Roadee-Entwickler Andreas Kluge im Interview

Alexander Trust, den 9. Juli 2009
Roadee - Screenshot
Roadee – Screenshot

Andreas Kluge ist der Mann hinter Roadee, der Navigationslösung im App Store, die auf OpenStreetMap-Kartenmaterial setzt und langfristig vielleicht selbst den großen Anbietern Konkurrenz machen kann. Derzeit rankt das Programm auf Platz 1 der Top 25 meistgekauften Apps. Wie er selbst dieses Verhältnis einschätzt, warum er sich für die Selbständigkeit entschieden hat, oder ob er vorhat, irgendwann den Preis zu erhöhen – dies und mehr verrät der Diplom-Informatiker uns im Interview.

Macnotes:

Sie haben einen interessanten Lebenslauf vorzuweisen, als Diplom Informatiker, der mit einer gesicherten Anstellung bei Siemens geendet hat, ehe Sie sich dazu entschieden, sich selbständig zu machen. Warum dieser Schritt?

Andreas Kluge:

Bei der Siemens AG habe ich immer gern gearbeitet. Insbesondere der Transrapid und seine revolutionäre Technologie haben für mich den besonderen Anreiz geboten. Leider scheint die Welt noch nicht bereit zu sein für ein Fahrzeug, welches auf die Sekunde genau zur angekündigten Zeit ankommt und dabei bis zu 500 km/h fährt. Vielleicht stehen wir aber kurz davor, dass solche Technologien doch wieder interessant werden für die Kunden dieser Welt. In diesem Fall stehe ich meinen ehemaligen Kollegen sofort wieder zur Seite.

Macnotes:

Ihre Navigationslösung Roadee für iPhone und iPod touch ist nun in aller Munde, haben Sie ein wenig Angst, dass Sie dadurch zu sehr auf dieses eine Produkt festgelegt werden? Ihr Portfolio umfasst weitaus mehr Programmiersprachen und Plattformen?

Andreas Kluge:

Nein, die Angst habe ich nicht. Ich hoffe vielmehr, dass ich auf diesem Wege viele interessante Leute kennen lerne. Mein Portfolio umfasst vor allem mein Lieblingsthema Unix und Linux und deren Handhabung. Das Produkt iPhone und Mac OS X sind sehr stark mit diesem Thema verwandt. Ich sehe da viele Synergien und denke, dass interessierte Leute das ebenso erkennen und meine Fähigkeiten zu schätzen wissen.

Macnotes:

Stand von Anfang an fest, dass ihr erstes Produkt für den App Store eine Navigationssoftware werden sollte? Und wie kam es zu dem Namen, den man im Lautbild auch leicht mit dem Begleiter einer Band (Roadie) verwechseln könnte?

Andreas Kluge:

Ich hatte schon einmal zwei Programme im App Store: „Track‘nTrail“ und „SunCountdown“. Beide Programme liefen natürlich nicht so gut wie Roadee, aber waren auch keine Ladenhüter. Damals habe ich die Programme noch mit einem guten Freund zusammen erstellt. Die Idee einer Navigationssoftware kam mir (eigentlich) aus der Not heraus, keine Navigationsoftware auf dem iPhone zu haben. OpenStreetMap ist schon lange ein Thema, welches ich interessiert beobachtet habe. Auch Track‘n Trail wurde mit einer Schnittstelle zu OpenStreetMap.org versehen und wird in dem Projekt auch als gute iPhone Lösung zum Aufzeichnen von Wegen geführt. Um das Projekt ein bisschen mehr ins Gespräch zu bringen und natürlich wegen der freien Verfügbarkeit der Karten auch für Entwickler entschied ich mich dann, das Programm zu erstellen. Anfangs noch nicht einmal mit der Idee, tatsächlich Routen anzubieten. Erst wollte ich Richtungspfeile verwenden, die in die Richtung des Ortes zeigen, bis ich dann aber die Onlineservices zur Routenberechnung gefunden habe. Da war alles klar. Der Name Roadee kam mir einfach so. Es klingt halt gut und prägt sich ein. Ich mag den Namen. Ich denke nicht, dass hier Verwechselungsgefahr besteht.

