iTunes Match im Test: Musik aus der Cloud für iPhone, iPad, Mac und Co.
Stefan Keller, den 27. Dezember 2011Lang hat’s gedauert, doch quasi als verfrühtes Weihnachtsgeschenk gibt es von Apple seit gut einer Woche iTunes Match auch in Deutschland. Wir haben uns den Service für euch angesehen und sagen euch, ob die Versprechen gehalten werden können.
Ausgangssituation
Als Ausgangssituation dient meine Mediathek, die einerseits gut und andererseits quer durch den Gemüsegarten bestückt ist. Dort finden sich gut 10.400 Lieder von 174 Interpreten aus 39 Genres. Stilistisch ist alles mögliche dabei, von den großen Kategorien fehlt nur Klassik. Ansonsten fand der Abgleich mit einem iMac mit i7-Prozessor und DSL 6000 statt (640 kBit/s Upstream). Die Musik liegt zum größten Teil als MP3 auf der Festplatte, die Bitrate variiert. Ältere Stücke wurden seinerzeit mit 128 kbps encodiert, neuere haben entweder eine variable Bitrate oder 320 kbps. Encodiert wurde in der Regel mit der neusten Version des freien LAME-Encoders.
Kreditkartenzwang
Wer – so wie ich – iTunes bislang ausschließlich über Prepaid-Karten verwendet hat, kann iTunes Match ohne weiteres nicht verwenden. Die AGB und iTunes selbst weisen darauf hin, dass unbedingt eine Kreditkarte hinterlegt sein muss. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass von ihr abgebucht wird, Apple braucht anscheinend nur das gute Gefühl, das Abonnement nicht kündigen zu müssen, weil das Guthaben nicht ausreicht. Wenn das Guthaben oberhalb der Jahresgebühr von 24,99 Euro liegt, wird jenes verwendet, ansonsten wird von der hinterlegten Kreditkarte abgebucht. Wer überhaupt keine Kreditkarte besitzt, kann wahlweise den der Telekom gehörenden Dienst ClickandBuy nutzen, wobei die Anmeldung hierbei etwas kompliziert ist (zumindest wenn man Bankeinzug nutzen will). Es muss eine 0180-Telefonnummer angerufen werden, um das Konto freizuschalten. Danach wird ein Cent auf das eigene Konto überwiesen mit einem vierstelligen Bestätigungscode, der online eingegeben werden muss. Das allerdings wollen wir nicht Apple zur Last legen, dient rein der Information und ist vor allem an kreditkartenlose Leser gerichtet.
Was „gematcht“ wird und was nicht
Wenn iTunes zufrieden ist und die Zahlung erhalten hat, geht das „Matchen“ der Mediathek los. Zunächst sammelt iTunes Daten zur Mediathek. Der spannendere Schritt ist der zweite, hierbei werden Lieder mit jenen im iTunes-Store abgeglichen. Was an dieser Stelle durch das Raster fällt, wird im dritten Schritt hochgeladen, wenn es um „Grafiken und die restlichen Songs“ geht.
Was relativ zeitig auffällt, ist, dass sich iTunes Match wirklich nur um die Musik kümmert. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist ganz klar, dass auch nicht perfekt getaggte Songs die Chance auf Matching haben. Nachteil hingegen ist, dass man so nicht umhinkommt, seine Lieder selbst taggen zu müssen. Meta-Informationen, etwa die Kommentarzeile, bleiben erhalten, selbst wenn man sich die 256 kbps-AAC-Version herunterlädt. Ähnliches trifft auf CD-Cover zu.
