iOS 5 Hands-On: Das verspricht das Update

mz, den 12. Juni 2011

Am Montag wurde auf Apples WWDC in San Francisco ein Teil der neuen Features in iOS 5 vorgestellt. Wir hatten die Gelegenheit, in den vergangenen Tagen die Entwicklerbeta auf einem iPhone 4 auszuprobieren.

Der neue Startbildschirm mutet sehr elegant an: Der bereits von den iOS-Ordnern (und der OS X Lion-Preview) bekannte Hintergrund wird mit weißer Schrift und schlichten 2D-Icons überlagert. Auf dem ersten Screen nach dem Einschalten fährt eine Kompanie von Wilkommensgrüßen und verschiedenen Sprachen von rechts nach links über das Display – ebenfalls wie in OS X. Danach kann man aussuchen, ob ein Backup via iTunes oder die (noch nicht verfügbare) iCloud einspielen oder aber erst einmal ganz darauf verzichten und sein Gerät gleich benutzen möchte. Diverse Abfragen zu MobileMe, Find my iPhone, etc. hat man bis dahin durchlaufen, damit man auch wirklich keinen Computer für die Ersteinrichtung benötigt.

Kontakte

Apple setzt verstärkt auf Social Media: Neben der bereits erwähnten Twitter-Integration (funktioniert in Safari, Fotos, Maps etc.) stehen auch für Kontakte neue Adressfelder zur Verfügung: Hier finden sich neben Twitter nun auch Bereiche für die Usernamen bei Facebook, Flickr, LinkedIn und Myspace. Diese sind allerdings etwas umständlich zu finden: Während die Bezeichnung „Twitter“ noch selbsterklärend ist, wird der Facebook-Name durch Tippen auf „Profile“ hinzugefügt. Die anderen drei Dienste hingegen werden erst sichtbar, wenn man Twitter oder Facebook auswählt und dann einmal darauf tippt, um zu wechseln. Obendrauf gibt es ein Feld mit der Aufschrift „Eigener Dienst“. Dort können die Kontaktdaten nach Belieben erweitert werden.

Übrigens können nun auch standardmäßig Erinnerungen für Geburtstage von Kontakten konfiguriert werden. Wie auch für andere (sowie ganztägige) Ereignisse können verschiedenste Zeitspannen ausgewählt werden, um eine Erinnerung zwischen fünf Minuten und zwei Tage vorher einzustellen.

Fotos

Sehr angenehm ist die Funktion zum Bearbeiten von Fotos. Wählt man in der Fotos-App eines aus, erscheint in der oberen rechten Ecke der „Edit“-Button. Ein Tipp darauf öffnet am unteren Bildschirmrand eine Leiste mit vier Symbolen: Drehen (ausschließlich nach links), One-Touch-Enhancer, Rote-Augen-Reduktion und Zuschneiden. Zwar muss nach jeder Einzelaktion das Bild erst gespeichert und dann bei Bedarf wieder neu bearbeitet werden, dennoch dürfte diese Neuerung des öfteren den Weg in umfangreichere Bearbeitungs-Apps sparen. Außerdem clever: Tippt man noch einmal auf „Edit“, kann man z. B. den One-Touch-Enhancer wieder vom Bild entfernen, anstatt dass die Funktion noch einmal angewendet wird.

Dies funktioniert auch bei roten Augen: beliebig viele rote Stellen können aus einem Bild entfernt werden (hier im Bild wurde das Badge für die ungelesenen Benachrichtigungen geschwärzt). Tippt man noch einmal auf dieselbe Stelle, wird die Aktion revidiert. Das geht schnell von der Hand und funktioniert ganz prima. Für den Zuschneidemodus stehen derweil sogar verschiedene Seitenverhältnisse zur Verfügung, die mit einem Tipp auf „Formate“ am unteren Bildschirmrand schnell ausgewählt werden können.

Auch Ordner lassen sich nun direkt auf dem Gerät anlegen. Dazu wird die Schaltfläche „Bearbeiten“ auch in der Albenübersicht angezeigt. Ein Tipp darauf gibt dann den „Hinzufügen“-Button frei. Im Anschluss können aus den anderen Alben Fotos ausgewählt werden, die man in den neuen Ordner kopieren möchte. Sind in einem Album mehrere Fotos markiert, können diese auch zusätzlichen bisherigen Möglichkeiten „Senden“ und „Kopieren“ nun zu bestehenden oder noch zu erstellenden Ordnern hinzugefügt werden.

