Newsweek: vom Mythos der App Store-Millionäre
Alexander Trust, den 9. Oktober 2009In der Onlineausgabe der Newsweek erschien ein Beitrag, der einige App-Entwickler im App Store zu Wort kommen lässt und aufgrund einer Handvoll Statements dieser neuen Entrepreneure zu dem Schluss kommt, dass es keine Garantie auf Erfolg gibt. Darüber hinaus kann man den Artikel so interpretieren, dass der Höhepunkt des App Stores bereits überschritten sei.
Namentlich erwähnt werden Steve Demeter (Trism), David Barnard (Trip Cubby, Gas Cubby), Ethan Nicholas (iShoot) und Nathan Hunley (Dizzy Bee).
Demeter, der App Store-Millionär?
Demeter ist der Entwickler von Trism, der seinerzeit auf einen Schlag 250.000 US-Dollar binnen zweier Monate verdiente, und seinen Job an den Nagel hing, dem er bis dahin regulär nachgegangen war. Demeters Erfolg wird von Apple in einem Spot beworben und er kam außerdem schon bei einem Special Event zu Wort. Ironischerweise wurde Demeter in der Folge zwar Millionär, doch nicht etwa durch sein Engagement im App Store, sondern weil er aus den ersten Überschüssen der App Store-Verkäufe Aktien des Apple-Konkurrenten RIM erwarb und später mit sehr viel Gewinn wieder verkaufte. Demeter selbst wird auch mit der Aussage zitiert, dass er annimmt, viele würden zum jetzigen Zeitpunkt glauben, dass sie ihren Job „dafür“ nicht mehr aufkündigen sollten. Gemeint sind die güldenen Aussichten im App Store über Nacht reich zu werden.
Wenig Auskunft
Apple veröffentlicht keine Zahlen und die Anfrage von Newsweek um Auskunft wies man zurück. Entsprechend stützt man sich bei der Formulierung der Argumente auf Aussagen weiterer, vermeintlicher App Store-Gewinner. Die Formulierung, die Newsweek verwendet, lautet „beinahe einem Dutzend“ – keine 12 also, und die Stimmen, die man im Beitrag zusammenbringt lassen sich an einer Hand abzählen.
Viel Engagement
Neben Demeter äußerte sich außerdem David Barnard. Der 30 Jahre alte Texaner wurde in einer Familie von Unternehmern groß und fand, er könne sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, im App Store aktiv zu werden. Barnard lieh sich 24.000 US-Dollar von seinen Eltern, gründete eine Firma, ließ eine App zum Fahrtenbuch-Führen programmieren (Trip Cubby). In weniger als 3 Monaten verzeichnete Barnard 45.000 US-Dollar Umsätze mit der App. Dem entgegen stehen etliche Ausgaben, die unter dem Strich trotzdem zu roten Zahlen führten und dazu, dass Barnard und seine Frau ihren Familienwagen zu Geld machen mussten. Alleine 29.000 US-Dollar kosteten die Programmierer der App, 15.000 US-Dollar gab man in der Zeit der Entwicklung bis zur Veröffentlichung für den Lebensunterhalt aus, 14.000 US-Dollar gingen an Apple, weitere 7.000 wurden für Marketing ausgegeben, usw., usf. – Doch auch Barnard wurde vom Glück des Tüchtigen belohnt. Die zweite App, Gas Cubby, wurde zu einer der erfolgreichsten Apps in dem Segment des App Stores und half ihm dabei, bis heute gut 200.000 US-Dollar Umsatz zu erzielen. Pi mal Daumen, so heißt es bei Newsweek dazu, würde davon am Ende knapp 50% überbleiben, denn darin sind diverse Abzüge noch nicht berücksichtigt.
