App Store und Jugendschutz: USK, BPjM und andere deutsche Spezialitäten

rj, den 20. Juli 2010
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Als die Frage aufkam, wie es eigentlich die deutschen Jugend- und Medienschützer mit dem App Store, seinen Altersfreigaben und -verifikationen halte und ob die Maßnahmen Apples den (gelegentlich mehr als fragwürdigen) deutschen Jugendschutzbestimmungen Genüge tun, stießen wir schnell auf Wissensgrenzen unsererseits. Was läge näher, als die einschlägigen Organisationen wie die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), die BPjM oder jugendschutz.net zu fragen, wie App Store-Games und ihre Altersfreigaben in Deutschland gehandhabt werden? Wir erhielten einige interessante Antworten und Ausblicke.

Faktische Verbote waren uns keine bekannt, das iPhone-RPG Wolfenstein beispielsweise wurde erst gar nicht in Deutschland angeboten.

Aber macht sich Apple in Deutschland nicht strafbar, wenn Games aus dem App Store sämtlich ohne Altersfreigabe der USK vertrieben werden? Die Frage liegt an sich nahe, und auch die USK-Informationen lassen vermuten, dass beispielsweise für den Doom-Railshooter auf dem iPhone nichts anderes gelte als für die PC-Version. Die dort aufgeführten Aufgaben der USK:

  • „Prüfung und Vorbereitung der Kennzeichnung von zur Weitergabe geeigneten und für das Spiel an Bildschirmgeräten programmierten Datenträgern“
  • und die „Beratung von Anbietern von Softwareprodukten aus den Bereichen Entertainment, Infotainment und Edutainment in Bezug auf Aspekte des (gesetzlichen) Jugendschutzes“.

USK: Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle

Bei der USK geht es aber nur um einen recht spezifischen Teilbereich des Spielemarkts: Games, die via physikalischem Datenträger vertrieben werden. Nur diese werden von der USK erfasst und gekennzeichnet.

Für den App Store sei die USK ebensowenig zuständig wie für Handy- oder Browsergames, so die Auskunft auf unsere telefonische Nachfrage. Die DOOM 3-DVD muss dementsprechend mit einer USK-Freigabe versehen werden, der DOOM-Railshooter sowie die zahlreichen anderen Ego-Shooter für das iPhone mangels physikalischem Datenträger eben nicht.

Das geänderte Format beispielsweise des iPads ändere an diesem Sachverhalt nichts – auch wenn nun ein blutrünstiger Ego-Shooter in 1024er-Auflösung auf (deutsche) iPads käme, gehe das die USK nichts an, da diese sich eben nur um physikalische „Bildträger“ kümmere.

Wir wurden an Jugendschutz.net verwiesen, die in dieser Frage weiterhelfen könnten. Die erste Kontaktaufnahme ließ das nicht sofort erwarten – erst nach einigen Rahmeninformationen von unserer Seite, dass auf iPhone und iPad durchaus Spiele mit ordentlichem Blut-sprizt-Fetzen-fliegen-Faktor verfügbar sind, wurden wir auf eine Rückmeldung eines Experten vertröstet. Diese erfolgte dann eine knappe Woche später.

Jugendschutz.net

Justiziar Thomas Günter von jugendschutz.net bestätigte die geringeren Anforderungen an die iPhone-Plattform sowie mögliche Änderungen der Situation, wenn iPad-Adaptionen folgen: man könne

„…die einmal für die PC-Version erhaltene Freigabe nicht direkt auf die Versionen im App Store für iPhone oder iPad übertragen. Aufgrund der anderen Spielphysik, der anderen Hardwarevoraussetzungen etc. handelt es sich im Zweifel nicht um inhaltsgleiche Spiele. In der Regel entfalteten iPhone-Games schon wegen ihrer geringeren Auflösung eine geringere Jugendschutzrelevanz. Mit dem iPad könnte sich das ändern.“

Die Nichtzuständigkeit der USK wurde ebenfalls bestätigt. Im Onlinebereich müsse der Anbieter selbst für die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen sorgen, kann sich dazu von den einschlägigen Stellen beraten lassen und müsse darüber hinaus