Macnotes:

Können Sie uns erzählen, wie lange Sie für die Entwicklung von Roadee insgesamt benötigten, bis die erste Version im App Store erschien? Immerhin haben Sie ganz allein an dem Produkt gearbeitet.

Andreas Kluge:

Über den Daumen würde ich sagen, 3 Monate. Die Webpräsenz habe ich erstellt, als ich die erste Version von Roadee veröffentlicht habe. Auch hier ist zu erkennen, dass manche Webdesigner sich die Hände über dem Kopf zusammen schlagen würden. Ich mag aber das Prinzip „Keep it simple“. Es tut, was es muss.

Macnotes:

Würden Sie uns außerdem verraten, ob Sie zu irgendeiner Zeit das Gefühl hatten als kleiner Entwickler im Dialog mit Apple nicht so wahrgenommen worden zu sein wie etwaige Größere? Gab es Probleme beim Einsenden und Einstellen in den App Store? Oder denken Sie, dass es da keine Unterschiede in der Behandlung seitens Apple gibt?

Andreas Kluge:

Sicherlich denkt jeder Entwickler, dass er im Gegensatz zu großen Firmen nicht so einen leichten Stand bei Apple hat. Bei mir war es aber nicht so. Ich habe das Programm eingereicht, es wurde einmal wegen einem Fehler zurück gewiesen. Dann, nach erneutem Einreichen am 16. Mai 2009, erschien es 2 1/2 Wochen später im App Store. Das ist eigentlich schon fast die übliche Zeit, die Apple benötigt. Ich hatte eher Angst, dass ich auf Grund des strikten, alten SDK-Agreements keine Chance hätte mit einem Navigationsprogramm. Wegen der neuen Version des SDK-Agreements ist der Weg aber deutlich leichter geworden. Nur die Haftungsausschlüsse sind verständlicherweise geblieben.

Andreas Kluge:

Es gibt mittlerweile einige Navigationslösungen von etablierten Anbietern solcher Lösungen (Navigon, Sygic und demnächst auch TomTom). Wie wollen Sie sich denen gegenüber mit Ihrem Produkt behaupten?

Andreas Kluge:

Roadee wird nie mit diesen Produkten konkurrieren können. Ich bin ein Ein-Mann-Team und in den Entwicklungsabteilungen bei TomTom und Navigon arbeiten sehr viele Leute. Roadee baut sowieso auf Kartenmaterial auf, welches sich mit dem kostenpflichtigen Kartenmaterial der großen Navi-Hersteller nicht messen kann. Aber den meisten Leuten reicht eine vereinfachte und nicht überladene Version einer Navigationslösung eben auch. Jeder muss auf sein Geld achten, da fällt es dem iPhone-Nutzer schwer, zu seinem teueren monatlichen Kosten auch noch 80 € für ein Programm auszugeben.

Macnotes:

Was würden Sie einem dieser Anbieter sagen, wenn er formulieren würde, dass Sie mit Ihrem Preis den Markt kaputt machen?

Andreas Kluge:

Jeder Entwickler der Programme für den App Store schreibt, musste die bittere Erfahrung machen, dass die Preise dort weit unter dem Wert der Software liegen. Das ist einfach ein Phänomen, was sich aus der Vielfalt der Programme und der Masse an Entwicklern ergibt.
Professionelle, etablierte Firmen haben gelernt damit umzugehen und andere Wege gefunden. Ich hätte den verantwortlichen Leuten bei Navigon oder TomTom ohnehin ein anderes Verkaufskonzept vorgeschlagen. Das iPhone ist halt ein schneller und sehr gefährlicher Markt für Investitionen. Heute bist du oben auf und morgen kennt dich niemand mehr. Das hätten die gut bezahlten Analysten bei den großen Firmen erkennen müssen. Es ist aber auch so, dass sie davon nicht gleich Konkurs anmelden müssen. Roadee spielt in einer ganz anderen Liga und viele Leute werden dennoch TomTom kaufen.