Gematcht wird, was im iTunes Music Store verfügbar ist. Es wird das Klangbild abgeglichen, das auf der Festplatte und im Store weitestgehend identisch sein muss, iTunes Match lässt nur sehr wenig Spielraum für Abweichungen. Bei kürzeren Liedern (beispielsweise „Die Ärzte – Rock’n’Roll Realschule“ Track 4: „Meine Ex(plodierte Freundin)“ reichte ein Encodierungsfehler, um das Matching fehlschlagen zu lassen, während alle anderen Lieder des Albums gefunden wurden. Abhilfe schaffte das erneute Importieren des betroffenen Songs. Übrigens ist relativ viel im Store zu finden, so beispielsweise die Economy-Edition von „Jazz ist anders“ (ebenfalls von Die Ärzte), die iTunes vom richtigen Album unterscheiden konnte. Was nicht „gematcht“ wird, sind indizierte Lieder, beispielsweise die Studio-Version von „Der Ritt auf dem Schmetterling“ (auf „Nach uns die Sintflut“). Was Live-Alben angeht, hat iTunes nach ausgiebigem Testen die richtigen Versionen gefunden, die Übergänge zwischen zwei Liedern sind sauber. Nur bei einem Song fiel uns ein kleiner Schnitzer auf. Es handelt sich um J.B.O. „Meister der Musik“, der Übergang zwischen Song 19 und 20. Titel 19 ist gesprochener Text und Nummer 20 beginnt mit dem Ende von Track 19. So ist das Ende von #19 „Die Verteidiger des Blödsinns“ und der Beginn des nachfolgenden Liedes „iger des Blödsinns“ – die beiden Tracks auf der Festplatte hatten diesen Fehler nicht.
Die Sportfreunde Stiller, R.E.M. und Serum 114 wurden allesamt komplett erkannt – allerdings waren das in unserer Auswahl auch schon die drei Interpreten, die fehlerfrei und komplett erkannt wurden. Bei allen anderen war „hier und da“ etwas, was nicht im iTunes Store gefunden und daher hochgeladen wurde.
Insgesamt waren wir erstaunt, was iTunes alles im Store anbietet und gleichermaßen enttäuscht, dass doch einiges nicht gefunden wurde – gleichwohl es eigentlich im Store zu finden ist. Etwas mehr als die Hälfte der Mediathek wurde in der iCloud gefunden, 4168 Songs wurden noch hochgeladen. Bei diesem Prozedere hat iTunes 15 GB in die Cloud geladen, entsprechend hat der Vorgang ziemlich genau 3 Tage gedauert. Die Zwangstrennung nach 24 Stunden verursacht hierbei keine Probleme.
Kollege Trust fiel auf, dass anscheinend Hörspiele von Karussell und ehemals Kiosk nicht „gematcht“ werden, an Alf, Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen war eine durchgestrichene Wolke zu sehen.
Limitierungen des Algorithmus
Lieder werden nur dann „gematcht“ (oder das Hochladen in Erwägung gezogen), wenn sie eine Bitrate von mindestens 96 kbps aufweisen. Obwohl iTunes selbst zwar keine Probleme mit variablen Bitraten (LAME-Implementierung) hat, scheint der Match-Algorithmus das anders zu sehen. Hier wird anscheinend nur der Anfang des Liedes betrachtet (der auch im Informationsdialog zu sehen ist). Bei Songs mit variabler Bitrate kann es also vorkommen, dass am Anfang weniger als 96 kbps verwendet werden und dann wird das Lied weder gematcht, noch in die Cloud hochgeladen. Hieran sollte Apple unbedingt noch arbeiten und beispielsweise die durchschnittliche Bitrate über die gesamte Datei hinweg ermitteln.
Limitierungen des Dienstes
iTunes Match, obwohl nur gegen eine Gebühr nutzbar, hat einige Limitierungen. Hierunter fällt beispielsweise, dass die Mediathek nur 25.000 Lieder beinhalten darf, die nicht bei iTunes gekauft wurden. Andernfalls wird das Matchen verweigert. Abhilfe schafft, die Mediathek zu entrümpeln oder mit einer zweiten Mediathek zu arbeiten. Wie bereits weiter oben beschrieben, müssen die Lieder außerdem eine Bitrate von mindestens 96 kbps aufweisen und dürfen eine Dateigröße von 200 MB nicht überschreiten. Lieder, die aus derlei Gründen aus dem Raster fallen, sind in der Cloud nicht verfügbar. Des Weiteren können nur 10 Geräte für den Zugriff auf die Mediathek in der Cloud freigeschaltet werden.
