Kolumne: Schöner, besser und aus Holz

rj, den 18. Dezember 2010
Apple-Notebook
Apple-Notebook, Bild: Missing Bite

So war alles früher. Bzw. im Fall der Notebooks* aus verarbeitetem Holz. Die sind heute aus Alu gefräst, was zwar freut, aber auch an bessere Metallzeiten beim iPhone erinnert. Die Alu-Rückseite beim Classic! Und das iPhone 4? Wer mir was zu Weihnachten schenken will: Theres a Kit for that. Ansonsten klingt das Jahr trübe aus, nur für Apple nicht, da ist die Lage glänzend und sind die Erwartungen für 2011 hoch, nicht nur, was die Notebooks angeht.

Zuerst die Enttäuschungen der Woche. Der eine stampft eine Plattform aus dem Boden, die investigativen Journalismus ermöglicht und zahllose Informationen über das versteckte Treiben der Mächtigen in der Welt liefert. Der andere macht eine Plattform, auf der sich auch noch der letzte Vollidiot als Marketingzielgruppe auf dem Silbertablett selbst filetieren und sein erbärmliches Onlineleben der gelangweilten Öffentlichkeit in die Timeline kloppen kann. Wer wird von einem renommierten (journalistischen?) Magazin wohl zur Person des Jahres 2010 gekürt? Eben. Immerhin: die TIME-Wahl schafft es, den Zustand des Planeten hervorragend darzustellen: anschaulich, leicht verständlich und zum Kotzen. Wer toppt das ganze? Der ansonsten von mir sehr geschätzte AppleInsider, der sich darüber verbreitet, dass nicht Steve Jobs statt Zuckerberg gewonnen hat. Damit wird das Fremdschämen mal wieder auf ein neues Level gehievt.

Immerhin, alles war früher nicht besser. Die Winter waren ebenso kalt und verschneit wie heute, und der Schnee wohl häufig ein wenig gelber grauer. Erinnert sich noch wer an Pseudokrupp und Smogalarme? Die Jugend von heute wuchs glücklicherweise mit Katalysatoren und Rauchgasentschwefelungsanlagen auf, die Smogwarnungen sind passe nach China exportiert, trotzdem sollen die Winter in der jüngsten Zeit schlimmer geworden sein. Ach Quatsch, heißt es nebenan – die Winter sind wie immer, nur werden wir verarscht und die früher fleißiger schneeräumenden Kommunen kaputtgespart. Interessante These, zu der mein Bauchgefühl sachte nickt.

Aus Metall waren seinerzeit die iPhone-Gehäuse. Gebürstetes Alu verkratzt edel, verkratztes Plastik sieht hingegen eben nur verkratzt aus. Apples Geheimverschwörung mit den Case- und Sleeveherstellern kann man mit dem Metal Case Kit von Micgadget sabotieren. Mir gefällt’s, insbesondere der Titanlook, und wer mir noch was zu Weihnachten schenken will, ich schreib auch nen Review, versprochen. Eine andere Art von Retro wurde letzte Woche mit der Pixelversion von Angry Birds gepflegt. Es geht nichts über acht Bit. Bildmaterial ist leider nur ein Designentwurf, in Echt gibts die grobklotzige Version der angriffslustigen Vögel nicht.

Apropos Angriff: die US-Armee wird nun mit iPhones ausgestattet. Neben den großen Erwartungen in Sachen iMacs und Macbooks sicher auch ein Grund für glänzende Geschäftsaussichten in Cupertino. Nachdem der Krieg erfolgreich privatisiert wurde, kann man nun auch die Friedensschaffung in die Hände industrieller Anbieter legen. Völkerverständigung via iPhone-Übersetzung anyone? Es hätte aber was charmantes, wenn Friedensbemühungen in Zukunft nicht mehr an geopolitischen Interessen scheitern, sondern an fehlender 3G-Netzabdeckung oder der Akkuentleerung zum ungünstigen Zeitpunkt.