Hohe Kosten
Die Entwicklung einer App dauere nach Forester Research ungefähr ein halbes Jahr Minimum. Dies geschieht im Rahmen einer Vollzeit-Arbeit und entsprechend entstehen Kosten für die Entwicklung von 20 bis 150.000 US-Dollar, ehe eine App das Licht der App Store-Welt erblicken kann. Widrigkeiten beim Prozess im App Store angenommen zu werden kommen dazu. Beinahe 60% aller Einsendungen hätte Apple mindestens ein Mal zurückgewiesen. Die monierten Mängel sind nicht immer nachvollziehbar und der Weg zur Veröffentlichung einer App also durchaus zeitraubend und teuer. Und die Konkurrenz durch große Entwickler würde zunehmend größer, weil diese erkannt hätten, dass solche Marktplätze für Mobiltelefon-Apps zu wichtig sind, um sie zu ignorieren. Ebenfalls nicht vergessen dürfe man den konstant niedriger werdenden Preis für Apps im App Store. 3 von 4 Apps, so steht es bei Newsweek, würden für 99 Cent oder weniger „verramscht“ werden.
Wenig Sicherheit
Ethan Nicholas, der Macher von iShoot, kommt ebenfalls zu Wort. 800.000 US-Dollar brachte ihm der simple Tap-to-Shoot-Vertreter ein. Er kündigte seinen Job bei Sun Microsystems und betrat anfänglich den Pfad des Tellerwäschers zum Millionär. Genauso wie Nathan Hunley (Dizzy Bee), kann Nicholas aber auch nicht davon sprechen, dass er sich besonders sicher fühlt. Beide denken eher von Projekt zu Projekt und hätten unter anderen Umständen mit Sicherheit entspannter zu Werke gehen können.
Kommentar
Die Quintessenz für Newsweek ist nun, dass der Goldrausch im App Store vorbei sei und die Entwickler sich mittelfristig die neuen mobilen App-Marktplätze der Konkurrenten ausgucken würden als ihren Berg, den sie erklimmen müssten, um auf seiner Spitze den nächsten Topf voll Gold zu finden. Newsweek stellte diese mehr oder weniger erfolgreichen Einzelschicksale auf, um zu zeigen, dass Apples Marketing-Abteilung die Welt der App Store-Entwicklung zu rosa rot beschreibt. Es gibt durchaus genug Anzeichen, um zu behaupten, der Weg zu Ruhm und Reichtum im App Store sei nicht leicht. Doch hat erst der App Store so etwas wie den „Kleinen Mann“ dazu befähigt, ein Stück vom Kuchen abzubekommen.
Dazu kommt, dass andere Plattformen, zum Beispiel solche für Videospielkonsolen, nicht weniger problematisch für die Entwickler sind, oft sogar noch mehr Stolpersteine bieten und strengere Regeln haben. Apple greift mit der 70/30-Regelung moderat in die Taschen der Entwickler und hält eine ordentliche Infrastruktur bereit, die den Vertrieb aber auch den Kauf von Apps relativ einfach gestaltet (vgl. c’t 16/09). Ebenso darf man nicht außer Acht lassen, dass Entwickler nur 1 Programm schreiben müssen, um auf verschiedenen Plattformen (iPhone und iPod touch alle Generationen), in vielen Teilen der Welt Kunden finden zu können. Das sind durchaus viel mehr als z. B. Sony PlayStation Portables verkauft hat und der Marktanteil Apples im Smartphonebereich wächst stetig.
Die Optionen sind so schlecht also nicht, die App Store-Entwickler vorfinden. Nur kann keiner behaupten, dass der Weg der Selbständigkeit und des Unternehmertums einfach wäre. Das gilt in allen Bereichen. Der Stimmenfang von Newsweek bei den Entrepreneuren, die im App Store erfolgreich waren und nach wie vor skeptisch sind, ist meiner Meinung nach ein inszenierter Sturm im Wasserglas. Ich bin mir fast sicher, dass viele der interviewten, wenn man sie danach gefragt hätte, auch Auskunft darüber gegeben hätten, wie sie ihre eigenen Erwartungen charakterisieren würden. Es kann gut sein, dass einige von sich aus zugeben würden, dass ihre Vorstellung vom App Store und der Selbständigkeit einfach ein wenig „naiv“ war.