Kommentar: Echte Apple-Kritik oder Lobbyismus bei Basic Thinking?

Alexander Trust, den 26. Juni 2015
Basic Thinking - Logo
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Als bekannt wurde, dass Apples Mobile Safari mit iOS 9 Erweiterungen bekommt, und damit auch Adblocker möglich werden, hielt sich „unsere“ Begeisterung als Content-Anbieter in Grenzen. Als ich Apples Presseabteilung zu Apple News befragte, sagte ich später zum Redaktionskollegen Keller, das müssen wir im Auge behalten. Nun veröffentlichte der Chefredakteur einer Webseite, deren Besitzer in Adblock Plus investiert ist, eine kritische – wie ich finde – Fehleinschätzung zur Situation um Apples Safari-Erweiterungen und Apple News, die sehr schön zeigt, dass aus Basic Thinking nicht nur eine Marke werden soll, sondern eine Lobby-Plattform für das Geschäft des Besitzers.

Android war früher dran!

Den ersten Fehler, den Gillen in meinen Augen begeht, ist vor der Fertigstellung seiner Argumentation nicht noch einmal über den Vorwurf nachzudenken, „Apple würde unter dem Deckmantel der Nutzerfreundlichkeit mit Adblock-Extensions Medien und Konkurrenz unter Druck setzen“. Gerade weil doch der Besitzer Basic Thinkings in AdBlock Plus investiert ist, müssten Gillen und Co. es besser wissen. Der Vorwurf, Apple würde die Konkurrenz bedrängen mit einer Funktion, die Android schon seit Jahren bietet, wirkt schon auf den ersten Blick an den Haaren herbeigezogen. Man könnte Apple vorwerfen, dass das Unternehmen viel zu spät diesen Weg für sich erkannt hat. Denn bei Adblock Plus bietet man nicht nur seit Jahren Werbeblocker für Android an, sondern produziert sogar einen eigenen Browser mit Adblock-Funktionalität für das System. Warum ist es nun bei Apple problematisch, wenn es genau das gleiche zulässt, was Android schon lange erlaubt? Diese Frage stellt Gillen sich nicht.

Falsche Beispiele

Dass Gillen zudem Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Situation hat, zeigt sein Verweis auf eine Untersuchung von Nieman Lab, derzufolge die New York Times zwar 50% ihres Besucherstroms über mobile Geräte erhält, aber nur 10% der Werbeumsätze darüber erzielt. Wissenschaftlich würde man sagen: ein Negativbeispiel würde die ganze Argumentation über den Haufen werfen. Man muss Gillen gar nicht fragen, warum die iOS-Adblock-Funktion so relevant sei, wenn doch Android-Nutzer bereits lange Zeit Adblocker nutzen können. Denn das ist gar nicht das Problem. Es hätte bereits gereicht, wenn Gillen als „Geschäftsführer“ von Basic Thinking, der er ist, einfach die Werbeumsätze der Webseite vor dem Verkauf, bzw. vor der Übernahme durch den Adblock-Plus-Investor zur Hand genommen hätte, um festzustellen, dass es Webseiten gibt, die auf mobilen Endgeräten sehr wohl Umsätze erzielen, auch prozentual mehr Umsätze als die New York Times es tut, weil sie besser an die Plattformen und ihre Anforderungen angepasst sind. Gillen wirkt in diesem Fall wie der Kriminologe Pfeiffer, der sich Statistiken zurechtbiegt, um damit Amokläufe durch Computerspieler zu begründen. Die New York Times weist Ähnlichkeiten zum StudiVZ auf, das, anders als Facebook, nicht in der Lage war, alle Kanäle ausreichend zur Monetarisierung zu nutzen. Bei StudiVZ lag es an Holtzbrinck, dessen Manager die Vermarktung des Social Networks nach dem Schema durchführten, das sie aus dem Print kannten, und online aber nicht funktionierte. Es gibt moderne Onlinemedien, die sehr wohl ganz viele Möglichkeiten der Monetarisierung zu nutzen wissen – sicher auch mehr als Macnotes. Doch schon in unserem Fall zeigt sich ein Negativbeispiel zur New York Times, das das Argument Gillens hinfällig werden lässt. Die nachfolgende Grafik zeigt die Verteilung der Werbeeinnahmen über einen von mehreren Kanälen – in diesem Fall Google Adsense. Man erkennt deutlich, dass Tablets und High-End-Mobilgeräte rund 50% der Einnahmen erzeugen. Dass das die New York Times nicht hinbekommt, bedeutet nicht, dass es nicht funktioniert und sowieso nicht, dass Apples Erlaubnis für Adblocker unter iOS 9 sofort zum Wegbrechen von Einnahmen für Webseitenbetreiber führen wird.

