MacHeist: Was ist billig eigentlich Wert?
Alexander Trust, den 22. Oktober 2012Aktuell ist ein neues Paket aus Mac-Apps unter dem Namen MacHeist 4 im Angebot, und zwar noch einige Tage. Persönlich wollte ich nicht sofort zugreifen, sondern eine Nacht drüber schlafen. Dann habe ich in der Zwischenzeit ein wenig auf der Festplatte aufgeräumt und mir den Spaß gemacht ein MacHeist-Bundle aus dem April 2009 auf seine Funktionsfähigkeit hin zu überprüfen. Darüber habe ich einige enttäuschende Entdeckungen machen müssen.
So viel vorweg: Wer ein MacHeist-Bundle kauft, der tut immer auch etwas Gutes. 25% der Einnahmen werden für wohltätige Zwecke gespendet. Wenn man diesen Faktor in die Rechnung mit einbezieht, dann ergibt sich eine relativ ordentliche Rechnung. Der Beitrag soll vor allem zeigen, dass nicht immer alles Gold ist, was glänzt und dass es nicht schadet, wenn man beim Kauf genauer hinsieht.
Brutto = Netto?
Der Kunde lässt sich ja gerne blenden. Es gibt Marketing-Abteilungen die „Psychologie“ zur Anwendung bringen, um den Kunden zu überzeugen. Das möchte man beim MacHeist-Bundle niemandem unterstellen, doch was einem direkt ins Auge fällt ist der Unterschied des Preises, der zwischen den Angaben auf der MacHeist-Webseite und der Realität aufklafft.
Beispielsweise notiert man für Sam and Max (The Devil’s Playhouse) 35 US-Dollar. Auf der Website des Herstellers bekommt man die Episoden für PC und Mac tatsächlich für 34,99 USD. Doch ist das wirklich der „marktübliche“ Preis, den der Kunde normalerweise bezahlen muss?
Da die Preise in Dollar angegeben werden, habe ich bei einem Online-Händler nachgesehen, der zu den weltweit erfolgreichsten zählt: Amazon. Der US-Shop bietet die „Retail“-Fassung von „Sam and Max“, also eine „mit“ Verpackung, DVD und Handbuch zum Preis von 12,99 USD an. „Normalerweise“ kostet diese dort aber 29,99 USD. Das sind trotzdem knapp 5 Dollar Unterschied zu dem Preis, der im MacHeist-Bundle angegeben wird. Das sind derzeit knapp 21 USD Differenz.
Ansichtssache
Doch darüber hinaus gibt es eine Menge Fragezeichen. Was sind das eigentlich für Apps, die einem da verkauft werden? Sind die Apps ihr Geld immer auch Wert? Es gibt eine Reihe von Tools, etliche davon auch mit irgendwelchen Awards gekennzeichnet, wenn man die Herstellerseiten ansurft. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass vor allem Redaktionen von Mac-Zeitschriften (in den USA) und deren Webseiten-Mitarbeiter sich relativ schnell beeindrucken lassen. Meiner Meinung nach müsste die ganze „Macosphäre“ eine Korrektur des Maßstabs vornehmen. Nicht alle Programme verdienen sofort einen Award…
Der Rest vom Schützenfest
Eine E-Mail in meinem Postfach vom 3. April 2009 führt mich zu einem Link mit einer Seite voller Downloadadressen. Sicher, im Jahr 2009 waren viele von den Apps, die dort angeboten wurden, toll… Oder doch nicht?
Nicht alle Hersteller haben wirklich „frische Ware“ im Angebot, sondern manche waren einfach so frech und wollten noch die „Lager räumen“. Schade nur, dass es virtuell keine solchen gibt und man sich durchaus etwas veräppelt vorkommen kann. Im MacHeist-3-Bundle aus dem Jahr 2009 wurde beispielsweise der Programmier-Editor Espresso angeboten. Im Paket von damals enthalten war eine Lizenz für die Version 1.0. „Aktuell“ ist die Version 2.0.4.
Der Entwickler bietet die Version 1.0 auf Nachfrage zwar weiterhin zum Download an, weist in einer E-Mail aber auch darauf hin, dass man ja ein Upgrade durchführen könnte. Das tut man im Fall von Espresso mit der Seriennummer von damals. Der Hinweistext gibt an, dass lediglich Personen, die Espresso „nach“ dem 10. April 2009 gekauft haben, für ein spezielles Bonus-Update-Programm infrage kommen, ansonsten muss man eine Upgrade-Gebühr zahlen. Rein zufällig konfligiert dieses Datum mit dem Zeitraum, in dem das MacHeist-Bundle angeboten wurde, nämlich nur bis zum 7. April. Es drängt sich der Verdacht auf: Alle Personen, die Espresso über MacHeist gekauft haben, haben alte Software gekauft – und die Entwickler „könnten“ das gewusst haben, als sie Espresso im MacHeist-Bundle anboten.
Bäumchen wechsle dich
Ich habe allerdings noch weitere Apps von damals „untersucht“. Manche gibt es unter dem Namen schon gar nicht mehr. Ein RSS-Reader namens Times heißt heute ganz anders: Pulp. Ein Upgrade ist nicht möglich, auch weil die App „nur noch“ über denn Mac App Store angeboten wird – Features der „neuen“ Version, die es scheinbar auch schon seit ein paar Jahren gibt, können so nicht benutzt werden. Nutzer müssen sich, wenn überhaupt, die neue Version noch einmal kaufen.
