Nähkästchen #4: Von der Unabhängigkeit, dem Umgang mit Marketing-Max und seinen Repressalien
Alexander Trust, den 29. Januar 2015Im vierten Nähkästchen möchte ich ein anderes Thema anschneiden, das auf den ersten Blick nicht so „intern“ wirkt, wie die bisherigen Beiträge. Als Nachrichten-Magazin, für das ich Macnotes halte, gibt es gewisse Vorgaben, die „ich“ erfüllt wissen möchte. Zu diesem Anspruch zählt eine gewisse Unabhängigkeit, die in der Vergangenheit vielleicht nicht immer so gelebt wurde, wie ich es mir gewünscht habe. Das liegt dabei ebenfalls am Wirken von Marketing Max und PR Paul, wie ich die typischen PRler und Marketeer nennen möchte, die nur versuchen ihre Arbeit zu machen.
Bevor ich ans Eingemachte gehe: Für die kommenden Wochen plane ich einen oder mehrere Artikel, die die Besucherzahlen und/oder die Identität der Besucher von Macnotes thematisieren, und vielleicht wird es mir möglich sein auf die Umsatzsituation des Magazins heute und in den letzten Jahren genauer einzugehen. Letzteres kann jedoch kein Versprechen sein, da ich als (freier) Mitarbeiter nicht ohne Einwilligung über derlei Dinge sprechen kann. Zu meiner Meinung über den 3GStore und meinen Erfahrungen bezüglich Budgets und Motivation oder der Hierarchie von Macnotes, die manchmal hinderlich war, und die ich in den Nähkästchen davor beschrieben habe, stehe ich – jederzeit.
Der Einfluss von PR
Marketing Max steht stellvertretend für viele Mitarbeiter im Bereich Public Relations und ist angelehnt an Max Mustermann. Darüber hinaus muss ich noch vorwegschicken, dass die folgenden Gedanken zum Teil Beobachtungen, zum Teil aber eigenen Erfahrungen entspringen. Nur gelten diese Annahmen trotzdem nicht für alle Beteiligten, die jemals bei Macnotes tätig waren und ich selbst kann mich nicht von allem freisprechen.
Täglich erreichen uns hunderte, manchmal über tausend E-Mails mit Hinweisen von PR-Agenturen oder einfach nur einzelnen Personen, die eine App entwickelt haben, die ein Buch geschrieben haben, usf. Manchmal möchte man einfach den Stecker ziehen, wenn nur das liebe Geld nicht wäre. Darüber hinaus haben wir immer mal wieder persönlichen Kontakt mit Personen aus dem Marketing und der PR, viele von denen sind harmlos und manche im richtigen Leben sogar sehr sympathisch. Beide Bereiche – PR und Marketing – überschneiden sich, sind aber nicht in jedem Fall identisch.
Wenn PR Meinung beeinflussen will
Welchen Einfluss hat die PR auf die Unabhängigkeit von Macnotes als Nachrichten-Format (gehabt)? Das kommt darauf an. Zum Beispiel habe ich es in meiner Zeit bei Macnotes nicht erlebt, dass aus bloßer Gefälligkeit etwas geschönt wurde, selbst wenn man den PRler kannte. Das heißt aber nicht, dass es nicht trotzdem passiert sein könnte. Viele werden wissen, dass Studien gezeigt haben, dass Tests und Arbeiten anonymisiert „besser“, d. h. neutraler bewertet wurden, weil Lehrer X, Y nicht seine Vorannahmen über Herkunft des Schülers in seine Bewertung mit hat einfließen lassen. Schließlich sind wir alle nur Menschen.