Macnotes:

Und haben Sie vielleicht sogar schon mit dem Gedanken gespielt, den Preis anzuheben, wenn das Kartenmaterial von OpenStreetMap, das bei Roadee zum Einsatz kommt, erweitert wird? Es gibt einige Nutzer, die schon jetzt formulieren, dass Sie bereit wären mehr zu bezahlen, wenn das Kartenmaterial stimmte.

Andreas Kluge:

Nein, es wird keine Preiserhöhung geben! Die Einnahmen betrachte ich als Aufwandsentschädigung für die vielen Tage und auch Nächte, in denen ich mich in die Materie eingearbeitet habe und somit Roadee entstanden ist. Über das fast ausschließlich positive Feedback freue ich mich sehr! Aber es sind so viele Leute an diesen freien Projekten beteiligt, dass ich mir nicht anmaßen kann mit deren Arbeit ein großes Geschäft machen zu wollen.

Macnotes:

Sie bedanken sich auf der Webseite zum Produkt natürlich bei der Open Source-Gemeinde. Finden Sie es trotzdem nachvollziehbar, wenn manche sich daran stören, dass Sie nun mit dem frei verfügbaren Kartenmaterial Geld verdienen wollen, was ja absolut nicht gegen die Grundsätze von Open Source spricht?

Andreas Kluge:

Es gibt im App Store Meinungen wie „Hoffentlich bekommt OpenStreetMap etwas von den Einnahmen ab.“ Ich darf diesen Mitmenschen sagen: Zwar existiert das Projekt OpenStreetMap und es gibt einen freien Routingservice wie Cloudmade, aber diese hat vorher noch niemand zu einer Applikation zusammen geführt. Dafür Geld zu nehmen finde ich in Ordnung; noch dazu ist der Preis von 1,59€ doch wirklich etwas, was man sich leisten kann. Kein Mensch sagt etwas, wenn er im Biergarten für ein kühles Blondes 2,50€ ausgibt. Aber das ist auch so ein Effekt des App Stores. Viele Menschen erwarten einfach zu viel. Durch den Verkauf im App Store ist, nehme ich an, noch niemand richtig reich geworden. Bisher hat sich meine Investition an Zeit und Arbeit gelohnt.

Macnotes:

Sie rufen die Leute über die Webseite außerdem dazu auf, neue Designs für das Produkt einzuschicken. Dasjenige Design, das am meisten Zustimmung findet, wollen Sie später in die App integrieren. Glauben Sie, dass dazu viele Leute bereit sind, wenn sie wissen, dass sie selbst quasi leer ausgehen und Sie dafür mit Roadee Geld verdienen?

Andreas Kluge:

Es ist doch so: Roadee hat ein Design, welches sehr einfach, aber funktional ist. Die Nutzer haben sich daran gewöhnt. Es gab halt mehrere Meldungen von Benutzern, dass das Design besser sein könnte. Da habe ich mir gedacht, okay, ich kann es aber nicht besser. Wenn die Nutzer es besser können, dann biete ich Ihnen die Möglichkeit, Ihre designerischen Fähigkeiten zu zeigen. Der Gewinner zeigt somit mittlerweile mehreren tausend Nutzern seinen Namen. Als Referenz doch unbezahlbar…!

Macnotes:

Ähnlich gestaltet es sich mit der Lokalisierung. Wollen Sie die Unterstützer in irgendeiner Form am Erfolg beteiligen?

