Test: Medal of Honor

Martin Vaßen, den 22. Oktober 2010
Medal of Honor
Medal of Honor – Screenshot

Seit dem 15. Oktober ist der Shooter Medal of Honor von EA und DICE für Windows PC, PS 3 und XBox 360 im Handel. Diesmal schickt uns das Spiel allerdings nicht in vergangene Weltkriegsschlachten, sondern in den modernen und brandaktuellen Afghanistan-Konflikt. Ob sich der neue Ego-Shooter gegen Konkurrenten wie Call of Duty und Bad Company 2 durchsetzen kann, erfahrt Ihr in diesem Review.

Die Call-of-Duty-Entwickler haben es mit den beiden Modern-Warfare-Teilen erfolgreich vorgemacht. Jetzt wagt auch EA mit dem neuen Medal of Honor den Sprung von den Weltkriegen aufs moderne Schlachtfeld. Der Spieler schlüpft in die Rolle amerikanischer Soldaten, die im Afghanistan-Konflikt gegen den Terrorismus kämpfen.

Singleplayer

Direkt der erste Einsatz versetzt einen in den Körper eines Elitesoldaten. Als Mitglied der Tier-1-Truppe soll man nachts in einer kleinen Stadt eine gefangene Kontaktperson namens Tariq befreien. Diese Mission dient gleichzeitig als Tutorial, das dem Spieler die grundlegende Steuerung beibringt. Wer schon mal einen Ego-Shooter gespielt hat findet sich hier direkt zurecht. Nachdem sich der Spieler durch einige Hinterhöfe gekämpft hat und nur knapp einem Sprengstoffattentat entkommen ist, findet er schließlich den Kontaktmann. Er verrät einem die Position eines Terroristenlagers und bittet uns darum es zu vernichten – Auftrag erkannt.

Die folgenden Missionen führen uns quer durch die afghanischen Berge. Dort sollen wir mit dem geballten Arsenal moderner Kriegsführung gegen Extremisten und Söldner vorgehen. Die Einsätze gestalten sich sehr abwechslungsreich, ähnlich wie das Waffenarsenal. Wir dürfen mal möglichst unentdeckt bleiben und feindliche Trucks mit Peilsendern markieren oder an den Geschützen eines Kampfhubschraubers ein komplettes Dorf – samt mutmaßlicher Terroristen – dem Erdboden gleichmachen. Während wir in einer anderen Mission seinem Teamkameraden als Scharfschütze aus sicherer Entfernung Deckung gibt, spielen wir im nächsten Abschnitt just diesen Kameraden. Dann kämpft man sich durch Höhlen und feindliche Stellungen, erledigt dabei dutzende Feinde und markiert nebenbei noch gegnerische Mörserstellungen für Raketenangriffe aus der Luft.

Die Missionen sind zwar nicht so cineastisch und bombastisch aufgemacht wie in Call of Duty, aber trotzdem nicht weniger spannend. Beispielsweise zerstört der angeforderte Raketenangriff die Feindstellung, die man überwinden muss, aber durch die Explosion wurde soviel Dreck und Staub in die Luft geschleudert, dass die Sicht minutenlang eingeschränkt ist. An einer anderen Stelle wird man von Terroristen eingekesselt. Ein Teammitglied fordert Verstärkung an, während wir selbst versuchen die anstürmenden Terroristen zurückzuhalten. Minutenlang muss man die Stellung halten und dabei verhindern von den Feinden überrannt zu werden. Das Problem dabei: Unter dem dauernden Beschuss bröckelt die eigene Deckung dahin. Dem Spieler bleibt nichts weiter als auszuhalten und zu hoffen, dass die Luftunterstützung rechtzeitig ankommt. Der Singleplayer ist also richtig spannend und mitreißend, grade wegen dem dramatischen Ende, das dem Spieler zu denken gibt.

Nonsens

Ohne Fehler ist aber selbst der Einzelspieler-Modus nicht. Die Spielabschnitte sehen zwar sehr weitläufig aus, gleichen durch unsichtbare Barrieren aber eher einem Schlauch. Die gescripteten Momente sind ebenfalls verbesserungswürdig. Beispielsweise kann die Spielfigur partout nicht über einen kniehohen Ast springen, erst als die Teamkollegen es vormachen, verschwindet diese Barriere wie durch Zauberhand und man kann weiterspielen. Zwischendrin fallen auch Logikfehler unangenehm auf: So trägt Dusty (der Soldat vom Cover des Spiels) selbst in tiefster Nacht noch seine Sonnenbrille, während wir uns bemühen mit dem Nachtsichtgerät überhaupt etwas zu erkennen. An anderer Stelle brüllen die Kameraden im Gefecht Dinge wie: „Ich hab nur noch ein Magazin!“ oder „Brauche Munition.“ Wenn wir dann aber bei ebendiesem Kameraden selber nach Munition fragen, drückt der uns weitere 300 Schuss in die Hand.