Wenn man noch nie mit PRlern zu tun gehabt hat, dann muss man verstehen lernen, dass ihr Job eine Dienstleistung an der eigenen Firma ist. Diese versuchen sie möglichst gut auszuführen, und das geht aber nicht immer gut mit den Bedürfnissen und Anforderungen der Übrigen zusammen. Ich saß schon an einem Tisch mit Leuten, die ein Produkt schön geredet haben, und meine Kritik nicht hören wollten. Das fand ich in der Situation ignorant und vermied weitere Aufeinandertreffen mit den Schönwetterrednern auf Messe-Terminen, wenn es mir möglich war. Ich bin definitiv nicht der Typ für Smalltalk und will auch nicht bei jedem gut ankommen. Dass dann Monate später das Produkt wegen mangelnden Erfolgs vom Markt genommen wurde, war für mich Bestätigung genug. Tatsache ist aber, dass so etwas im menschlichen Miteinander nur sehr schwer zu ertragen ist. Denn: PRler sind vermeintlich immer gut drauf, lächeln viel und vom Typus Lila-Laune-Bär. Natürlich kenne ich Ausnahmen, denen ich mit Respekt begegne und ihnen für ihre offene und ehrliche Zusammenarbeit danke, weil dies nicht selbstverständlich ist.
Wenn PR Grenzen überschreitet
Mir sind mehrere Fälle bekannt, manche aus eigener Erfahrung, bei denen PR-Abteilungen versucht haben, Ergebnisse von Test-Berichten zu schönen. Das ist nun wahrlich kein neues Thema. Manchmal wurde es für eine Firma X sogar zum PR-Gau, weil dieses Verhalten in den Medien durch prominente Mitstreiter angeprangert wurde und die Runde machte. Mancher übereifrige PR-Manager verlor deswegen schon seinen Job, weil die Firma ihn als Bauernopfer hinstellen konnte, um das eigene Image zu beschönigen.
Immer wenn so etwas eintrifft, ist es eine ernüchternde Situation. Man schreibt einen Test, bewertet ein Produkt, kommt zu einem Urteil. Wie es im Leben so ist, bekommt man die Rückmeldung häufig nicht, wenn PR Paul mit der Meinung zufrieden ist, sondern eher wenn das Gegenteil der Fall ist. Dann erhält man manchmal einen Anruf oder häufiger eine E-Mail. Es wird einem erklärt, dass aber doch Magazin XY oder der Durchschnitt bei Metacritic (deutlich) besser bewertet hat als wir. Der Ausgang dieser Gespräche ist nie gleich. Denn selbst ich habe mich schon belehren lassen, wenn ich im Unrecht war oder zumindest andere Perspektiven vorgestellt bekommen und dann annehmen können. Tatsächlich sind Tests sehr subjektiv. Technische Apparaturen oder Software, die beim Test womöglich zum Einsatz kommen, versuchen der „Meinung“ noch etwas Objektivität hinzuzufügen, bspw. in Form von Benchmarks.
Doch wenn das nicht der Fall ist und man von allen Seiten an ein Produkt herangetreten ist und die Gegenseite trotzdem nicht zufrieden ist und für Argumente nicht empfänglich, dann werden Grenzen überschritten. Zuletzt habe ich 2012 jemandem offen und ehrlich gesagt, dass ich hoffe, dass seine Versuche, unsere Meinung zu beeinflussen, nicht zu ernst genommen werden müssten. Wir können gerne in der Zukunft davon absehen, weiterhin bemustert zu werden, würden aber unser Review nicht nachbessern. Man muss sich nur vorstellen, das PR Paul ja nicht nur bei uns anruft, sondern auch bei der Konkurrenz, und überall versucht noch ein wenig mehr rauszuholen. Dass dann unterm Strich Produkte wegen dieses Drucks von außen, der da aufgebaut wird, unnötig besser bewertet werden, ist für mich unhaltbar.
PR Paul wiegelte ab, er wollte „natürlich“ keinen Druck ausüben, und seitdem haben wir keine Testmuster mehr erhalten. Diese Situation hat mich damals dazu bewogen, schon im Vorfeld viele Tests abzusagen, bei denen ich genau wusste, dass meine Meinung über das Produkt nicht die beste sein wird. Es ist wesentlich angenehmer, wenn man nicht unter dem Druck steht, positiv bewerten zu müssen.
Dass ich mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halte, wissen einige Stammleser von Macnotes. Einige von ihnen haben sogar ebenfalls in Kommentaren versucht meine Kritik an einem Produkt X zu relativieren und mir meine Meinung nicht gestatten wollen. Das gehört aber dazu und damit kann man gut leben. Denn schließlich macht das den Charakter von „Meinungen“ aus.
