Apple und Foxconn: Arbeitsbedingungen in China verbessern sich
mz, den 29. Dezember 2012Nach zahllosen Skandalen, Streiks und sogar Selbstmorden beim größten Elektronikkonzern der Welt, Foxconn, scheinen sich die Bedingungen, unter denen die über eine Million Arbeiter im Süden Chinas Geräte für Apple, Dell und Co. zusammenbauen, langsam zu verbessern. Die New York Times hat ein Dreivierteljahr nach dem Beginn der Verbesserungsmaßnahmen einen Blick auf einen der Betriebe geworfen, und siehe da: Im kleinen sind tatsächlich Verbesserungen zu erkennen.
Vor knapp elf Monaten hatten die Zustände in den Fabriken von Foxconn es zum ersten Mal in einen größeren Artikel der renommierten New Yorker Tageszeitung geschafft. Es ging dort um die Produktphilosophie von Apple, den Perfektionismus von Steve Jobs, die soziale Ader von Tim Cook – aber auch um die tatsächliche Situation in den Fertigungsstätten des taiwanesischen Großkonzerns Foxconn. Über die vielen Probleme dort haben wir vielfach berichtet und das bleibt in den Köpfen – auch wenn der letzte Selbstmord, über den in den Medien groß berichtet wurde, über eineinhalb Jahre zurückliegt.
Nach der gesteigerten Aufmerksamkeit durch den Artikel aus dem vergangenen Januar allerdings begann die Konzernführung bei Apple und Foxconn, sich intensivere Gedanken um Lösungen für die akuten Probleme zu machen – auch, wenn es in dem Report in erster Linie darum ging, dass bestimmte Produktionslinien doch ohne größere Probleme auch wieder in die USA wandern könnten.
Im März gab es ein Treffen hochrangiger Manager beider Firmen, um die Lage zu besprechen, anwesend waren auch Vertreter der international tätigen Fair Labor Association, um ein Auge auf die Arbeitsbedingungen in den Foxconn-Fabriken zu werfen. Gemeinsam wurden Maßnahmen zur schnellen Vebesserung der Situation beschlossen.
Im neuen New-York-Times-Report wird eine Frau Pu als Aufhänger für die neuen Entwicklungen angeführt:
One day last summer, Pu Xiaolan was halfway through a shift inspecting iPad cases when she received a beige wooden chair with white stripes and a high, sturdy back.
KEITH BRADSHER und CHARLES DUHIGG, New York Times
Der neue Stuhl für eine bessere Rückenhaltung bei der Überprüfung von iPad-Rückseiten steht dort sinnbildlich für eine ganze Reihe von neuen Ideen, die zügig umgesetzt wurden und für die Arbeiter in der Fabrik in der Metropole Chengdu kleine, aber deutliche Änderungen im Alltag bedeuten.
Im Übrigen wird oft kolportiert, Apple sei an den schlechten Arbeitsbedinungen der letzten Jahre insbesondere bei Foxconn verantwortlich. Dies ist keineswegs der Fall. Einerseits lassen viele andere Elektronikkonzerne wie Dell, Samsung, LG, Sharp und viele mehr bei Foxconn fertigen und haben sich bis vor kurzem ebensowenig um die Situation der Arbeiter geschert, andererseits ist Foxconn bei weitem nicht der einzige Zulieferer, bei dem nach unseren Maßstäben sowohl im Bezug auf Arbeitsschutz als auch auf die Bezahlung kaum tragbare Zustände herrschen.
So sind nach dem Führungstreffen auch andere Hersteller auf den neuen Zug aufgesprungen: Auch Intel, Hewlett-Packard überdenken nun ihre Strategien in Bezug auf Kooperation mit Zulieferern in Fernost – augenscheinlich als Reaktion auf den ersten Schritt, den Apple gemacht hat. Im Artikel werden unter anderen folgende Maßnahmen genannt, die den Angestellten in China zugute kommen:
- Ab Juli 2013 wird kein Arbeiter mehr als 49 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Diese Beschränkung ist in China Gesetz, aber bisher stand in den Wochenplänen vieler Arbeiter eine Arbeitszeit von über 100 Stunden.
- Die Löhne werden teilweise um bis zu 50% erhöht, damit das Einkommen der Arbeiter trotz der Reduktion der Arbeitszeit in etwa dasselbe bleibt.
Zur Wiederholung: Foxconn hat 1,4 Millionen Angestellte allein in China – soviel wie kein anderes privates Unternehmen. Dazu sagt Tony Prophet, SVP bei HP:
“When the largest company raises wages and cuts hours, it forces every other factory to do the same thing whether they want to or not”.
Tony Prophet
Und tatsächlich: Auch in anderen Fabriken tut sich etwas, In Chongqing, der größten Stadt der Welt, gibt es einen Fabrik von Quanta, einem weiteren großen Zulieferer. Hier wird für HP produziert. Unter den tausenden Arbeiten befinden sich Angestellte, die für nichts anderes bezahlt werden als Unterhaltungen mit den Kollegen und die Sammlung von Beschwerden. Es gibt hier mittlerweile ein eigenes Team von Psychologen zur individuellen Betreuung persönlicher Probleme. Ein kostenloses Kino steht den Arbeitern zur Verfügung, ebenso wie ein Fitnessstudio, zwei Karaoke-Bars, eine riesige Cafeteria und eine Aerobic-Halle.
HP lässt – wie viele Hersteller – von Quanta und Foxconn produzieren. Ein Vergleich sei hier sehr schwierig. Die Arbeitszeiten bei Quanta und die Freizeitmöglichkeiten für die Abertausende von Wanderarbeitern, die in den Städten ihr Glück versuchen, während die Familien auf dem Land zurückbleiben und auf das Einkommen ihrer Kinder angewiesen sind, sind leicht besser. Bei Foxconn gibt es dafür mittlerweile etwas mehr Lohn als beim Konkurrenten.
Wieder einmal ist vor allem eines zu beobachten: Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Apple ist weder die 100% verantwortungsvolle Firma, für die sie sich ausgibt, noch der große Böse der Branche, der für den Profit über Leichen geht. Und zwar genausowenig wie die meisten anderen Firmen. Gleichzeitig sind nicht sofort alle Probleme der Welt gelöst, nur weil Arbeiter, die lange sitzen müssen, bequemere Stühle erhalten. Dennoch verändert sich für die Betroffenen dadurch etwas zum Positiven. Und die Probleme, die es bei Foxconn gibt, sind nicht auf diesen zugegeben riesigen Zulieferer beschränkt. Gleichermaßen gibt es sogar Arbeiter, die sich über die Verkürzung der Arbeitszeiten beschweren. Sie wollen mehr also 60 Stunden pro Woche arbeiten.
Dennoch: Apple, Foxconn und die anderen Beteiligten haben – vorrangig durch die vielen Proteste und das folgende Interesse der internationalen Medien – begriffen, dass sich etwas ändern muss. Diese Änderungen werden für uns möglicherweise weitere Konsequenzen in Gestalt höherer Preise haben. Definitiv aber ist eines: Jede noch so kleine Verbesserung, wie wir sie hier beobachten, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Es gibt auch eine passende Video-Reportage zum Thema:
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