Einzelne Bilder oder ganze Alben auf dem iOS-Gerät löschen kann man übrigens nach wie vor nicht. Dies geht nur mit solchen Ordnern, die man auch auf dem iPhone oder iPod touch/ iPad erstellt hat. Für alles andere wird weiterhin der Umweg über iTunes notwendig sein.

Mail

Die angekündigte Möglichkeit, E-Mails zu markieren und „flaggen“ ist weniger spektakulär, als zunächst zu erwarten war. Das macht sie nicht weniger nützlich: In der Betreffszeile von Mail befindet sich am rechten Rand das blaue Wort „Mark“. Ein Tipp darauf ermöglicht über ein Einblendmenü genau zwei Dinge: Flag und Unread. Ersteres gleicht sich mit derselben Funktion in Mail auf dem Mac ab, letzteres ist selbsterklärend und ein lang erwartetes Feature.

Sonstiges

Es gibt auch einige witzige Neuerungen: Wer möchte, kann beispielsweise sogenannte „Custom Vibration Patterns“ erstellen. Durch Tippen bzw. Halten des Fingers auf den Touchscreen können individuelle Vibrationsabfolgen festgelegt und gespeichert werden. So kann man sich beispielsweise mit der Vibration der Lieblingsmelodie über den Anruf des Schatzes freuen. Zugegeben ein etwas verspieltes Gimmick, zumal die Intensität der Vibration im iPhone 4 relativ gering ist und man sie daher ohnehin nur selten spürt.

Praktisch ist, was Apple „PC-Free“ nennt. Ein iOS-Gerät lässt sich so einstellen, dass App-Updates automatisch geladen werden. Während der Synchronisation konnte unser Test-iPhone außerdem weiter benutzt werden – auch, wenn sich gerade neue Apps oder Aktualisierungen installierten. Wie das ganze bei partiellen („Delta-„) iOS-Updates aussieht, wird man noch abwarten müssen. Auch die Synchronisation mit der iCloud, da noch nicht verfügbar, konnte noch nicht ausprobiert werden.

Die Synchronisation mit dem Mac über das lokale WLAN funktionierte bei uns trotz Hinweis eines Nutzers in den Kommentaren ebensowenig. Der Vorgang wird vermutlich zukünftig vom iOS-Gerät aus initiiert werden können, sobald dieses an eine Stromquelle angeschlossen ist. Beim Testgerät blieb der Sync-Button jedoch trotz Netzanschluss und im gleichen WLAN verfügbaren Destktop-Mac ausgegraut mit dem Hinweis „Sync will resume when ‚Mac‘ is available.“

Keine allzu große Sache sind die Reminders. Zwar gibt es damit nun eine dezidierte To-Do-App von Apple, die dazu noch gratis beiliegt. Allerdings kann man damit auch wirklich nur grundlegende Erinnerungsfunktionen nutzen. Der durchschnittliche iOS-Nutzer wird aber auch nicht viel mehr brauchen. Das Killerfeature – und damit auch der Grund, warum Scott Forstall es auf der WWDC-Keynote besonders hervorgehoben hat – ist die Erinnerung, wenn man einen bestimmten Ort betritt oder verlässt. So vergisst man nie wieder den Schlüssel zuhause. Die Eintragungen kann man außerdem nach drei verschiedenen Prioritäten ordnen und in Listen sortieren, das war’s. Die angelegten Aufgaben erscheinen in iCal auf dem Mac auf der rechten Seite im Aufgabenfenster, nach Kalendern geordnet. Aber nur, wenn das ganze auch funktioniert, denn Reminders verschluckte in fast allen Versuchen die erstellten Aufgaben: Beim nächsten Start der App waren sie einfach weg.

Nicht testen konnten wir auf die Schnelle das neue iMessage. Viel zu sagen ist dazu aber auch nicht: Hat ein Kontakt auch iOS 5 und ein kompatibles Gerät (iPhone, iPad, iPod touch), erkennt die Messaging-App dies automatisch und zeigt an, dass keine SMS sondern iMessages ausgetauscht werden. Simpel und und unkompliziert.

