Böhmermann zeigt Erdogan, dass Satire Grenzen hat

Alexander Trust, den 1. April 2016
Jan Böhmermann trägt Erdogan-Gedicht vor
Jan Böhmermann trägt Erdogan-Gedicht vor, Screenshot: ZDF Neo Royale

Jan Böhmermann hat ein Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der gestrigen Ausgabe von NEO Magazin Royale veröffentlicht, das jetzt der Zensur zum Opfer gefallen ist. Das Gedicht wollte aber genau das und sollte ein implizites Beispiel für das Staatsoberhaupt sein.

Erdogan müsse sich keine Sorgen darum machen, dass Pressefreiheit in Deutschland keine Grenzen kenne.

NDR-Satire gibt Ausschlag

Angestachelt durch die Debatte um die NDR-Satire-Sendung extra3 und deren Beitrag über Erdogan mischte sich gestern Jan Böhmermann in diese Diskussion ein. Was war passiert? In den letzten Wochen veröffentlichte extra3 einen Beitrag, der bei Erdogan nicht gut ankam. Dieser bestellte den deutschen Botschafter in der Türkei ein, und wollte die weitere Ausstrahlung des Beitrags verbieten. Das ganze ist nun schon einige Zeit her.

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Es gab Kommentatoren aus den Mainstream-Medien, die in diesem Zusammenhang die deutsche Politik mit Angsthasen-Charakter beschrieb, weil sie sich nicht zu der Intervention äußerte. Satire sei schließlich durch die Pressefreiheit gesichert. Die internationale Presse, wie beispielsweise die New York Times, diskutierte, dass Zensur oft das Gegenteil bewirkt.

Was ist Satire?

Jan Böhmermann beleidigte in dem Gedicht, das er gestern Abend vor ZDF-NEO-Zuschauern vortrug, den türkischen Präsidenten zutiefst. Er verunglimpfte dessen Liebespraxis, sprach über dessen sexuelle Vorlieben und stellte viele unwahre Tatsachenbehauptungen auf. Er tat dies mit voller Absicht, um zu zeigen, dass Satire sehr wohl Grenzen kennt. Aber nicht, weil Politiker sie individuell setzen, sondern weil Gesetze sie nämlich als Schmähkritik einstufen.

Aus Mediathek entfernt

Folgerichtig hat das ZDF „in Rücksprache mit Böhmermann“ das Video zur Sendung aus der Mediathek entfernt, es bei YouTube sperren lassen. Und Böhmermann? Hat er das erreicht, was er wollte?

Schon in der Sendung unterbrach Böhmermann immer wieder das Lesen des Gedichtes und wies darauf hin, dass der Inhalt verboten sei. Später ließ er sich von Ralf Kabelka – Harald Schmidt lässt grüßen – bestätigen, dass er „zu weit“ gegangen sei.

Bevor Böhmermann angefangen hatte, das Gedicht vorzutragen, hatte er sich direkt an Erdogan gerichtet, „Vielleicht erklären wir es an einem praktischen Beispiel mal ganz kurz.“ Das Gedicht trug dann auch den Titel „Schmähkritik“. Erdogan wurde von Böhmermann noch instruiert, dass er sich zur Verhinderung solcher Schmähkritik in Deutschland einen Anwalt nehmen dürfe. In der Türkei, erklärt Meedia, würde er dafür im Kerker schmoren.

Debatte losgetreten, zum Nachspiel aufgefordert

Heute sollten eigentlich alle über Aprilscherze diskutieren, auch solche, die nach hinten losgegangen sind. Doch Böhmermann hat eine Debatte losgetreten in allen Sozialen Medien, bei Reddit, Facebook, Twitter. Die BILD-Zeitung berichtet über den Vorfall, weist auf die „Zensur“ des ZDF hin, Spiegel Online ebenfalls.

Böhmermann wollte eigentlich aufklären, wo der Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik liegt. Doch man muss befürchten, dass genau das am Ende nicht passiert, weil die Konsumenten die Aussage im Sinne einer stillen Post verwässern. Wie beispielsweise das Forum Kunst & Kültür auf Facebook, das die erläuternden Passagen aus dem Video geschnitten hat und nur die Beleidigungen zusammenträgt. Es ist davon auszugehen, dass die Botschaft Böhmermanns mit Sicherheit nicht so bei Erdogan ankommen wird, wie gedacht.

Viele scheinen nicht zu verstehen, dass Böhmermann gerade mit der Löschung der Videos „sein Ziel“ erreicht hat. Er wollte das so. Zu beweisen war, dass Schmähkritik in Deutschland verboten ist und dass aber der Beitrag vom NDR keine solche war. Erdogan selbst hatte zuvor vom satirischen Clip des NDR als solcher gesprochen.


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