Kommentar: Was Christian Klar mit der Demokratie zu tun hat

Alexander Trust, den 20. Februar 2016
Albert Weiler im Bundestag
Albert Weiler im Bundestag, Bild: Bundestag

Derzeit gibt es eine mediale Debatte darüber, ob oder ob nicht der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar einen Job im Bundestag ausüben kann. Ich bin auch der Meinung, dass diese Causa eine Rolle in der Frage der Demokratie spielt, aber nicht diejenige, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler ihr einräumt.

Kürzlich berichtete die BILD-Zeitung darüber, dass der Bundestagsabgeordnete der Linken, Dieter Dehm, den ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar beschäftigt (schon seit einigen Jahren). Klar erstellt offenbar Webseiten für das Ressort von Dehm.

Nun hat sich der CDU-Abgeordnete Weiler als BILD-Leser zu erkennen gegeben und hielt im Bundestag eine Rede. Dieser schickte er ein paar mahnende Worte vorweg. Er erklärte, dass man einen Demokratiefeind nicht aus Steuergeldern beschäftigen dürfe.

„Der Feind der Demokratie hat nichts im Herzstück der Demokratie zu suchen!“
Albert Weiler

Die Meinung vieler ist problematisch

Klar ist, Albert Weiler äußert eine Meinung, die viele Leute mit ihm teilen. Doch diese Meinung ist problematisch. Gerne möchte ich erklären warum.

Vorweg: Klar wurde bestraft, saß im Gefängnis. Hat seine Strafe abgesessen. Alternativ hätte man den Ex-RAF-Mann lebenslänglich einsperren können, wenn man gewollt hätte. Das wollte man aber nicht. Das habe ich nicht entschieden, sondern ordentliche Gerichte. Und also muss man mit dieser Entscheidung auskommen, ob man sie nun mag oder nicht.

Erst die Faust, dann die helfende Hand?

Tatsächlich war Christian Klar als Terrorist ein Feind der Demokratie. Doch der Wunsch unserer Demokratie ist es, Straftäter „umzuerziehen“. Sie zu mündigen Bürgern zu machen, wenn sie echte Reue zeigen und sich in die Gesellschaft integrieren wollen. Dieser Wunsch wird vor allem bei Triebtätern, die nach ihrer Entlassung wieder jemanden vergewaltigen, auf die Probe gestellt.

Welche Alternative gäbe es? Alle für immer wegsperren. Aber das ist keine Alternative, da die Gefängnisse schon jetzt aus allen Nähten platzen. Die Todesstrafe? Das wäre ein Fass ohne Boden, vor allem aber ein Problem, wenn man nach 30 Jahren feststellt, dass der Mensch, den man auf Anordnung ermorden hat lassen, eigentlich unschuldig war. Es wäre mit unserem Bild von Demokratie auch gar nicht vereinbar.

Doch dieses Prinzip, das Albert Weiler vorstellt, kann man umschreiben mit den Worten: Ich schlag dir erst mit der Faust ins Gesicht und reiche dir dann die helfende Hand. Viele, die ihm zustimmen, denken genauso. Sie akzeptieren Nichts, außer ihrer Vorstellung von Demokratie und gefährden damit dieselbe.

In Aachen beispielsweise gibt es, wie in vielen Städten, Rehabilitationsmaßnahmen für Neonazis. Ich bin der Meinung, solche Projekte können nur funktionieren, wenn man es ernst meint. Aachen hat aber auch eine jüngere Vergangenheit mit Nazis. Seit 2008, als ein 18-jähriger Libanese in Stolberg einen anderen Jugendlichen erstach, kommt es zu Aufmärschen der Nazis. Diese haben behauptet, der getötete sei einer von ihnen gewesen, auch wenn das nicht stimmt.

Statt aber die echte Konfrontation zu suchen und aktiv für die Demokratie zu werben und die Nazis zu überzeugen, dass es sich lohnt, so zu leben, wie man selbst, gibt es bei den Jusos in Aachen nur das Prinzip Hass. Euphemistisch spricht man von dem „braunen Gesocks“. Hinter verschlossenen Türen fallen noch andere Bezeichnungen, die aber einen Weg zurück nicht möglich machen. Jeder von uns, der mal übelst von jemandem beschimpft wurde, tut sich äußerst schwer damit, von dieser Person danach Hilfe anzunehmen.

Ausgrenzung schafft Demokratiefeinde

Auf diese Weise „schafft“ man sich Demokratiefeinde, weil Demokraten zu Hass aufrufen und jeglichen Austausch verhindern. Wo möchte Herr Weiler also Herrn Klar gerne haben, wenn nicht resozialisiert in der Gesellschaft? Soll er irgendwo im Untergrund abtauchen und am besten nie mehr gesehen werden?

Der Syrer Firas Alshater hat in dieser Woche bei einem Auftritt bei Markus Lanz ein Bild von Pinguinen gezeigt. Dort ist die große Gruppe, die zusammensteht. Daneben ist der Einzelne, der sich ausgegrenzt fühlt. Er erläuterte damit, wie sich Flüchtlinge fühlen, die in ein neues Land kommen.

Es gibt diese Pinguine zuhauf im eigenen Land, es sind Neonazis, radikale Antifaschisten und Islamisten. Wir schotten uns gegen sie ab, statt den Diskurs zu suchen und sie von unserer Art zu leben zu überzeugen.

Wenn diese Ausgrenzung gelebt wird, so wie von Albert Weiler und von vielen anderen, dann kommt es zur Ghettoisierung wie in Belgien und Frankreich. Dann kommt es zum Wachstum der Feinde der Demokratie. Doch dann kommt es ebenfalls zu Amokläufen, in denen die Amokläufer „ein einziges Mal“ die Aufmerksamkeit durch das Töten anderer Menschen versuchen zu erhaschen, die man ihnen sonst verwehrte.

Wie viele von denen, die in Heidenau die Kanzlerin angebrüllt haben, sind eigentlich junge Arbeitslose, die sich ungerecht behandelt fühlen und irgendwelchen Agitatoren erliegen, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen? Man könnte sie dort abholen, ihnen eine Perspektive geben und sie davor bewahren, abzurutschen.

Wie viele Jugendliche haben die Länder Europas an den Islamischen Staat verloren, weil sie bei uns keine Perspektive mehr sahen? Sie sind abgerutscht und keiner hat es gesehen.

Warum muss man also einem Christian Klar, der seine Strafe abgesessen hat, die kalte Schulter zeigen, wenn er versucht, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren? Wir könnten ihn selbstverständlich ausgrenzen, aber dann hätten wir die Verantwortung für das zu tragen, was dann noch kommt.


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