Ein weiteres Novum ist der Button „Gekaufte Artikel“ in der Update-Sparte des App Stores: Dort sind all diejenigen Apps aufgelistet, die man mit dem aktuell angemeldeten Account schon einmal gekauft hat – auch wenn diese sich nicht auf dem Gerät befinden. Damit hat die Unsicherheit bei kostenpflichtigen Apps, die man sich wieder installieren will, ein Ende. Weil im App Store bisher immer erst nach dem Betätigen des „Kaufen“-Buttons ein Popup erschien, das darauf hinwies, dass man die App bereits gekauft hatte und nun kostenlos wieder laden kann, musste der Umweg über iTunes gegangen werden, um dort herauszufinden, ob man sie schon besitzt. Ein weiterer Punkt aus der Kategorie „PC Free“. Und trotz des iCloud-Symbols bei nicht installierten Apps funktioniert das sogar schon in der aktuellen Beta-Version.

Einige Design-Tweaks hat man in Cupertino scheinbar auch für notwendig gehalten: Systemweit sind zum Beispiel alle Ein-/Aus-Schalter nicht mehr eckig, sondern rund.

Ach ja: Es gibt ganze 17 neue SMS-Töne, die nun zusätzlich zu den ursprünglichen sechs installierten Tönen zur Auswahl stehen. Das ist ein Zuwachs von mehr als 300%, sicher. Dennoch bleibt man auch weiterhin auf die von Apple vorgegebenen Töne beschränkt. Neue hinzufügen lassen sich nämlich auch im neuen iOS 5 nicht. Hier prangt allerdings die Schaltfläche „Kaufen Sie mehr Töne“, die wie auch bei den normalen Klingeltönen direkt in den iTunes Store führt.

Unter „Benutzung“ in den allgemeinen Einstellungen kann nun sehr detailliert eingesehen werden, welche Apps wieviel Speicher verbrauchen. Von dort aus können Speicherfresser auch direkt entfernt werden. Kleine Inkonsistenz: Während der „iPod“ aus iOS verschwunden ist (Statt dem alten Icon mit dem abgebildeten iPod classic finden sich nun getrennte Apps mit den Namen „Musik“ und „Video“ auf dem iPhone), taucht er an dieser Stelle wieder auf und zeigt die durch Musik beanspruchte Datenmenge an. Diese kann allerdings auch nur vollständig gelöscht werden. Vermutlich wird daran bis zum endgültigen Release noch gearbeitet.

In der Wetter-App gibt es nun neben den festlegbaren Städten auch eine Seite für „Lokales Wetter“ (wie auch im Notification Center), die an der unteren Seitenleiste statt mit einem Punkt durch das Nadelsymbol dargestellt wird, das bei GPS-Benutzung auch in der Symbolleiste am oberen Rand zu sehen ist. Wer viel unterwegs ist, wird für diese Neuerung besonders dankbar sein. Obendrauf werden nun stundenweise Vorhersagen für die nächsten beiden Tage angezeigt, wenn man von einem Tag aus mit dem Finger nach unten streicht. Ein sehr cleveres und praktisches neues Feature.

Wer in der neuen Musik-App, die die iPod-App ersetzt, auf einen Titel tippt und hält, bekommt schlussendlich das zugehörige Album und die Tracklänge in einem schwarzen PopUp angezeigt.

Vorsicht!

Eng werden kann es mit der Batterielaufzeit: Wer mehrere E-Mail-Konten besitzt und alle seine Daten mit MobileMe synchronisiert sowie viele Apps mit ortsbasierten Funktionen nutzt, kann wie bei einem Countdown dabei zusehen, wie die Prozentanzeige immer weiter nach unten fällt. Deswegen empfiehlt es sich, einmal alle Einstellungen durchzugehen und zu entscheiden, welche Features man in der Form wirklich braucht, und alles herunterzukürzen, was nicht wirklich notwendig ist.

Schwierigkeiten bereitete auch das neue Notification Center. Sicher: Das größte Ärgernis, nämlich die nervigen ständigen Popups, die mitunter auch Spiele etc. unterbrochen haben, gehören endlich der Vergangenheit an. Das „Herunterziehen“ von der Statusleiste gestaltet sich aber nicht einfach; zu oft passierte nichts. Ich neige in solchen Fällen aber dazu, mir eine gewisse Grobmotorik zu unterstellen, denn es ist davon auszugehen, dass Apple dieses Feature ausführlich genug getestet hat. Dinge, über die man noch nachdenken sollte, gibt es trotzdem: Es mag Situationen geben, in denen es sinnvoll erscheint, einzelne Benachrichtigungen zu löschen, während man andere vielleicht noch behalten möchte. Dies geht zwar bezogen auf die verschiedenen Apps, aber löschen lassen sich nur alle Benachrichtigungen einer App, nicht einzelne.

