„Phone“: iPhone-Klon aus Hongkong
kg, den 25. Februar 2010Mit dem „Phone“ erreichte uns ein iPhone-Klon, wie er auf den ersten Blick nicht besser sein könnte – zumindest im Vergleich zum von uns bereits getesteten i98 waren wir überrascht, wie dreist man sein kann. Nur sicherheitshalber der Hinweis: Die folgenden Bilder und Berichte behandeln NICHT das Apple iPhone.
Der iPhone-Ripoff wurde uns aus völlig unklaren Motiven zugeschickt – unverlangt, ohne Absender und direkt aus Hongkong. Noch skurriler als die Umstände ist das Gerät selbst – von außen ein weitaus besserer Klon als der vor rund einem halben Jahr aus ähnlichen Motiven hier getesteten iPhone-Klon i98 und eine rechtlich ziemlich eindeutige Sache: Handel und In-Verkehr-Bringen in Deutschland dürfte gegen einige Gesetze verstoßen.
Eine eigene Faszination haben die Produktfälschungen aber trotzdem – bei dem laut Softwarebranding vom Hersteller Nuolijia stammenden „Phone“ beginnt diese mit dem Startsound des Geräts, der in recht blecherner Sprachausgabe den Herstellernamen verkündet. Die chinesischen App-Beschriftungen und ein teilweise vorbefüllter MP3-Player sowie ein Fotoarchiv mit netten Asiatinnen tun ihr Übriges, einen Eindruck von der Hongkonger Gadget- (und Pop-) Kultur zu verschaffen. Einige Eindrücke haben wir im folgenden Test gesammelt.
Der erste Eindruck
Auf den ersten und nicht genauen Blick auf die Verpackung könnte man meinen, man habe ein echtes iPhone in der Hand. Aufgeklebt ist die Grafik eines iPhone, an den Seiten jeweils der Hinweis darauf, dass es sich um ein iPhone 3GS handelt. Diese Beschriftung wurde allerdings erst im Nachhinein aufgebracht: Ursprunglich lautete die Beschriftung der Box nur auf „iPhone 3G“. Der vermeintliche AT&T-Print auf der Unterseite enthält teilweise Fehler: So befindet sich demnach Apples Firmensitz in „1 Infintel Loop“. Auch die Qualität der Box lässt zu wünschen übrig, sie ist aus einfacher Wellpappe gearbeitet.
In der Box befindet sich das Fake-iPhone selbst sowie diverses Zubehör. Enthalten sind das Handy, ein Ladestecker sowie ein Ladekabel, ein zusätzlicher zusätzliches Akkupack, Headset, Stylus sowie Displaytuch und eine Schutzhülle. Dabei hat man sich im Vergleich zum i98 ziemliche Mühe gegeben: Mit dem USB-Kabel lassen sich auch echte iPhones und iPods aufladen sowie mit iTunes syncen.
Was das Äußere des Fake-iPhone angeht, war man ebenfalls konsequent: Es ist genauso groß wie das Original-3GS, selbst Anschlüsse und Kippschalter wurden nachgeahmt.
Beim ersten Einschalten des Geräts fielen uns beinahe die Ohren ab: Hersteller Nuolijia hat seinen eigenen Startsound in die Software hineingeworfen, die bei jedem An- und Ausschalten des Geräts abgespielt wird. Nach dem Start braucht es für den nicht so iPhone-affinen Nutzer einige Momente, bis man es tatsächlich als Nicht-iPhone erkennen kann. Welches System tatsächlich zu Grunde liegt, konnten wir nicht endgültig herausfinden, es ist aber anzunehmen, dass auch hier ein Windows CE zum Einsatz kommt. Insgesamt sind Menüführung und Bedienung dem iPhone nicht unähnlich, da es sich bei dem Display nicht um ein berührungs- sondern um ein druckempfindliches Display handelt, muss man tatsächlich draufdrücken, damit man in den Menüs herumtippen kann.
