Kommentar: Warum wir die illegalen iPhone-Programme brauchen

ml, den 24. September 2008

Mit dem Start des App Stores am 11. Juli 2008 verbanden sich bei den iPhone- und iPod-touch-Anwendern große Hoffnungen. So sollte die Notwendigkeit eines Jailbreaks für viele Anwender überflüssig werden, da dann entsprechende Programme über einen offiziellen und auch legalen Weg verfügbar sein würden. Zudem hofften viele Anwender, dass die freien Entwickler endlich auch Funktionen nachrüsten, die Apple seit Langem vermissen lässt.

Jetzt sind ein paar Monate seit dem Start ins Land gegangen und ich bin der Meinung, dass die in den App Store gesetzten Hoffnungen von Apple krass enttäuscht wurden. Deshalb werden wir die illegalen iPhone-Programme die ihren Weg per Jailbreak und Installer.app auf das Gerät finden noch auf unbestimmte Zeit brauchen.

Mit der Vorstellung des iPhone SDKs und des App Stores hegten viele die Hoffnung, dass es damit ein paar echte Killer-Applikationen für diese Plattformen geben würde. Doch wo sind diese? Der größte Teil der im App Store verfügbaren Programme ist einfach Schrott. Echte Highlights muss man mit der Lupe suchen. Es gibt zahllose Programme die aus einem iPhone eine Taschenlampe machen, doch ein Programm welches zum Beispiel das iPhone in ein UMTS-Modem verwandelt fehlt.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Bezüglich des iPhone SDKs herrscht zwischen Apple und der Entwicklergemeinde noch immer eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. So dürfen mit dem SDK entwickelte Programme nicht im Hintergrund laufen. Echte IM-Anwendungen sind damit z. B. nicht möglich, denn auch die vor langer Zeit angekündigten Push-Notifications sind bislang nichts mehr als heiße Luft.

Zudem ist der direkte Zugriff auf die Hardware des iPhones für Entwickler nicht möglich. Damit bleiben ihnen viele Möglichkeiten zur Performance-Optimierung oder der Zugriff auf versteckte Funktionen z. B. der Kamera verwehrt.

Anwendungen von Drittanbietern lassen sich nur schwer mit dem iPhone OS integrieren. So ist der Zugriff von Programmen auf Kalender- oder SMS-Daten mit Hilfe des SDKs nicht möglich. An dieser Stelle widerspricht sich Apple seiner eigenen Philosophie, die besten Anwendungen mit der besten Benutzerführung zu ermöglichen.

Zulassungslotterie

Wer erinnert sich noch an den Treppenwitz rund um das Programm Netshare? Netshare verwandelte ein iPhone in ein UMTS-Modem und kam erst in den App Store und wurde kurz darauf von Apple wieder daraus verbannt. Dann erschien die Applikation nochmal für wenige Stunden, um dann endgültig aus dem App Store zu verschwinden.

Eine offizielle Begründung für die Verbannung von Netshare haben die Entwickler bis heute nicht erhalten. Nur zur Erinnerung: Netshare verletzte keine der offiziellen Bedingungen die ein Programm für den App Store erfüllen muss. Alles begann mit einem virtuellen Furzkissen (Pull my Finger), welches aufgrund eines „eingeschränkten Nutzwertes“ zurückgewiesen wurde.

Wie die letzten Wochen zeigen, war das Drama um Netshare nur der Anfang einer Reihe von Ablehnungen, bei denen Apple wirklich schlecht ausschaut. Inzwischen scheint es, als ob Apple Programme nach Belieben aussperrt. Da werden so schwammige Behauptungen wie „Es wird die Funktionalität von existierenden (Apple-)Programmen dupliziert“ (Podcaster) oder „Ähnlichkeit zu bestehenden Programmen“ (MailWrangler). Ähm, hallo Apple, so funktioniert Wettbewerb.

Zudem scheint man bei Apple selbst die Übersicht verloren zu haben. Laut Aussage einiger Entwickler wurden sogar Programme zugelassen, die nur Demo-Code aus dem SDK enthielten. Wo deren Nutzwert für Anwender liegt, kann wahrscheinlich nur Apple beantworten. Peinlich in diesem Zusammenhang war für Apple auch „I am rich“ welches erst nach einem großen Medienecho aus dem App Store entfernt wurde.

Das man sich in Cupertino jetzt auf solche fadenscheinigen Begründungen zurückzieht, ist kein gutes Zeichen, zumal die Begründungen nirgendwo festgeschrieben sind, sondern vielmehr aus einem Bauchgefühl von Apple heraus gemacht wurden. Richtlinien für eine offene Plattform sehen anders aus. Wie also soll ein Entwickler vorher wissen, ob seine Applikation überhaupt von Apple genehmigt wird? Welcher Entwickler will unter solchen Vorzeichen noch im App Store mitmachen ohne zu wissen, dass seine Investition (Zeit, Geld) überhaupt die Chance auf Rückzahlung hat?

Noch im März bei der Vorstellung des iPhone SDKs verkündete Steve Jobs, dass man „so viele Apps wie möglich auf das iPhone bringen möchte“. Wie weit es mit dieser Aussage her ist, kann man gerade aktuell sehr gut beobachten.

Maulkorb für Entwickler

Das die zahlreiche negative Presse in den letzten Wochen schlecht fürs Image ist, scheint man in Cupertino inzwischen bemerkt zu haben und reagiert auch hier auf recht unorthodoxe Weise mit einem weiteren NDA.

Wie Macrumors berichtet ziert seit Kurzem ein

„THE INFORMATION CONTAINED IN THIS MESSAGE IS UNDER NON-DISCLOSURE“

die Zurückweisungs-E-Mails von Apple. Damit ist es einem Entwickler theoretisch nicht mehr erlaubt über die Gründe der Zurückweisung zu sprechen.

Was dieser Maulkorb soll ist unklar und erinnert doch eher an den Satz: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“. Zumindest dürfte das den bitteren Nachgeschmack bei vielen Entwicklern verstärken und sie nach Alternativen suchen lassen.

Zumindest der Podcaster-Autor hat bereits einen Weg gefunden. Per Ad-hoc-Distribution bot er gegen eine 10-Dollar-Paypal-Spende einen personalisierten Link an, über den sich der Nutzer die Anwendung auf sein iPhone laden konnte. Immerhin 1100 Kopien will er so an einem Wochenende vertrieben haben. Immerhin fast 3670 Dollar sind damit auch Apple durch die Lappen gegangen.

Fazit

Die Regeln für den App Store sind eine einzige Grauzone und tragen nicht dazu bei Vertrauen bei den Entwicklern aufzubauen. Im Gegenteil, der Zulassungsprozess gleicht einer Lotterie und sorgt für Frust und Wut bei den Entwicklern. Den Anwendern auf der anderen Seite entgehen so viele interessante und nützliche Anwendungen (z. B. Netshare, MailWrangler, Big 5), weil Apple hier Richter spielt und meint für den Anwender entscheiden zu müssen was gut uns was böse (z. B. Pull my Finger, Podcaster) ist.

Der zweite Knackpunkt sind die Restriktionen, die das iPhone SDK den Entwicklern auferlegt. Es schwirren so viele Ideen herum, mit denen man das iPhone verbessern könnte. Doch auf legale Weise ist das mit dem SDK nicht möglich. Die illegalen Programme zeigen, wozu das iPhone fähig ist. Deshalb brauchen wir den Jailbreak und diese Programme. Zum einen, damit Apple sieht, dass es eine große Nachfrage nach genau solchen Programmen gibt und zum anderen, dass Anwender auch die Programme installieren können, die sie wirklich brauchen.


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