Sascha Pallenberg hat Adblock Plus mal ein mafiöses Werbenetzwerk genannt, in das Basic Thinking nun, je länger man darüber nachdenkt, als Waschmittel für vermeintlich weiße Wäsche eingetaucht wird.

„Offenlegung: Am 30. April 2015 wurde BASIC thinking von Tim Schumacher gekauft, der ebenfalls ein Investment in Adblock Plus hat. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, hat Tim Schumacher keinerlei redaktionellen Einfluss, selbstverständlich auch nicht auf diesen Beitrag. Dieser obliegt in vollem Umfang bei Chefredakteur und Geschäftsführer Tobias Gillen, dem Autor dieses Beitrags.“
Tobias Gillen (Basic Thinking)

Echte Kritik oder Lobbyarbeit?

Als Leser von Gillens Artikel, der eine ganze Redaktion von einen auf den anderen Tag weiterführt, obwohl das einstige Verdienstmodell Werbung von jetzt auf gleich wegfiel, wird man den Verdacht nicht los, dass da mehr dahinter stecken „könnte“ als der Versuch der Aufklärung über „Apples Machenschaften“.
Gillen kommuniziert meines Erarchtens lediglich die Sorge, die die Betreiber von Adblock Plus haben und dient diesen als Sprachrohr. Wenn nämlich Apple mit der Plattform Apple News Erfolg haben sollte, wird der Konsum von Nachrichten in ein geschlossenes, proprietäres System verlagert, auf das die Besitzer von Adblock Plus keinen Zugriff haben und an dem sie nicht mehr mitverdienen können.

Gillen ist diesbezüglich an einem zweiten Punkt einem Irrtum unterlegen. Denn seine Kritik an der Funktion von Apple News ist insofern ebenfalls ungerechtfertigt als er abermals etwas unter den Teppich kehrt, oder vergisst, oder gar nicht wusste. Denn Flipboard, das zurecht darauf hinwies, Apple würde 5 Jahre später die gleiche Funktionalität anbieten wie der eigene Dienst, war zuerst da. Flipboard ist ein RSS-Reader, der Nachrichten in einem Magazin-Layout aufgewertet hat, ohne dafür allerdings die Inhalte-Anbieter an möglichen Einnahmen teilhaben zu lassen.
Noch heute, 5 Jahre nach der Einführung von Flipboard, können lediglich Großkunden Verträge mit der Plattform aushandeln. Apple News hingegen wird, wenn die Probephase vorbei ist, ähnlich dem App Store, Nachrichten-Anbietern eine Plattform anbieten, auf der sie mittels Werbung Geld verdienen können.
Macnotes hat monatlich ein paar tausend Besucher, die über Flipboard zu uns kommen. Die Zahl derer, die auf der Plattform bleiben und nicht unsere Webseite besuchen, ist statistisch gesehen um ein Vielfaches höher. Der Service steigert mit Sicherheit unsere Reichweite, doch macht sich das nicht in jedem Fall in unserem Geldbeutel bemerkbar.

Endlich kontrolliert jemand die Werbung

Was Gillen als Nachteil interpretiert, vielleicht, weil er selbst so denkt, oder vielleicht weil der Besitzer von Basic Thinking als Investor in Adblock Plus es fürchtet, ist die zunehmende Kontrolle Apples über den Werbemarkt mit der Einführung von Apple News. Denn das Geschäftsmodell von Adblock Plus funktioniert nur über den Browser.
Es ist sicherlich richtig, dass, wenn Apple News ein Erfolg wird, Google an Werbeeinnahmen einbüßen wird, und Apple über seine iAds hingegen davon profitieren wird, weshalb ich grundsätzlich die Idee hinter dem Artikel Gillens nicht infrage stelle, wohl aber seine Absichten.

Doch was bedeutet das Szenario „Siegeszug von Apple News“ am Ende für den Nutzer? Ihm oder ihr kommt die Kontrolle durch Apple meines Erachtens zugute. Denn der iPhone-Hersteller wird nur Werbung zulassen, die gewissen Kriterien entspricht. Damit wird eine immer größer werdende Gefahr von Malware eingedämmt, die über Werbung auf Webseiten auf die Computer, Smartphones und Tablets der Nutzer wirkt.


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