Apps und Funktionen
Während das i98 vor allem durch Unsortiertheit glänzte, finden sich bei diesem Fake-iPhone tatsächlich die Funktionen hinter den Icons, die man dort erwarten würde – zumindest weitestgehend. Einstellungsmenüs für Datennetz, Bluetooth und Wifi gibt zwar, sie lassen sich aber ausnahmslos nicht benutzen. Ähnlich wie beim iPhone lassen sich die Programmicons auf den Homescreens verschieben.
In der Tendenz klingt die Ausstattung also durchaus umfangreich, in der Praxis ist es aber unbenutzbar – immerhin kann man mit dem iPhone-Klon tatsächlich telefonieren. Es gibt außerdem eine Fotofunktion sowie verschiedene Spiele und nackte Frauen in Form des E-Girl. Bei der Übersetzung hat man sich an manchen Stellen wenigstens grundlegende Mühe gegeben. Neben normaler Texteingabe via On-Screen-Tastatur gibt es auch die Möglichkeit einer Handschriftenerkennung – die für Buchstaben auch überraschend gut funktioniert.
Kurios ist außerdem, dass die Anordnung und die Auswahl der Apps je nach eingelegter SIM-Karte variiert: Hat man gar keine SIM eingelegt, sind mehr Apps verfügbar als im Betrieb mit SIM. Eine Logik dahinter konnten wir trotz mehrerer getesteter SIMs nicht entdecken.
Eine Handvoll Spiele befindet sich ebenfalls auf dem „Phone“, vor allem Jump’n’Run-Adventures auf Javabasis. Mangels sprachlicher Fähigkeiten im Bereich Chinesisch mussten wir das Zocken aber direkt abbrechen – wir scheiterten schon bei dem Versuch, die Spiele zu konfigurieren…Nutzt man kein Google Translate, verschafft einem diese Seite einen recht ähnlichen Eindruck wie die diversen Game-Apps auf dem „Phone“.
Die Hardware
Wie auch das iPhone selbst, ist das „Phone“ ein Single-SIM-Gerät, auch wenn die Einstellungen anderes vermuten lassen. Bluetooth und Wifi stehen in der Theorie wie gesagt ebenfalls zur Verfügung – allerdings haben wir es weder hinbekommen, unser „Phone“ mit dem Datennetz oder WiFi zu verbinden, noch konnten wir vom Rechner aus auf die Telefoninhalte zugreifen. So konnten wir leider auch nicht vom vorinstallierten Opera-Browser Gebrauch machen. Der Kopfhöreranschluss ist mit 2,5mm-Klinkenanschluss kleiner als der klassische 3,5mm-Anschluss des iPhone 3GS.
iPhone vs. FakePhone
Wir haben mal unterschiedliche Funktionen und Apps von iPhone 3GS und „Phone“ nebeneinander abfotografiert. Für den Fall, dass ihr euch unsicher seid: Links das iPhone, rechts das „Phone“.
Fazit
Wenn man nicht genauer hinschaut, könnte man das „Phone“ tatsächlich mit dem iPhone verwechseln – ähnlich wie der von MacMedics seinerzeit im Service aufgetauchte iPhone-Klon aus China (der wohlgemerkt schlechter war als der von uns getestete). Kein Wunder also, dass immer wieder unbedarfte Nutzer auf angebotene Handys dieser Art bei eBay hereinfallen. Wer das iPhone kennt, wird innerhalb kürzester Zeit merken, dass er es nicht mit einem Apple-Gerät, sondern mit einem billigen Rip-Off zu tun hat – allein das Betriebssystem und die Handhabung sind da klare Indizien. Selbst iPhone-Unbedarfte werden nach kurzer Zeit feststellen, dass es sich nicht um das Original handelt. Zum Telefonieren eignet sich der iPhone-Klon wohlgemerkt tatsächlich, da es sich aber lediglich um ein Mono-SIM-Handy handelt, hat es aber gegenüber einem normalen Handy keine Vorteile, selbst das „Mini-iPhone“ i98 war immerhin mit Dual-SIM-Funktion ausgestattet.
Eines muss man den Herren und Damen Klonern aus Hongkong allerdings lassen: Das war bei weitem der beste Fake, den wir in den letzten Monaten gesehen haben.