Andreas Kluge:

Auch hier denke ich, dass es eine Win-Win Situation ist. Die Nutzer in Ländern, für die Roadee bisher noch nicht lokalisiert wurde, können nur gewinnen. Sie bekommen eine günstige Navigationslösung in ihrer Muttersprache. Des Weiteren wurde ich durch die Nutzer auf diese Idee gebracht. Es gab über 20 Anfragen mit dem Angebot, dabei zu helfen Roadee zu lokalisieren. Das dadurch natürlich Roadee einem breiteren Markt zur Verfügung stehen kann und somit wieder Einnahmen die Folge sind, dass erhoffe ich mir natürlich. Ich arbeite ja auch jetzt jeden Tag an dem Programm und denke mir Verbesserungen aus. Der Nutzer hat einmal gezahlt und bekommt die Updates von mir gratis. Insgesamt finde ich das für beide Seiten fair.

Macnotes:

Auf der Homepage Ihres Ingenieurbüros kündigen Sie ein Aufnahmetool an, mit dem Leute helfen können, das Kartenmaterial zu vervollständigen. Wie wird das funktionieren und wann können wir mit Roadee Record rechnen?

Andreas Kluge:

Tatsächlich ist es so, dass das Programm Roadee Record stark auf Roadee aufbaut. Es wird in der Lage sein, die meisten Aufgaben eines OpenStreetMap interessierten Nutzers zu erledigen, inklusive dem direkten Upload aufgezeichneter Wege. Die Applikation war schon zu 75% fertig, da brach die Veröffentlichung von Roadee über mich herein und somit ein riesiger Supportaufwand. Im Moment arbeite ich an dem Update für Roadee, Roadee Record muss ein bisschen darunter leiden. Es wird aber in Kürze umgesetzt.

Macnotes:

Ebenfalls über diese Seite erfahren wir, dass Sie an zwei Schnittstellen im Web für Verkehrsinformationen und zum Beispiel stationäre Blitzer arbeiten. Wie genau werden diese APIs funktionieren, und wie genau funktioniert der Datentransfer aus Roadee in diese APIs? Werden Restaurantbesitzer ihre Gäste auf der Homepage dann zukünftig davor warnen können, dass diese bei der Anreise im Umkreis mit Starenkästen zu rechnen haben? So in der Art ist die spätere Anwendung doch gedacht, oder?

Andreas Kluge:

Ich wollte das Feature Blitzer und Verkehrsmeldungen schon von Anfang an in Roadee integrieren. Dann habe ich im Internet nach freien Schnittstellen gesucht. Ich konnte nur kommerzielle Anbieter finden, die für die API Geld haben wollten. Also habe ich mich entschlossen, eine eigene Datenbank zu erzeugen, die es anderen erlaubt, Daten einzupflegen und auf existierende Daten zuzugreifen. Ist man einmal als Kunde bei mir registriert, bekommt man einen Schlüssel. Dann kann man mit diesem Schlüssel und bestimmten Parameter auf die Daten zugreifen, völlig kostenfrei. Ziel ist es, eine riesige Datenbank zu erzeugen, auf die mehrere Programme oder Internetseiten komfortabel zugreifen können.

Macnotes:

Abschließend noch die Frage nach der Zukunft von Roadee und natürlich Ihrer eigenen. Welche nächsten Schritte sind für die App geplant? Und haben Sie kurzfristig noch andere Projekte vor zu veröffentlichen?

Andreas Kluge:

Roadee wird demnächst auf die Version 1.1 erneuert werden. In dieser Version sollen eine Sprachführung, der Landscape-Modus und ein paar Fehlerbehebungen enthalten sein.
Zu meiner eigenen Zukunft kann ich noch nicht so viel sagen. Ich hoffe, ich kann noch weiter Programme für das iPhone entwickeln. Ob das nun Programme für meine Firma oder als Auftrag für andere Firmen sein werden ist mir dabei eigentlich nicht so wichtig. Sehr interessiert bin ich auch am Thema Breitbandversorgung ländlicher Gebiete. Ich erarbeite gerade so ein paar Ideen. Ich lass mich einfach mal überraschen. Firmen sind herzlich eingeladen, mich anzuschreiben.

Macnotes:

Wir danken Herrn Kluge für das Interview.


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