„…ab einer bestimmten Größe des Angebots … seinen Jugendschutzbeauftragten einbeziehen.
Die zuständige Medienaufsicht KJM (oder jugendschutz.net als im Vorfeld tätige Kontrollstelle) hat aber die Möglichkeit, nach der Veröffentlichung zu prüfen, inwieweit die Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages eingehalten werden.“

Nintendo lasse seine WII-Spiele freiwillig prüfen, eine Nichtzulassung im Vorfeld sei jedoch nicht möglich:

„Weder KJM noch jugendschutz.net könnten vorab die Zulassung einer App verhindern, dies ginge nur nachträglich unter gewissen Voraussetzungen (siehe hierzu § 4, 5 JMStV). Bisher ist mir diesbezüglich noch kein Verfahren bekannt.“

Im kommenden Jahr soll jedoch der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft treten, einschneidende Änderungen sind jedoch in Sachen App Store nicht zu erwarten. Vorgesehen sei

„… erstmals eine freiwillige Alterkennzeichnung (!sic) von Online-Inhalten… Die Klassifizierung kann vom Anbieter selbst, mit Hilfe eines Fragebogens oder durch eine Freiwillige Selbstkontrolle vorgenommen werden. Wenn die KJM die Beurteilung einer Freiwilligen Selbstkontrolle bestätigt, entfaltet sie die gleiche Rechtssicherheit wie die Altersfreigaben für Spiele auf Trägermedien.“

Apple dürfte mit einen aktuellen Altersempfehlungen hier seine Schäfchen weitgehend im Trockenen haben. Voraussichtlich kommende, technische Nachbesserungen dürften kaum ein Problem darstellen:

„Gleichzeitig muss die Alterskennzeichnung nach dem neuen JMStV maschinenlesbar sein, so dass Eltern mit Hilfe von Jugendschutzprogrammen einstellen können, welche Angebote für ihre Kinder zugänglich sein sollen. Welche Jugendschutzfilter anerkennungsfähig sind und auf welchen Systemen sie verfügbar sein werden, ist noch nicht absehbar. Sicher wären altersdifferenzierte Jugendschutzprogramme für iPads und Co, wünschenswert.“

BPjM: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien

Die nächste, ebenfalls nicht ganz unumstrittene staatliche Instanz: die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Dass dort etwas zur Sicht auf die App Store-Vertriebssituation in Sachen Jugendschutz zu erfahren sein könnte, legt die Webseite der BPjM nahe, Regulierungskandidaten seien beispielsweise

  • „…selbstzweckhafte und detaillierte Darstellungen von Gewalthandlungen, insbesondere von Mord- und Metzelszenen“
  • oder „…Medieninhalte, die Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legen“.
  • Bestens zum Kontext eines Railshooters mit extrem eingeschränkter Bewegungs- und Handlungsfreiheit passt weiter das Kriterium, dass „kaum oder keine alternativen Handlungsoptionen/Konfliktlösungsmöglichkeiten“ bestehen.

Die Antwort der BPjM auf die doch recht konkrete Fragen betreffend Doom Resurrection als konkretem Beispiel sowie dem App Store, Apples Freigaberichtlinien und etwaigen Kooperationen zwischen BPjM und Apple im Allgemeinen fiel aber doch eher knapp aus:

„Seitens der BPjM kann ich Ihnen nur mitteilen, dass die BPjM auch Spiele indizieren kann, die im Internet angeboten werden. Ein Verfahren der Kennzeichnung gibt es für diese Spiele nicht. Sollte ein Spiel indiziert sein, darf es nur in einer so genannten geschlossenen Benutzergruppe Erwachsenen zugänglich sein. Ob das jeweils gewählte Altersverifikationssystem den Anforderungen des Jugendmedienschutzstaatsvertrages entspricht, entscheidet die Kommission für Jugendmedienschutz. Im Jahr 2011 tritt der neue Jugendmedienschutzstaatsvertrag der Länder in Kraft. Dieser enthält dann auch Regelungen für eine „Online-Kennzeichnung“. Wie diese jedoch im Einzelnen aussehen, kann Ihnen die BPjM nicht sagen.“

Wir wurden von der BPjM im Folgenden an die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten verwiesen.