Außerdem werden Songs mit DRM von iTunes nicht gematcht, sondern nur hochgeladen. Für ihre Verwendung gelten dieselben Regeln wie offline. Mit einem Trick kann FairPlay allerdings von den Liedern entfernt werden.
Exkurs: DRM entfernen mit iTunes in der Cloud
Wir machen uns hierbei zunutze, dass es bei iTunes keine DRM-behafteten Lieder mehr zum Download gibt und dass zeitgleich mit iTunes Match iTunes in der Cloud in Deutschland gestartet ist. iTunes in der Cloud erlaubt es, vormals gekaufte Medien, beispielsweise Musik, ein weiteres Mal herunterzuladen, ohne den Titel erneut bezahlen zu müssen. Die Lösung ist also relativ trivial: Es wird das mit FairPlay ausgestattete Lied aus der Mediathek gelöscht und per iTunes in der Cloud (iTunes Store, rechte Seite „Gekaufte Artikel“) erneut heruntergeladen – kein Kopierschutz mehr.
Update: Wie Kollege Carsten herausfand, bezieht sich das anscheinend nur auf Musik, die in der Zeit gekauft wurde, als es neben den normalen Angeboten (mit Kopierschutz) Lieder ohne gab, die als iTunes Plus gekennzeichnet waren. Ältere Lieder, die noch mit 128 kbps heruntergeladen wurden, scheinen weiterhin mit DRM ausgestattet zu sein, trotz erneutem Herunterladen.
Upgrade auf die AAC-Version
Als ein weiteres Feature, das man der Konkurrenz voraus hat (neben dem Matchen statt dem Hochladen), wurde das Upgrade auf 256 kbps AAC genannt, wenn ein Lied im iTunes Music Store verfügbar ist. Das hat Apple relativ einfach gelöst. Das Löschen von Liedern besteht nun aus zwei Schritten (optional nur einer): Das Löschen der Musik von der Festplatte und danach aus der iCloud. Löscht man nur von der Festplatte, bleiben die Einträge in der Mediathek erhalten und es bietet sich die Möglichkeit, die Musik aus der Cloud zu laden. Im Falle von gematchter Musik wäre dies die 256 kbps AAC-Version, ansonsten das Original, das im dritten Schritt der Einrichtung hochgeladen wurde.
Übrigens kann, rein von den Zahlen her, das Upgrade auch ein Downgrade sein. Werden MP3s mit 320 kbps gefunden, werden diese trotzdem nur mit 256 kbps AAC abgeglichen. Aufgrund der höheren Klangqualität bei geringerer Bitrate mit AAC dürfte das aber zu verschmerzen sein. Außerdem ist das Upgrade in der iTunes-Mediathek auf dem Computer optional. Es muss übrigens nicht jedes Lied einzeln angewählt werden, im Kontextmenü befindet sich dann der Menüeintrag „Laden“. Wer gleich als erstes vom Upgrade Gebrauch machen möchte, sollte auf die Listenansicht gehen und sich die Spalte „iCloud-Status“ anzeigen lassen und nach ihr sortieren (ggf. einblenden: Menü „Darstellung“, „Darstellungsoptionen…“ – „Gefunden“ bedeutet, dass das Lied als 256 kbps AAC in der iCloud zur Verfügung steht.