Balancing

Zudem fällt der Schwierigkeitsgrad an manchen Stellen ziemlich hart aus. Schon auf dem mittleren der drei Einstellungsstufen beißt man nach wenigen Treffern ins virtuelle Gras, während die Gegner nach ebenso vielen Treffern in die Brust nicht umfallen wollen.

Die Krönung ist der sogenannte Tier-1-Modus, der Schwierigkeitsgrad darin übertrifft das normale „Schwer“ noch mal um eine ganze Ecke. Nicht zuletzt gibt es im Tier-1-Modus keine Kontrollpunkte. Stirbt man, muss man den Level von vorne beginnen. Ärgerlich, wenn man kurz vorm Ende stand.

Multiplayer

Gegenüber dem Spiel alleine, das großteils überzeugen kann, fällt der Mehrspieler-Modus stark ab.

Wahlweise als amerikanischer Soldat, oder als Terrorist kämpft man auf insgesamt nur acht verschiedenen Maps gegeneinander. Die Karten decken von engen Stadtgebieten bis hin zu weitläufigen Gebirgspässen alle Größen ab. Je nach Servereinstellung bekriegen sich bis zu 24 Spieler gleichzeitig in verschiedenen Spielmodi. Diese sind abwechslungsreich und bieten unter anderem normales Team-Deathmatch, Flaggen- bzw. Sektorenkontrolle und den Modus Ziel Raid. Hier übernimmt ein Team die Rolle des Angreifers und muss das verteidigende Team zurückdrängen indem es Punkte einnimmt, Radarstationen sabotiert oder Barrikaden sprengt.

Leider gibt es im Multiplayer nur drei verschiedene Charakterklassen. Diese sind der Schütze, der SpecOps und der Scharfschütze. Der erstgenannte kämpft wahlweise mit Sturmgewehr mit montiertem Granatwerfer oder leichtem MG und kann mit seinen Rauchgranaten das Team unterstützen. Der SpecOps spielt sich dagegen offensiver. Mit seinen leichten Maschinenpistolen und Schrotflinten ist er stark auf kurze Entfernung. Zudem kann er mit seinem Raketenwerfer feindliche Fahrzeuge zerstören. Der dritte im Bunde sitzt am liebsten mit seinem Präzisionsgewehr in sicherer Entfernung und schaltet seine Feinde mit gezielten Schüssen aus. Weiterhin besitzt er fernzündbare Sprengfallen. Alle drei Klassen sind noch mit einer Nahkampfwaffe, einer Pistole und Handgranaten ausgestattet.

Für jede erfolgreiche Aktion, die der Spieler absolviert (Gegner töten, Markierungen einnehmen), wird er mit Punkten belohnt. Diese gehen in die Gesamtwertung ein und werden überdies auf einem separaten Konto gesammelt. Wenn sich auf dem eigenen Konto genügend Punkte befinden, ohne dass man vorher gestorben ist, lassen sich Spezialmanöver anfordern. Sie werden umso stärker, je mehr Punkte man ohne Unterbrechung sammelt. Der Spieler darf sich entscheiden zwischen offensiven Manövern, wie einem Mörserangriff, oder defensiven Manövern, wie Kevlarwesten für das ganze Team. Erreicht man besonders gute Leistungen wird man mit Orden und Ehrenspangen belohnt, die zusätzliche Erfahrungspunkte bedeuten.

Hat der Spieler genug Punkte gesammelt steigt er im Level auf, und zwar jede Klasse unabhängig von den anderen. Man muss also die Klasse, mit der man ein hohes Level erreichen will, wirklich aktiv spielen. Level 15 ist das Maximum, das erreicht werden kann, und mit jedem Aufstieg kann man auf zusätzliches Equipment zurückgreifen. Unter anderem schaltet man bessere Waffen, mehr Munition oder verbesserte Zielvorrichtungen frei.

Camper bevorzugt

Leider werden „Vielspieler“ geradezu unfair belohnt. Denn auf hohem Level schaltet man Veteranen-Versionen der Anfangswaffen frei. Diese unterscheiden sich von den Starterwaffen durch deutlich verbesserte Werte und schaffen dadurch einen Vorteil, der unmöglich auszugleichen ist. Anfänger kommen so mitunter in den Online-Partien auf keinen grünen Zweig. Leider haben die Entwickler auch darauf verzichtet eine Abschusskamera einzubauen. Es wird zwar angezeigt, wer einen mit welcher Waffe getötet hat. Aber man sieht nicht wo der Gegner sich aufgehalten hat. Es ist außerdem nahezu unmöglich anhand des Schussgeräuschs den Gegner auszumachen, weil es sich praktisch immer gleich anhört. Von diesem Umstand profitieren vor allem Scharfschützen und sogenannte „Camper“. Haben diese sich irgendwo versteckt, ist es fast unmöglich sie zu erwischen oder überhaupt ausfindig zu machen. Während diese sich immer mehr Punkte und Belohnungen anhäufen, ist man gerade als Anfänger chancenlos.