Der Einfluss von Marketing
Ein Kollege von einem von Deutschlands größten Spielemagazinen hat mir auf einem Event einmal erklärt, dass er vor allem zum Händeschütteln dort hingeht, weil die Firma XY ja ein großes Werbebudget beim eigenen Magazin gebucht hat. Ob das jemals zu Kulanz bezüglich von Testergebnissen geführt haben könnte, mag ich nicht zu beurteilen.
Doch es gibt Leute, die ich kenne, die sich von solchem Druck einerseits beeinflussen haben lassen und andererseits, in ganz anderen Fällen einfach unterschwellig eine Scheu hatten, ein Produkt zu schlecht zu bewerten, weil das ja negative Auswirkungen haben könnte. Das war zum Beispiel dann der Fall, als man an Macnotes herantrat, das Produkt XY vorzustellen und wir dafür bezahlt wurden.
Diese Situation wird es seit der Übernahme des Magazins im Juli 2014 nicht mehr geben. Ich habe meine Mitarbeit daran geknüpft, dass alle gekauften Beiträge als solche gekennzeichnet werden und Sponsored Posts ebenfalls Google-konform nur mit nofollow-Links ausgezeichnet werden. Insofern bin ich Google in diesem Punkt dankbar, dass es Richtlinien versucht durchzusetzen und mit der Qualität und dem Ranking von Webseiten verknüpft. Es ist okay, wenn man Produkte vorstellen soll und dafür bezahlt wird, es ist aber nicht okay, wenn mit der Bezahlung gleichzeitig eine Meinung gekauft wird. Die gehört mir und ist unverkäuflich.
Wenn Marketing Meinung beeinflussen will
In meinen Jahren bei Macnotes habe ich einige Telefonate mit Marketing-Leuten führen müssen. Besonders im Gedächtnis bleibt mir dabei eines mit Marketing Max aus dem Ruhrgebiet. Dieser Mitarbeiter einer Agentur, die durchaus große Firmen zu seinen Kunden zählt, wollte, dass wir eine App vorstellen. Mich beschlich das Gefühl, dass man mich am Telefon dazu bewegen wollte, mir eine Meinung zu bilden, ehe ich mir das Produkt angesehen habe. Wie eifrig dieser Marketing Max war, zeigt sich daran, dass ich in einer Woche gleich mehrere Anrufe von ihm bekam. Das Ende vom Lied war, dass ich besonders aufmerksam war und mich beim Schreiben dabei ertappte, wie ich über diesen Sachverhalt zu viel nachdachte. Also sammelte ich schon während des Tests sehr viele Argumente für die spätere „Verteidigung“ meiner Meinung. Man könnte es auch einfach sehr viel Feedback nennen, das der Ruhrgebiets-Marketeer von mir bekam. Letztlich musste er sich damit zufrieden geben, dass ich seinerzeit nur 3,5 von 5 Macs für sein Produkt vergab und ich konnte aber zufrieden sein, dass – und ich habe es kontrolliert – mein Feedback in die Entwicklung der App eingeflossen ist.
Weil es jedoch nicht der letzte Auftrag aus dem Ruhrgebiet blieb, und Macnotes sehr viele Kontakte in das Online-Marketing unterhielt, trat ich in der Folge deutlich konsequenter auf. Das führte sogar zu Diskussionen mit Vorgesetzten. Zwar wurde mir nicht gesagt, was ich zu tun hatte, weil ich das nicht mit mir hätte machen lassen, aber in der Folge wurde ich Gott sei Dank von der leidigen Aufgabe befreit, solche Auftragsarbeiten anfertigen zu müssen, die dann andere machen mussten.
„Es tut, was es soll“
Ganz unabhängig davon, was ich bis hierhin geschrieben habe, habe ich es nicht erlebt, dass Marketing-Leute versucht haben, Grenzen zu überschreiten, anders als es bei PRlern passiert ist. Und ebenfalls ganz unabhängig davon, gab es immer mal wieder eine Diskussion um das Urteil „Es tut, was es soll“. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass ein Urteil wie dieses mir zu wenig ist, für eine besonders gute Wertung. Ob dies der eine oder andere ehemalige Macnotes-Mitstreiter im Kontext von PR- oder Marketing-Aktionen genauso gehalten hat, kann ich ehrlich nicht beurteilen. Als Macnotes noch in Bochum ansässig war, war ich dort lediglich zu „konspirativen“ Treffen anwesend und arbeitete all die Jahre und auch heute von zu Hause aus, oder eben unterwegs, je nachdem, wo das gerade ist.
