Test: Qemu – Virtuelle Computer für viele Betriebssysteme

ml, den 31. August 2008
Bücher
Bücher, Bild: CC0

Qemu steht in dem Ruf, kompliziert zu bedienen zu sein und es unerfahrenen Anwendern damit unnötig schwer zu machen. Dieses Manko wollen die Autoren Robert Warnke und Thomas Ritzau mit ihrem Buch „Qemu – Virtuelle Computer für viele Betriebssysteme“ beheben und Anwender an die Virtualisierungssoftware heranführen. Wir haben das Buch gelesen und sagen Euch, ob und für wen sich die Anschaffung des Fachbuchs lohnt.

Qemu ist ein leistungsfähiger Systememulator. Er wird maßgeblich von Fabrice Bellard als quelloffenes Programm entwickelt. Im Gegensatz zu vielen, häufig auch kommerziellen, Virtualisierungslösungen läuft Qemu auf vielen unterschiedlichen Plattformen und kann u. a. neben der X86-Architektur auch PowerPC und ARM emulieren.

Aufbau

„Qemu – Virtuelle Computer für viele Betriebssysteme“ richtet sich sowohl an den Qemu-Einsteiger als auch an Benutzer, die schon eine Weile mit Qemu arbeiten und zukünftig mehr aus dem Programm herausholen wollen. Bei diesem Spagat verliert sich das Buch allerdings in gerade für erfahrene Anwender ermüdenden Detailbeschreibungen wann welcher Knopf in der Oberfläche wie zu drücken ist.

Das Qemu-Buch gliedert sich auf 240 Seiten in 10 Kapitel. Der Inhalt orientiert sich stark am englischen Qemu-Handbuch, ist aber keine Kopie desselben. Stattdessen hat man beim Lesen manchmal das Gefühl eine Diplomarbeit in der Hand zu haben. Der knapp 60 Seiten lange und damit fast 25 Prozent des Inhalts umfassende Anhang, verstärkt dieses Gefühl noch.

Stil

Der Schreibstil der beiden Autoren Robert Warnke und Thomas Ritzau ist über weite Strecken holprig und ergießt sich in einem breiten Denglisch. Dabei sind die Schreiber nicht mal konsequent. So wechseln sich User und Benutzer, und viele weitere Begriffe in einem wechselhaften Reigen ab. Und dass man virtuelle Maschinen jetzt auch wie einen Teppich „ausrollen“ kann, war auch für mich eine neue Erkenntnis.

Was mir beim Lesen des Buchs aber wirklich unangenehm aufgefallen ist, dass immer wieder unklare bzw. wenig differenzierte Behauptungen und oberflächliche Vergleiche aufgestellt werden. Das bezieht sich insbesondere auf die Abschnitte, in denen auf technische Hintergründe und Grundlagen von Qemu eingegangen wird. Mit der Virtualisierungsthematik vertraute Leser werden hier einfach auf halber Strecke stehen gelassen und dürften sich verloren vorkommen.

Insgesamt gewinnt man, je weiter man in dem Buch kommt, den Eindruck, dass es keinen Lektor gab. Kommas sind zu einem Luxusgut geworden, d. h. es wurde beim Schreiben sehr sparsam mit ihnen umgegangen. Des weiteren garnieren verschiedene Sinnlossätze den Inhalt, die eher zur Belustigung als zur Klarstellung beitragen. Beispiel gefällig?

„Wer ohne GUI auskommt, sollte die Variante ohne GUI bevorzugen.“

Inhalt

Das Buch behandelt alle Aspekte die für die Arbeit mit Qemu benötigt werden. Zunächst stellen die Autoren ein paar Grundlagen der Virtualisierung vor. Im folgenden Kapitel geht es um die Installation von Qemu auf den unterschiedlichsten Plattformen. Ein eigenes Kapitel haben die Autoren jeweils den Themen virtuelle Festplatte und Netzwerk gewidmet. Das Kapitel Gast-Systeme ist eine Art Tutorial, in dem die Autoren durch die Installation unterschiedlichster Betriebssyteme in einer Qemu-VM führen. Hierbei gehen sie auch auf die unterschiedlichen von Qemu emulierten Prozessorarchitekturen ein.

Alle Themen werden meist in großer Breite behandelt. Dennoch bleiben einige, aus meiner Sicht, entscheidende Lücken. Wenn über API-Emulation gesprochen wird, dann sollten Wine und Darwine zumindest erwähnt werden. Stattdessen gehen die Autoren nur auf Cygwin ein.

Viel Aufmerksamkeit und Hintergrundwissen vom Leser verlangen die häufigen thematischen Sprünge. Da ist auf Seite 18 plötzlich von Ring 0 der CPU die Rede. Das Ring 0 eine spezielle Eigenschaft von x86-Prozessoren ist wird nicht erwähnt. An anderer Stelle wird der BeOS-Clon Haiku als Beispiel herangezogen, weil es laut Aussage der Autoren besonders einfach ist. Im nächsten, darauf aufbauenden Beispiel wird dann ReactOS verwendet. Viele weitere derartige Beispiele ließen sich an dieser Stelle aufzählen.

Genial oder absolut zum Kopfschütteln kann man dagegen ein Bildschirmphoto eines Mac-OS-X-Desktops nennen. Auf dem Mac läuft Parallels Desktop worin ein Debian-Linux installiert ist. Auf dem Linux-System läuft Qemu und emuliert ein Windows 2000. Ob das Ganze noch performant ist sei mal dahingestellt. Virtualisierungsgeil trifft es glaube ich ganz gut.

Fazit

Positiv ist dem Buch anzurechnen, dass es alle Themen rund um Qemu ausführlich behandelt und damit auch unbedarften Benutzern die Nutzung dieser Software erlaubt. Man merkt den Autoren an, dass sie viel Spaß an der Materie haben und sich auf dem entsprechenden Gebiet sehr gut auskennen. In dem Versuch dieses komplette Wissen in das Buch zu pressen, ist aber leider ein oft verwirrender Schlingerkurs herausgekommen. Weniger vielfältige Beispiele und die Beschränkung auf weniger und dafür wesentliche Fakten hätten dem Lesegenuss gut getan.

Absolut negativ werte ich die Qualität des Textes und den Stil. Es wimmelt nur so vor Rechtschreibfehlern, denn offensichtlich wurde beim Lektor gespart. Auch inhaltlich schwächelt das Buch. Denn eine klare Linie bei der Auswahl von Beispielen ist nicht erkennbar und die häufigen thematischen Wechsel erfordern eine hohe Konzentration beim Lesen. Aus diesem Grund können wir nur 3,5 von 5 möglichen Macs vergeben.


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