Die Hacker indes kommen in Frieden. We Come in Peace, so das in meinen Augen völlig unzeitgemäß kuschlige Motto des nahenden Hackerkongresses 27C3. Die Karten konnte ich bislang noch nicht ausdrucken, aber immerhin, die App zum Congress gibts bereits. App-Entwickler Helge traf ich auf dem 26C3, wir hatten Spaß am Gerät, meiner wochenanfänglichen Bitte nach einer verbesserten Congress-App mit Planungsfunktion und Offline-Reader kam er bislang nicht nach. Die Konkurrenz machts nicht besser. Ich teile das unbedingte Vertrauen in die permanente Verfügbarkeit einer Funkanbindung beim Congress explizit nicht. Einen Mate hat Helge trotzdem gut bei mir.

Was war noch früher besser? Man konnte mit Altavista googeln. Das Thema „E-Mail“ sollte ich ja gar nicht aufgreifen, die soll ja schon seit Jahren tot sein und müffelt trotzdem noch täglich in den Arbeitsablauf rein. Es gab Zeiten, da kam sie noch zuverlässiger an, heute ist das anders, aber tatsächlich besser? Eine Benachrichtigungsmail vom Macnotes-Account beim Google-Dienst YouTube blieb im Spamfilter des Macnotes-Accounts beim Google-Dienst Google Mail hängen, was a) zu Verblüffung und b) zum allgemeinen Google-Spamordnerchecken führte. Sollte man eh gelegentlich mal machen, hier gab es einige witzige bzw. ärgerliche false Positives. Früher sortierte man seinen Spam noch von Hand. Besser? Zugegebenermaßen, nein. Außerdem ist das Auftreten von false positives selbst bei „google-internen“ Mails ja auch eine feine Sache: man hat immer eine glaubwürdige Ausrede, wenn mal was „nicht ankam“. Außerdem, in Zeiten, wo mail.ru-Anhänge .rar-Format und 100 MB groß sein dürfen, jammert man auf hohem Niveau.

Wenn wir grade schon im moralisch fragwürdigen Bereich sind: da war doch noch diese iTunes-Kreditkartengeldwäsche.

Wie die Geldwäschetarife gerade sind, kann ich mangels Kompetenz nicht sagen, der Schnitt, den Apple dabei machte, scheint mir aus dem Bauch raus aber zu hoch. Aber einfach den eigenen Song x mal mit geklauten Kreditkarten kaufen und eine halbe Million Pfund damit machen – früher mit diesen seltsamen Vinylplatten wäre das nicht gegangen.

Als vorletzten Punkt beim Kolumnenthemen verarbeiten muss ich auf die nebenan archivierte, schönste Macnotes- Autokorrektur hinweisen, die mir bisher auf den Monitor lief. (Danke, Jan!) Und nun hat vielleicht der eine oder andere gehofft, dass einem bei meiner nochmaligen Antoni-Vertretung (der hat ab nächster Woche wieder ein wenig mehr Zeit und Luft zum kolumnieren) vielleicht der unvermeidliche Weihnachtshinweis erspart bleibt. Tut mir leid, nein, der kommt nun zum Schluss. Denn neben der Darstellung, wie die Ewigkeit mit simplen (und verhassten) Bordmitteln von Mac OS X hervorragend symbolisiert werden kann…

…hat Christoph Niemann in der NY Times einen Weihnachtsgruß gebacken, der selbst einem hartgesottenen Agnostiker wie mir ein bisschen Wärme in die Mördergrube ins Herz zaubert. Schöne Feiertage.

* bevor jemand fragt: das Apple Notebook vom Teaser-Icon ist vom Missing Bite, dort gibts noch ein paar andere schöne Retrosachen. Vielleicht was für Weihnachten, aber keine Ahnung, obs mit dem Liefern aus USA nach Übersee zeitlich noch hinhaut.


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