Sehr wohl erinnere ich mich aber an zweierlei: Zum einen gab es dieses Urteil in viel zu vielen Tests auf Macnotes, weshalb es bei mir und manchen Personen meines Vertrauens als Running-Gag durchging. Sich darüber zu amüsieren ist aber nicht moralisch verwerflich.
Darüber hinaus erinnere ich mich an eine Diskussion mit Max als er dieses Urteil ebenfalls einmal verwendete und damit eine gute Wertung begründete. Dieses Mal meine ich nicht den anonymen Marketing Max, sondern denjenigen, der oft für Macnotes den Liveticker zur WWDC bedient hat, oder den Lesern von Macnotes gezeigt hat, wie man mit einem Lumia aus dem Apple-Ökosystem ausbrechen kann. Dass ich ihn erwähne, liegt daran, dass er das Akkupack, das er getestet hat, aus dem eigenen Geldbeutel bezahlte und damit ein absolut reines Gewissen hat. Es gab niemanden, der von ihm ein geschöntes Urteil hätte erwarten wollen. Max hatte das Gefühl, das Akkupack tut was es soll, und ich die Verpflichtung, mit ihm als Chefredakteur zumindest darüber zu sprechen. Er hat diesbezüglich seine Meinung und ich meine. Beide können wir damit gut leben und ich denke und weiß sogar, dass er mit seiner Einstellung nicht alleine ist. Denn tatsächlich gibt es genügend Produkte, die eben nicht das tun, was sie sollen, und also kann man es als positives Merkmal in die Wertung hineinziehen.
Bei Max hatte das Gerät noch eine Wertung à la X von Y Macs, die nahe am Optimum lag. Mittlerweile, im Zuge der Überarbeitung vieler Artikel hier auf Macnotes, hat es das nicht mehr. Die heutigen 5 von 10 Punkte sind ein Ausdruck dessen, was ich aus dem Review herauslese, und beispielsweise in Form von Pro und Contra teilweise unter den Reviews festhalte. 5 von 10 Punkten bedeutet für uns: Es tut, was es soll. Oder besser: Es hat unsere Erwartungen erfüllt. Uns, das sind mindestens Kollege Keller und ich, die wir vor Jahren mal URS entwickelt haben, das „Unified Rating System“, eine offene Spezifikation für ein Bewertungssystem. Es kommt auf 2 Spiele-Seiten, und einer Tech-Seite, sowie mittlerweile auf Macnotes zum Einsatz. Wir sind der Auffassung, dass man einerseits sowieso nicht volle Punkte vergeben kann, weil immer noch Luft nach oben ist. Andererseits haben wir den Anspruch, dass Nachfolger von Produkten in jedem Fall besser sein müssen, um die gleiche oder eine bessere Wertung zu bekommen. In einer Trilogie kann der dritte Teil entsprechend, wenn er „nur so gut“ wie die übrigen Teile ist, nicht genauso gut abschneiden wie der erste, der ja die Wertung durch etwas Generisches verdient hat.
Zum Abschluss des vierten Nähkästchens: Wie kam ich überhaupt dazu, es zu verfassen? Beim Aufräumen von Altlasten hab ich ein Review gefunden, in denen Leser in den Kommentaren genau so etwas kritisierten.
Weitere Teile der Reihe Nähkästchen
- Nähkästchen #7: Schubladen, Vorurteile und Trolle
- Nähkästchen #6: Garstiges
- Nähkästchen #5: Früher war alles anders…
- Nähkästchen #3: Wenn HTML und CSS ein Problem werden und gleichzeitig die Lösung sein können
- Nähkästchen #2: Budgets, motivatorische Effekte und deren Folgen
- Nähkästchen #1: Mitarbeitersituation, Altlasten 3GStore und Co.