Computer-Wissen für Kinder: Wie man es nicht vermitteln sollte
Alexander Trust, den 22. Oktober 2020Kennt jemand die „Computermaus Chip“? Wenn nicht, dann ist das nicht schlimm. Denn diese Maus beherrscht nicht mal die Grundlagen der Pädagogik, obwohl sie aber Kindern Wissen vermitteln wollte.
Zur Vorgeschichte
Ich kaufe oder bekomme ab und zu alte Bücher, oder besorge sie mir aus den Bücherkisten, die in den Städten und auch auf dem Land so herumstehen. Vor allem interessiere ich mich dabei für Fachbücher. Diese lese ich auch deshalb, weil ich selbst Manuskripte auf dem Computer habe und an Ratgebern für HTML, Javascript, Ruby, und vielem mehr „arbeite“. Aktiv arbeite ich daran leider nicht, sondern immer nur, wenn ich Lust und Zeit habe.
Doch nun hab ich vor ein paar Monaten also ein ganzes Computerbuch-Konvolut günstig bekommen, weil jemand seinen Keller ausmisten wollte. Heute warf ich dann einen Blick in das Buch „Computer-Wissen für Kinder: Windows 98 leicht und schnell“.
Urheber bleibt im Verborgenen
Es geht schon damit los, dass weder vorn noch hinten drauf ein Urheber auszumachen ist. Aller Voraussicht nach handelt es sich aber um den Tandem-Verlag, dem ähnliche Bücher aus der Zeit zuzuordnen sind.
Ein Autor wird leider auch nicht angegeben, denn als „Autor“ tritt die fiktive Computermaus Chip auf. Recherchen ergeben jedoch, dass ähnliche Bücher zu Windows 95 oder anderen Versionen immer auch anderen Autoren zugeordnet werden. Entsprechend kann ich hier gar nicht „eine“ bestimmte Person an den Pranger stellen.
So geht Wissensvermittlung nicht
Allein wegen der Thematik richtet sich das Buch natürlich an Kinder, die schon ein gewisses Alter erreicht haben. Denn die Computermaus versucht zwar, sich möglichst einfach auszudrücken. Doch trotzdem könnte man so ein Buch nicht einem 5-Jährigen vorsetzen, sondern wohl eher Kindern, die der Grundschule entwachsen sind.
Doch dann muss man den oder die Autoren fragen, was sie sich dabei gedacht haben. Denn in der Einleitung, auf den ersten Seiten, gibt es dick und fett gleich mehrere Hinweise, die alles andere als pädagogisch wertvoll sind. Einer davon lautet:
„Eines ist besonders wichtig: Erkunde bitte nie auf eigene Faust den Computer. Bitte unbedingt einen Erwachsenen, Dir bei der Installation des Programms zu helfen.“
unbekannter Autor
Ein anderer:
„Aber versprochen ist versprochen, nicht wahr? Frage also bitte zuvor einen Erwachsenen, ob er Dir hilft. Mache die Installation besser nicht alleine, weil Du dabei eine Menge kaputtmachen kannst.“
unbekannter Autor
Wie man Kindern kein Selbstbewusstsein vermittelt
Ich fühlte mich an die Zeit zurückerinnert, als ich meinen ersten Computer bekam. Ich war sieben Jahre alt und freute mich darüber, dass ich das Gerät selbst erkunden konnte. Meine Großeltern, bei denen ich aufwuchs, hatten von Computern keine Ahnung, und also konnten Sie mir auch nicht helfen. Der Computer, ich und die Handbücher waren also auf uns selbst gestellt.
Nicht auszudenken, wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich das Gerät nicht allein benutzen dürfe, weil ich etwas kaputtmachen könnte.
Es ist ein falscher Ansatz, den dieses Buch verfolgt, wenn es so ein Damoklesschwert vor dem geistigen Auge seiner Leser zeichnet. Kindern vor Augen zu führen, sie könnten etwas verkehrt machen, stärkt nicht ihr Selbstbewusstsein. Dass sie natürlich etwas verkehrt machen könnten, ist ja kein Ausschlusskriterium, es nicht trotzdem zu tun. Denn nur so lernt man seine Grenzen kennen und aber nur so kann man überhaupt erst die Freude am Umgang mit dem Computer lernen.
Falscher Ansatz
Das Buch behauptet, dass man Windows 98 installieren müsse, vergisst aber dabei, dass es auch Computer gab, auf denen Windows 98 vorinstalliert war. Mein erster Computer begrüßte mich mit einem DOS-Prompt. Es gab für mich erst mal keine Maus und bunte Benutzeroberflächen.
Die Autoren hätten sich die Frage stellen sollen, für wen sie so ein Buch schreiben. Denn wenn der Computer eigentlich den Eltern gehört und die Kinder ihn nur im Beisein der Eltern benutzen dürfen, dann kann man den Kids den Umgang mit dem Computer erklären, aber muss ihnen nicht zwangsläufig als Erstes vermitteln, wie man Windows installiert. Denn das würden auch Eltern nicht von ihren Kindern erwarten. „Computer-Wissen für Kinder“ hat also schon vom Fleck weg einen Bias, den es nicht mehr loswird.
Schade ums Papier!