Kommentar: Neue Töne, alte Songs
Redaktion Macnotes, den 6. September 2007Fast 10 Minuten sprach Steve Jobs in seiner Keynote zum „The Beat Goes On Event“ über das unspektakuläre neue Klingelton-Bastel-Feature in iTunes. Die Begeisterung im Publikum, das selbst dann klatschte, als Jobs den Preis von zusätzlichen 99 Cent pro Klingelton (plus die üblichen 99 Cent pro Song) verkündete, ist da nur schwer nachvollziehbar. Es muss wohl das berühmt-berüchtigte „Reality Distortion Field“ des Maestros gewesen sein – warum sonst sollten erwachsene Journalisten fast ausflippen, wenn Jobs lang und breit ein Gimmick erläutert, das selbst die meisten Teens langweilen dürfte?
Wenig Neues
Ähnlich einfallslos in unseren Augen das „Update“ für den iPod shuffle: Eine neue Farbpalette, die viele nicht gerade als Verbesserung empfinden dürften (mit Ausnahme des iPod shuffle RED), zum selben und damit immer mehr überteuerten Preis von 79 US-Dollar. Wenigstens etwas mehr Speicherplatz hätte man dem kleinsten iPod spendieren müssen, um der Billigkonkurrenz aus Fernost guten Gewissens entgegentreten zu können.
Wenig Neues auch beim klassischen iPod, der jetzt offiziell so heißt. Der iPod classic wird in der Produktmatrix wohl nur solange überleben, wie Flash-Speicher noch nicht in Kapazitäten deutlich über 16 Gigabyte zu massenkompatiblen Preisen verfügbar ist. Bis dahin aber dürfte er für echte Musikliebhaber das Gerät der Wahl bleiben. Im Vergleich zum iPod nano und iPod touch wirkt er aber schon heute seltsam altbacken – sowohl optisch, als auch technisch.
iPod nano überrascht
Der neue iPod nano hingegen überraschte positiv. Optisch sieht er zwar fast haargenau so aus, wie wir es schon vor zwei Wochen vorhergesagt hatten. Damals von vielen als dick und hässlich gehänselt, macht der jüngste Spross der Nano-Reihe „in echt“ aber doch deutlich mehr her als manch einer glauben wollte. Preislich ist vor allem das Einstiegsmodell äußerst attraktiv. Nur die Farben erinnern irgendwie an blasse Krankenhausflure…
Mit dem iPod touch bringt Apple schließlich das, was viele seit Vorstellung des iPhones erhofft hatten: Ein iPhone ohne Phone. Dass der iPod touch sogar mit Safari und WLAN-Schnittstelle kommt, darf man als durchaus mutigen Schritt bewerten, schließlich dürfte der eine oder andere jetzt wohl den Kauf des vor allem in den Folgekosten deutlich teureren iPhones ad acta legen.
Mobil einkaufen
Viel Platz räumte Jobs dann zwei Ankündigungen ein, die bestenfalls in die Rubrik „ganz nett“ passen: Den iTunes Store kann man jetzt vom iPhone (und vom iPod touch) aus anzapfen, und in einigen ausgewählten Starbucks-Läden gibt es eine spezielle Seite, über die man z. B. den gerade gespielten Song erwerben kann. Das eigentlich Spannende: Nach Google und AT&T hat Apple damit einen weiteren strategisch wichtigen „Big Player“ an sich binden können. Die Aktionäre Apples wird’s freuen.
Das „One More Thing“ bestand diesmal in einer jedenfalls zu diesem Zeitpunkt durchaus überraschenden Preissenkung des 8 GB iPhones, das mit 399 US-Dollar jetzt in deutlich attraktivere Preisregionen vordringt. Umso spannender wird nun, wie die Preis- und Vertragsmodelle in Europa aussehen werden. Wir rechnen damit, dass entsprechende Ankündigungen der Netzbetreiber nicht mehr lange auf sich warten lassen – sobald der zeitliche „Sicherheitsabstand“ zur Keynote von gestern überbrückt ist, dürfte die Stunde von T-Mobile & Co. schlagen.
Fazit
Eine revolutionär neue Platte legte Steve Jobs gestern nicht auf. Aber der Ton macht die Musik – deshalb dürfte die neue iPod-Modellpalette überaus erfolgreich werden. Kein anderer Hersteller bietet ein so perfektes Gesamtpaket für digitale, mobile Unterhaltung an – warum also sollte Apple über Bord werfen, was gut und bewährt ist? Den optischen Weichspüler, den Apple seinen Produkten seit einiger Zeit verordnet (angefangen vom iPhone, über den iMac bis hin zu den neuen iPods), mag man als mut- und ideenlos bezeichnen. Aber man sollte nicht vergessen, dass der iPod wie kein anderes Produkt ein Massenartikel ist – da muss man in Cupertino vor allem den Geschmack des Durchschnitts-Käufers treffen. Und der ist eben ein Gewohnheitstier.