Treffen mehrere Meldungen innerhalb weniger Sekunden ein, werden sie im übrigen nicht untereinander aufgelistet, sondern die bereits angezeigte Benachrichtigung dreht sich wie ein Würfel nach oben und zeigt dann das neue Ereignis an. So bleibt das Display immer im gleichen Umfang sichtbar.

Dem aktuellen Beta-Status sind hoffentlich auch die kleinen Macken zuzurechnen, die immer wieder sichtbar werden. In Mail werden beispielsweise ab und zu neue E-Mails gleich zweimal angezeigt. Eine der beiden wird man nicht los. Man kann sie weder als gelesen markieren, noch löschen. Obwohl sie in der App aber als ungelesen weiterhin angezeigt wird, zeigt das Badge auf dem Homescreen keine neuen E-Mails an. Glück im Unglück sozusagen. Das Problem zeigte sich mit mehreren verschiedenen Mailkonten wie dem Uni-Account, GMail und MobileMe. Was letzteres angeht, so mussten zur korrekten Darstellung aller synchronisierten Kalender erst einmal die Synchronisation abgestellt und dann neu eingerichtet werden. Verschiedene Darstellungsprobleme (Unbekannter Termin in der Monatsübersicht an Tagen angezeigt, in der Tagesansicht dann aber nicht mehr zu sehen) bleiben allerdings.

Zudem stürzen erwartungsgemäß viele Apps des öfteren einfach ab. Die eine oder andere kommt mit iOS 5 offenbar noch nicht zurecht und verweigert ganz ihren Dienst – Das bleibt bei Beta-Versionen nicht aus.

Die Kamera braucht trotz des neuen Buttons auf dem Lockscreen, der sichtbar wird, wenn man zwei- statt ein Mal auf dem Homebutton drückt, zuweilen sehr lang zum Starten. Das kann nicht der Sinn der Sache sein. In der App war mehrfach keine Fokussierung per Fingertipp möglich, insbesondere bei Verwendung des Digitalzooms.

Fazit

Die vielen neuen Funktionen werden sicher die allermeisten Nutzer sehr erfreuen – befinden sich darunter doch einige Features, die nicht erst seit dem letzten großen iOS-Update, sondern vielmehr seit mehreren Jahren immer wieder gefordert wurden. Mit der Erweiterung der Funktionalität in vielen Bereichen des Betriebssystems haben die Programmierer in Cupertino an einigen Stellen den Umweg über zusätzliche Apps überflüssig gemacht.

Für die Entwickler all dieser beliebten Apps gilt es allerdings, nicht den Kopf in den Sand zu stecken: Die vielen neuen APIs in iOS 5 bieten genug Gelegenheit, sich an anderen Stellen auszutoben und mit neuen Innovationen die Besitzer von iOS-Geräten weiter an sich zu binden. Sofern die Bugs bis dahin identifiziert und gefixt werden, kann iOS 5 wirklich das größte Update seit Einführung des Betriebssystem gesehen werden.

Über die Kritik an der Funktionsweise einiger der Neuerungen (z. B. die Tatsache, dass man Benachrichtigungen nur in Gruppen entfernen kann) kann man sich wie immer streiten, also gilt: Vorfreude ist die schönste Freude!

iOS 5 erscheint im Herbst und wird mit allen iPhones ab 3GS, allen iPod touches ab 3G und allen iPads kompatibel sein. Möglicherweise werden Besitzer älterer Geräte allerdings auf das eine oder andere Feature verzichten müssen.

Hier im Artikel sind nur einige Screenshots untergebracht. Weitere befinden sich in der Galerie. Einfach eines der Bilder anklicken und nach links/rechts navigieren.
Wer auch schon die Möglichkeit hatte, iOS 5 zu testen und weitere Bugs oder Funktionen entdeckt hat, die hier nicht erwähnt wurden, oder andere Fragen oder Anmerkungen hat, ist wie immer willkommen, die Kommentarfunktion zu nutzen ;-)


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