Unterschiede zwischen „gematchten“ und gekauften Liedern
Ein interessantes Detail am Rande ist, dass iTunes durchaus Unterschiede macht, ob ein Lied bei Apple gekauft oder nur abgeglichen wurde. Die Musik unterscheidet sich nicht, wohl aber die Meta-Infos, die mit Cmd+I (auf einem Mac) abgerufen werden können. Während gekaufte Musik als solche in den Dateiinformationen auftritt, heißt es bei gematchter Musik, dass es eine „Abgeglichene AAC-Audiodatei“ sei, die vom Account-Inhaber „geladen“ (statt „gekauft“) wurde. Dies ist allerdings nur ein Wasserzeichen, ein Kopierschutz ist nicht enthalten, wie ein unabhängiger Windows-PC ohne Apple-Software zeigte. Dieser wurde vom Internet getrennt, Winamp spielte die Datei dennoch problemlos ab.
Verwendung auf mobilen und stationären Geräten
Der eigentliche Verwendungszweck von iTunes Match ist weniger, seine Mediathek auf Dateien mit hoher Bitrate zu aktualisieren, als vielmehr die komplette Musiksammlung immer dabei zu haben. Auf iPhone, iPod touch und iPad muss hierfür der „iTunes Match“-Schalter in den Einstellungen bei „Musik“ umgelegt werden. Was folgt, ist die Frage, ob man dieses Gerät für iTunes Match verwenden will, gefolgt von einer Passworteingabe. Auf Geräten mit mobilem Internet steht nun die Option zur Verfügung, auch via 3G Musik herunterzuladen. Das ist nicht so abwegig, wie es zunächst klingt: iTunes Match funktioniert in weiten Teilen wie YouTube. Es wird ein Stück aus dem Internet gepuffert und dann abgespielt, während im Hintergrund weitergeladen wird. Dabei wird auf mobilen Geräten nicht am Dateiende aufgehört, sondern der Rest des Albums oder der Playlist wird ebenfalls geladen. Dies folgt dem Gedankengang, dass man in der Regel nicht nur das eine Lied hören möchte. Auf der anderen Seite kann dieses Verhalten schnell in das Inklusivvolumen gehen, weshalb das selektive Deaktivieren des Downloads via UMTS sinnvoll ist. Mit einem WLAN-Internetzugang beginnt die Musik ca. 2-3 Sekunden nach dem Auswählen zu spielen, bei UMTS dauert es geringfügig länger, aber nicht wirklich spürbar. Insgesamt kann man gut mit der „Verzögerung“ leben. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich nur diejenige Musik anzeigen zu lassen, die lokal verfügbar ist. Diese Option bieten alle Geräte.
Genauso funktioniert übrigens auch iTunes auf anderen Rechnern. Man kann seine Mediathek auf dem Desktop-Rechner verwalten und auf dem Laptop nur iTunes Match einrichten und anschließend seine Musik hören.
Fazit
iTunes Match ist eine tolle Sache. Zweckentfremdet dient es dem Upgrade auf 256 kbps AAC, aber auch dass die Mediathek überall zur Verfügung steht, ist nicht zu verachten. Es gibt leider noch ein paar Kinderkrankheiten, beispielsweise das fehlerhafte Erkennen von VBR-MP3s, die Apple beheben sollte. Daneben gegriffen hat iTunes Match nie, dafür wurden einige Lieder aufgrund von Lappalien nicht erkannt. Ärgerlich ist das vor allem, wenn es nur ein Lied im Album betrifft und man dann heraushört, wie 128 kbps MP3 dumpfer klingen als 256 kbps AAC. Alles in Allem ist die Jahresgebühr von rund 25 Euro ein super Angebot von Apple und das Limit von 25.000 Liedern dürfte für die meisten Anwender keine Hürde darstellen. Nicht unerwähnt bleiben sollte aber, dass iTunes Match vor allem von seiner Integration ins Apple-Ökosystem profitiert – wer allerdings ein iPhone, iPod touch oder iPad besitzt, hat auch iTunes auf der Festplatte, weshalb der Punkt im Grunde flach fällt. Mit verbesserten Algorithmen wäre iTunes Match noch besser zu gebrauchen, aber da im Zweifel das Original hochgeladen wird, ist der Dienst mitunter ausgesprochen nützlich – nicht nur, wenn wenig Speicherplatz auf dem iOS-Device zur Verfügung steht.