Bendgate: Computer Bild bekommt keine Testmuster mehr nach iPhone-6-Video
Alexander Trust, den 30. September 2014Ein Redakteur der Springer-Presse Computer Bild hat ein Video über das iPhone 6 Plus produziert, das im Kontext von Bendgate so schon dutzende Male an andern Stellen im Internet veröffentlicht wurde und mehr die Neugier als wissenschaftliche Standards erfüllte. Am Ende soll die deutsche PR-Agentur, die sonst für Apple schweigt, entschieden haben, keine Rezensionsmuster mehr an das Springer-Technologie-Pamphlet zu vermitteln und die Mitarbeiter nicht mehr zu Events einzuladen.
Zugegeben: Apples PR-Leute im Ausland werden teuer bezahlt und haben in den letzten 30 Jahren nur wenig geleistet. Denn die Devise von Apples Public Relations – vor allem unter Steve Jobs – lautete: Nur wenig kommunizieren. Tatsächlich hat sich das unter Tim Cook, je nach Kontext, wenig geändert. Apple ist zwar häufiger in den Schlagzeilen, pickt sich jedoch die Rosinen heraus und inszeniert Presse. Wenn Apple etwas möchte, dann wird es realisiert. Wenn andere etwas wollen, dann wird es in der Regel ignoriert.
Ich arbeite bei Macnotes schon mehrere Jahre, in denen es wechselnde Phasen gab. Auf seinem bisherigen Höhepunkt, der einige Jahre zurückliegt, erzielte das Magazin über eine Million „Besucher“ pro Monat. Wir haben regelmäßig inhaltliche Fragen zu diversen Themen an Apples PR-Agentur gestellt, um unseren Lesern Mehrwert zu bieten, haben aber fast nie eine Antwort von Apple erhalten. Stattdessen wurden wir hauptsächlich mit Pressemitteilungen von Apple informiert. Das war nicht nur enttäuschend, sondern wirkt noch heute ziemlich arrogant. Testmuster von teuren MacBooks haben wir in den Anfangsjahren von Online-Shops aus Bochum oder Umgebung „geschnorrt“, aber nicht direkt von Apple erhalten. Persönlich habe ich nur bereut, dass Apple keine Fragen beantwortete, die man sinnvoll zur journalistischen Arbeit nutzen hätte können.
Computer Bild bekommt keine iPhones mehr
Nun haben Rainer Schuldt und Axel Telzerow von der Computer Bild einen offenen Brief an Tim Cook formuliert, weil die PR-Agentur Apples in der Redaktion anrief und der Springer-Presse die Zusendung von Rezensionsmustern sowie die Einladung zu Presseterminen absagte. Man mag nicht so Recht Mitleid haben. Im Verlag ist man sicherlich in der Lage, ein Stück Technologie aus Cupertino auch ohne Apples Hilfe zu organisieren.
Lachen und weinen kann man über die Arroganz und Naivität der Springer-Presse gleichermaßen. Betont wird die Verantwortung und Gründlichkeit, mit der man die eigenen Leser mit Informationen versorgen wollte. Fotos von Apple-Geeks auf Seite 1 der Zeitung mit den vier Buchstaben, die sich selbst mehr als Fan denn als kritischer Journalist zeigen, sind nicht dazu angetan, Glaubwürdigkeit in dieser Angelegenheit zu erzeugen. Ich erinnere mich sehr gut an die allererste Ausgabe der Zeitschrift in Deutschland. Man verwechselte eine SEGA Dreamcast mit einer Sony PlayStation 2. Geben ist bei Springer aber nie seliger gewesen als Nehmen. Backlinks setzt man bei diesem Verlag aus Prinzip hauptsächlich ein, um die Suchmaschinen positiv für die eigenen Erzeugnisse zu manipulieren. Entsprechend sitzen die Redakteure der Computer Bild in dieser Angelegenheit leider im Glashaus.
Springer sollte glücklich sein
Springer sollte froh sein darüber, dass Apple die Nabelschnur getrennt hat. Denn für mich war früh klar, dass man in Abhängigkeit eines Herstellers keine freie Meinung äußern kann. Beispiele wie Einladungen, die ich persönlich bekommen habe, Aufenthalte in Paris die man mir spendierte, mit Verpflegung und Unterkunft, und Diskobesuche an einer Rennstrecke, im Auftrage der Produktpflege waren Indizien für das Einlullen durch die Industrie. Wenn man sich trotz all dieser subtilen Geschenke kritisch zeigt, nimmt das Interesse an der eigenen Plattform schlagartig nach.
Es gibt Online-Magazine, von denen ich weiß, die im Jahr ein fünfstelliges Werbe-Budget von Hersteller X oder Y aus dem Entertainment- und Technologie-Sektor erhalten. Die Vertreter dieser Magazine erscheinen auf Presseterminen, um „Hände zu schütteln“, damit das so bleibt. In so einem Klima ist es schwer, objektiv zu bleiben. Mich widerte diese Vorstellung immer schon an, weshalb ich keine Probleme damit hatte, letztes Jahr einem Spiele-Hersteller dankend vorschlug, uns nicht mehr länger mit Rezensionsmustern zu versorgen, wenn ihm unsere Wertungen nicht gefielen.
Tatsächlich gibt es sehr viele PR-Mitarbeiter von ganz unterschiedlichen Herstellern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Redaktionen nach Tests anzuschreiben, mit der Bitte, doch das Testurteil zu überdenken, weil Magazin X, Y doch aber eine bessere Wertung vergeben hat. Wenn man dem Bitten nachgibt, dann kommt am Ende diese Weichspül-Presse mit 10er-Wertungen dabei heraus, die alles genauso toll findet, wie es bereits in den PR-Mitteilungen verkauft wird. Will heißen: Zuerst kann man den Reflex der Computer-Bild-Redakteure vielleicht verstehen, doch nachhaltiger Journalismus ist nur möglich, wenn man sich von den Herstellern abnabelt.