zu zeichnen, ist das unheimlich unpraktisch und mit jedem Verrutschen entsteht auch ein Kratzen.

Lautstärkeregelung am Case problematisch

Das iPad Pro eignet sich prima als Fernseh-Ersatz, wegen seiner Größe und der vier Lautsprecher ist es sogar deutlich besser für den Medienkonsum geeignet als andere, kleinere iPads. Doch ich habe schon am iPad Air 2 Streaming-Inhalte konsumiert und war froh, wenn ich die Lautstärke am Gerät regeln konnte, um nicht mit den Finger in der Benutzeroberfläche tippen zu müssen, dabei eventuell das Bild zum Stehen zu bringen. Dazu kommt, dass manche Apps in ihren Video-Playern im Vollbild leider vergessen haben, einen Lautstärkeregler in der GUI unterzubringen. In solchen Fällen schaltet man lauter oder leiser am Gerät. Das Logitech Create umschließt jedoch die Lautstärke-Knöpfe am iPad Pro und bietet Kunststoff-Taster, die den Druck an die darunter liegende Hardware weiterreichen sollen. Doch dies funktioniert mehr schlecht als Recht. Sollte Logitech jemals eine zweite Version der Create rausbringen, müsste an dieser Stelle nachgebessert werden. Wenn man das Cover im Schreibmodus verwendet, kann man natürlich die entsprechenden Funktionstasten auf der Tastatur nutzen.

Fazit

Hab ich noch Nachteile vergessen? Möglich. Spielt das eine Rolle? Wohl kaum. Das Logitech Create Tastatur Cover für das iPad Pro ist optisch einwandfrei und in seiner Verarbeitung prima. Es ist robust und bietet ausreichenden Schutz.
Doch diese Vorteile reichen nicht aus, um die Nachteile, die vor allem in der Anwendung entstehen, auszugleichen. Es ist zu schwer, es nutzt Strom im Aufstell-Modus, auch wenn man die Tastatur gar nicht verwendet, es kratzt die Oberfläche des iPad Pro im Betrachtungs-Modus und verrutscht oft, wenn man das iPad Pro dann per Finger oder mit dem Apple Pencil nutzen wollte. Dies hat mich neben dem hohen Gewicht am meisten gestört.

Das größte Geheimnis ist aber schon ein Vorgriff auf mein Review des iPad Pro. Denn ganz ehrlich: Ein iPad ist ein Tablet. Das iPad Pro macht da keine Ausnahme. Deshalb sollte man als Nutzer davon absehen, sich überhaupt so ein Cover zu kaufen. Das iPad Pro ist kein Laptop-Ersatz. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Denn alle bisherigen Lösungen sind nicht auf den Hybrid-Einsatz hin optimiert. Beispiel? Mit dem Logitech Create im Schreibmodus verliert man das virtuelle Trackpad auf dem Bildschirm des Tablets, das man aufruft, wenn man zwei Finger gleichzeitig auf die On-Screen-Tastatur legt. Auch gedanklich möchte man manchmal Aktionen ausführen, die man vom Laptop kennt und ertappt sich dann dabei, dass man aber andere Aktionen nutzen will, die man vom Tablet kennt. Das Verschieben von Tabellenzellen in Pages oder Numbers ist mit dem Finger auf dem Display „eines Tablets“ doch viel intuitiver. Am Mac würden wir auf diese Idee nicht kommen. Es sei denn, wir arbeiten noch einige Jahre mit Apples neuem Trackpad und ändern unsere Gewohnheiten.

Bevor jetzt wieder das Geschrei losgeht wegen der Wertung. Wir bei Macnotes haben vor einigen Jahren URS eingeführt, ein selbst erdachtes Wertungssystem. 5 von 10 Punkten entsprechen der Annahme, dass ein Produkt dem entspricht, was man erwartet hat, also zufriedenstellend ist. Wenn ein Produkt eben dies nicht leistet, erhält es notgedrungen weniger als 5 von 10 Punkten, so auch das Logitech Create. Umgekehrt wird man bei uns nicht mehr erleben, dass wir 10 von 10 Punkten vergeben. Dieser Fall ist nach unserem Selbstverständnis nicht möglich. Denn es gibt immer was zu kritisieren und dem sollte man entsprechend Rechnung tragen.


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