Binaries unbrauchbar
Cro-Mag Rally, das damals Teil des MacHeist-Pakets war, kann man heutzutage und sogar schon seit Mac OS X Lion nicht mehr verwenden. 2 Jahre, nachdem man also dieses Kart-Rennspiel gekauft hat, funktionierte es schon nicht mehr. Es gibt zwar Versionen für iOS, doch die waren nicht Bestandteil des Bundles und man müsste sie extra kaufen. Da der Entwickler aber einige seiner Spiele für den Mac App Store fit gemacht hat, kann man die Hoffnung nicht aufgeben. Allerdings ist das mit der Hoffnung so eine Sache, denn immerhin weiß der Entwickler schon seit einem Jahr davon, dass die App nicht mehr funktioniert. Auf der Homepage gibt es dazu keine weitere Info.
BoinxTV
Ein großes Ärgernis aus dem MacHeist-Bundle-3 ist BoinxTV, das unter Mountain Lion nicht mehr funktioniert, jedenfalls nicht zufriedenstellend und häufiger abstürzt als man damit eine „Session“ aufzeichnen kann. Die App war damals ein Kaufkriterium für mich und sicherlich auch für viele andere; die Antwort der Support-Mitarbeiter heute lautet: Wir raten allen Anwendern, nicht auf Mountain Lion zu aktualisieren. Das ist allerdings eine unzufriedenstellende Antwort, für eine App, die man im App Store für 399 US-Dollar kaufen kann. Im Jahr 2009 gab es eine auf 199 USD reduzierte Version, die im MacHeist-Bundle integriert war, diese gibt es heute nicht mehr zu kaufen.
Der Support hat mich eine ganze Weile gut unterstützt, deshalb kann man über ihn grundsätzlich nichts Negatives sagen. Die Entwickler haben in ihrem Blog zur Einführung von Apples neuem Desktop-OS darauf hingewiesen, dass man im frühen Herbst dieses Jahres eine funktionsfähige Version der Software anbieten wolle.
In der Zwischenzeit gab es nur ein Statement mit einer Konkretisierung im Forum von Boinx, man arbeite hart an einem Update und es soll „später in diesem Jahr“ veröffentlicht werden. Die Frage muss sich aufdrängen, warum eine 400 USD teure Anwendung die zweite Geige spielt. Denn von iStopMotion und FotoMagico sind bereits neue Versionen erschienen.
WireTap Studio? Teilausfall
„Note: Per-application recording is not yet available on MacOS X 10.7 aka ‚Lion‘. We’re working on it!“
Ambrosia Software
Es gibt noch andere Apps aus dem MacHeist-3-Bundle, die nur noch eingeschränkt funktionieren und das, wie im Fall von WireTap Studio bereits seit 10.7. Diese App ist für Podcaster zum Beispiel sehr interessant, und in Verbindung mit dem erwähnten BoinxTV auch ganz gut verwendbar, da sie diverse Audioquellen auch aus Apps extrahiert und zur Aufnahme zur Verfügung stellt. Auf der Homepage werden Awards für 2007 und 2008 verlinkt, tatsächlich aber scheint der Entwickler in den Ruhestand gegangen zu sein?! Wenn der Hinweis bei der aktuellen Version 1.2.0 lautet, dass die Aufnahme pro App in Lion nicht funktioniere. Dieses Feature wird sich sicherlich nicht in Mountain Lion von selbst wiederhergestellt haben und stammt aus einer Zeit im Sommer 2011.
Natürlich kann man auch positive Beispiele aus dem MacHeist-3-Bundle anführen: Acorn beispielsweise rühmt sich damit Retina-Bilder bearbeiten zu können und auf der Homepage zu PhoneView wird sogar die Kompatibilität zu iOS 6 ausgewiesen.
Fazit
Halten wir fest: Es gibt diverse Apps aus dem letzten Bundle, die derzeit nicht mehr oder nicht so funktionieren, wie sie sollten. Bei manchen kam zeitig nach dem Auslaufen des Bundles ein Update heraus, das Käufer von MacHeist aber nur gegen Aufpreis kriegen. Die Preise, die im Bundle an den Apps dranstehen, entsprechen nicht immer der Realität. Diese Dinge gab es beim letzten Bundle und im aktuellen MacHeist 4 genauso.
Es würde mich nicht wundern, wenn kurze Zeit nach dem Auslaufen des Softwarepakets die eine oder andere App, oder das eine oder andere Spiel anderswo stark preisreduziert angeboten werden wird, und man recht bald einen Versionssprung bei manchen Tools erlebt, der nicht ohne kostenpflichtiges Upgrade für die Käufer von MacHeist funktioniert.
Letztlich muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, welchen Wert er diesen Tools beimisst und es gibt natürlich Gründe das aktuelle MacHeist-4-Bundle zu kaufen. Ich werde es wohl tun. Schade finde ich, dass gerade, wenn es um Wohltätigkeit geht, nicht mit vollständig offenen Karten gespielt wird und man etwas versucht besser aussehen zu lassen, als es unter dem Strich ist. Das MacHeist-3-Bundle jedenfalls war nicht über 900 US-Dollar wert und das jetzige auch nicht mehr als 589.