KJM: Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten

Auch diese lässt Zuständigkeit auf ihrer Webseite durchaus erahnen:

„…Online-Downloadmöglichkeiten und Trailer von Spielen werden ebenfalls vom JMStV erfasst. Aufgabe der KJM ist es unter anderem, die Jugendschutzproblematik dieser Medieninhalte aufgrund ihres Gefährdungspotenzials zu beurteilen und deren öffentliche Zugänglichkeit zu regeln.“

Auch hier gestaltete sich die Suche nach einem Ansprechpartner schwierig. Auf telefonische Anfrage war niemand verfügbar, per Mail wurden wir an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, weiterverwiesen, die ebenfalls recht deutlich die Gefahren der neuen Medien für Kinder und Jugendliche beschwört – wobei natürlich zu hinterfragen wäre, ob das Phänomen, dass Jugendliche Zugang zu Pornografie haben, tatsächlich erst mit dem Internet aufgetreten sein soll.

Inzwischen wenig überraschend war auch dort die Auskunft, dass zum einem weder Kontakt zu Apple bestünde noch Prüfungen vorgesehen seien. Für iTunes und App Store sei man zwar zuständig, konkret sei eine etwaige Prüfung aber Sache der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter:

„Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) überprüft als Organ der Landesmedienanstalten die Einhaltung der Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV). Im Rahmen der Rundfunk- und Telemedienaufsicht obliegt der KJM die Überprüfung und Bewertung möglicher Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen. Als Telemedien fallen der „App-Store“ bzw. „iTunes“ in die Zuständigkeit der KJM. Es gibt allerdings gegenwärtig kein Prüfverfahren der KJM, das sich explizit mit iTunes oder dem App-Store beschäftigt.
Die für den App-Store zuständige Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle wäre die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Für eine jugendschutzkonforme Ausgestaltung des Angebots ist Apple selbst verantwortlich. Die Aufsicht über die deutschen Ableger der Telemedienangebote von Apple obliegt, wie oben bereits erwähnt, der KJM.“

Nach zwei Wochen und der sechsten Station, an die wir verwiesen wurden, verschoben wir das Befragen der FSM auf eine Fortsetzung dieses Berichts.

Zusammenfassung und Fazit

Schwierig. Positiv gedacht: iTunes/App Store ist nicht unbedingt auf dem Radar der einschlägigen Organisationen, hinzu kommt Apples ohnehin bereits recht restriktives Vorgehen. Insofern wird mit einer Reglementierung, die tatsächlich auch wahrnehmbare Veränderungen im App/Game-Angebot auf iPhone und iPad zur Folge hat, eher nicht zu rechnen sein.

Negativ gewendet: die Zuständigkeiten sind – zumindest auf den ersten Blick – nicht unbedingt klar. Sollte sich eine der beteiligten Instanzen dazu entschließen, gegen einen zu leicht verfügbaren iPad-Ego-Shooter vorzugehen, wird einige Bürokratie die Folge sein.

Zuletzt: Spielt es eine Rolle? Angesichts der einfachen Möglichkeit, in Deutschland nicht verfügbare Apps einfach über den US-iTunes-Store per Geschenkekarte zu shoppen, werden die praktischen Auswirkungen auch eines 2011 reformierten Jugendmedienschutz-Staatsvertrags zumindest umgehbar bleiben.

Disclaimer: Ich hege eine sowohl rational begründbare wie auch eine tiefsitzende emotionale Abneigung gegen den Jugendschutz und seine Institutionen in Deutschland. Oder, um das Kind beim Namen zu nennen: ich betrachte ihn als Feind. In zweierlei Kontext ist mir das wichtig zu betonen: einmal habe ich absolut kein Interesse daran, dass neben dem ohnehin bereits höchst fragwürdigen „Jugendschutzsystems“ Apples (bzw. der angewandten Prüderie) im App Store noch weitere, mindestens ebenso fragwürdige Regulierungsstrukturen von staatlicher/nationaler Seite etabliert werden. Zum anderen will ich festhalten, dass ich in allen Gesprächen mit den jeweiligen Institutionen aus meiner Ablehnung bzw. meinem Nichtverständnis für die in meinen Augen größtenteils völlig überholten und zudem sinnfreien Schutz- und Regulierungsbestimmungen keinen Hehl gemacht habe. Interessanterweise stieß diese Ablehnung bzw. Sichtweise mehrfach auf großes Verständnis, so wurde mir beispielsweise im Gespräch mit der USK dringend geraten, nicht in Kategorien des gesunden Menschenverstands zu denken.


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