Käuflich

Zudem belohnt EA im Multiplayer die Spieler, die sich die teurere Limited Edition oder die Tier-1-Version des Spiels gekauft haben. Denn diese bekommen exklusiven Zugriff auf andere Tarnmuster und teilweise stärkere Waffen. Die restlichen Spieler müssen sich mit der Standardausrüstung zufrieden geben.

Ohne Deckung

Am Mehrspieler-Modus ist weiterhin zu bemängeln, dass das Bewegungsrepertoire im Vergleich zum Einzelspieler stark eingeschränkt ist. Man kann sich nicht mehr zur Seite lehnen, um einen Blick aus der Deckung zu riskieren. Vor allem aber kann man sich nicht hinlegen. Wenn jemand vermeintlich hinter einer Mauer oder einem Felsen in Deckung gegangen ist, ragen Teile seines Kopfes immer noch darüber hinaus. Der Sinn in diesen Einschränkungen ist nicht erkennbar. Manche Kontrollpunkte in den Missionen sind außerdem zu sparsam vergeben. Da kann es auch mal passieren, dass man minutenlange Passagen wiederholen muss.

Außerdem sind einige der freischaltbaren Waffenaufsätze praktisch nutzlos. Warum sollte man ein Scharfschützengewehr auf Kosten eines weiteren Magazins mit stärkerer Munition ausrüsten, wenn sowieso ein einziger Treffer tödlich ist? Zudem sind die Waffen „übertrieben“ präzise – mit einer Maschinenpistole kann man noch über die ganze Map akkurat feuern.

Eng

Manche Karten sind darüber hinaus zu klein geraten. Man kann auf solchen Maps vom eigenen Startpunkt direkt den des Feindes unter Beschuss nehmen. So kommt es zu Situationen, in denen man neu einsteigt, getötet, wird, wieder einsteigt, wieder direkt stirbt. Das geschieht gerne vier- oder fünfmal hintereinander; Frust ist vorprogrammiert. Die Balance auf manchen Spielfeldern ist ebenfalls zu Gunsten einer Partei ausgefallen. So hat das verteidigende Team in vielen Spielmodi grundsätzlich bessere Karten.

Teamplay wird von Medal of Honor ebenfalls kaum unterstützt. Es gibt keine Möglichkeit mit anderen Spielern kleine Gruppen zu bilden, sogenannte Squads.

Durch all diese Dinge verliert der Multiplayer, vor allem für Anfänger, schnell an Motivationsfähigkeit. Andere Shooter stellen ein deutlich besseres Vorbild dar.

Technik

Grafisch kann Medal of Honor ziemlich weit oben mitspielen, aber eben nicht ganz oben. Die Explosionen und die Charaktermodelle sehen richtig gut aus, an Teilen der Umgebung wurde dafür anscheinend gespart. Man begegnet zu oft Stellen, die aussehen als wären einfach zwei ähnliche Texturen aneinander gelegt worden, ohne zu kontrollieren ob diese reibungslos ineinander übergehen. Trotzdem muss man bemerken, dass die Umgebung sehr weitläufig wirkt und das Gebirge trotz anstürmender Terroristen richtig malerisch aussieht. Im Multiplayer ist die Grafik nochmal einen Tacken schöner. Hier wurde eine andere Grafikengine benutzt als im Singleplayer. Die Landschaften wirken einfach lebendiger.

Der Sound des Spiels ist wirklich bombastisch, vor allem wenn in der Nähe größere Geschütze einschlagen hört sich das richtig gut an. Die Musik passt sehr gut und trägt extrem zur Gesamtstimmung bei. So fliegt man zu Rockmusik im Kampfhubschrauber mit, und die entscheidenden Szenen werden von wirklich dramatischen Melodien begleitet. Der Soundtrack des Spiels ist Spitzenklasse, immerhin konnte EA die Band Linkin Park dafür gewinnen. Der Abspann wird vom Sound des neuen Albums der Band begleitet. Die Sprachausgabe ist außerdem komplett auf Deutsch und absolut authentisch. Gerade die Gespräche über Funk kommen in militärisch korrekter Ausdrucksweise daher.

Die Steuerung ist für das Genre typisch, fällt entsprechend simpel aus und ist auch für Neulinge schnell zu erlernen.

Fazit

EA hat mit Medal of Honor zwar ein gutes und packendes Singleplayerspiel abgeliefert, der Multiplayer ist dafür aber eine umso größere Enttäuschung. Gerade als Anfänger hat man kaum eine Chance und anstelle von Teamplayern werden vor allem Camper belohnt.

Insgesamt ist MoH ein sehr solides Spiel, aber keine Shooter-Revolution. Wer Wert auf einen guten Mehrspielermodus legt, ist momentan bei Modern Warfare 2 oder Bad Company 2 besser aufgehoben. Eventuell lohnt es sich aber auch auf das Erscheinen von CoD: Black Ops zu warten.


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Testergebnis

URS: 6,5 von 10
6,5

Positives

  • Kampagne ordentlich

Negatives

  • Multiplayer durchwachsen