Cracked iPhone Applications III: Freiheit ist, wenn es trotzdem kracht

rj, den 29. Mai 2009
Supertrumpf
Supertrumpf, Screenshot

Wenn 80% der Anwender einer App nicht für selbige bezahlt haben, ist der Ärger der Entwickler nachvollziehbar, insbesondere, wenn die App Store-Preise ohnehin niedrig genug sind. Welchen Ausweg gibt es, neben dem Ertragen der Situation? Im dritten Teil unserer Serie zu gecrackten Apps stellt Entwickler Andreas Heck nochmals seine Sicht der Dinge dar: man kann seinem Ärger Luft machen, man kann als Entwickler das Beste aus der Situation machen, aber auch Apple hätte die eine oder andere Möglichkeit, iPhone-Appcoder zu unterstützen.

„Meinem

geschickt argumentierenden Vorredner den Wind aus den Segeln nehmend gestehe ich freimütig: Ja, es gab schon immer Raubkopien und es wird sie immer geben. Eine Raubkopie ist eine Raubkopie ist eine Raubkopie. Dagegen hilft keine einzige Maßnahme.

Der Diebstahl geistigen Eigentums ist so alt wie die kreative Idee als solche, ich denke gerade an eine zwielichtige Gestalt in Sandalen und roter Tunika, die am Forum Romanum dem armen Seneca über die Schultern glotzt und krampfhaft bemüht ist, sich zu merken, was dieser gerade an Klugem zu Tontafel bringt, um es später als eigene Leistung zu veröffentlichen. Und ich denke mit Ingrimm an das rotzlöffelige Spiele-Kiddy, das anständig die 70 Cent für die Brezel auf den Tresen der braven Bäckersfrau legt, um sich anschließend zuhause von einem Filesharing-Server das neueste iPhone Game für lau zu „besorgen“.

Weiter auf die Restriktionshupe zu drücken macht – da bin ich ganz bei meinem Vorredner – keinerlei Sinn. Die aktuellen Restriktionen seitens Apple sind schon dumm genug und treffen zudem meist ohnehin nur diejenigen, die durch die Restriktionen geschützt werden sollten: die Entwickler. Es ist schlechtes Karma, dass Apple sich von Anfang an darauf versteift hat, einen Jailbreak des iPhones zu bekämpfen. Zugegeben, 100% aller raubkopierten Applikationen laufen, technisch bedingt, ausschließlich auf „gejailbreakten“ iPhones. Im Umkehrschluss aber anzunehmen, man würde das Thema totschlagen, wenn man nur endlich den Jailbreak verhindern könnte, ist schlechtweg falsch. Der Nutzer illegaler Kopien sieht seinen Urheberrechtsverstoß ohnehin immer als Kavaliersdelikt an, um nachts ruhig und zufrieden schlafen zu können. Es ist ihm egal, wie er in den Genuss nicht-bezahlter Waren kommt, irgendwer wird immer einen Weg finden. Außerdem ist ein Nutzer eines Jailbreaks nicht gleichzusetzen mit einem Nutzer von Raubkopien.

Also was tun oder besser: Was von Apple fordern als betrogener Entwickler? Völlig unstrittig: es ist sinnlos, die Plattform weiter technisch zu beschränken. Zum einen werden wichtige Ressourcen verplempert, zum anderen wird es nie einen Schutz geben, der von Dauer wäre. Außerdem ist aus anderen Branchen wie der Musikindustrie bekannt, dass die Abwesenheit von Raubkopien nicht mit mehr Umsätzen einhergeht. Diese „Dolchstoßlegende“ wird u. a. von der Filmindustrie bei der Kinovorführung in kruden Werbespots vermittelt, man sitzt ihr aber auch dann leicht auf, wenn man im Schock feststellt, dass die eigene Arbeitsleitung gestohlen wurde und massenhaft weiter verteilt wird. (Mein Puls ist inzwischen im normalen Bereich, ich sehe wieder klar.)

Diskutiert man – oder vorsichtig formuliert: versucht man, mit Zeitgenossen in Foren zum Thema zu diskutieren, bekommt man von bekennenden Nutzern von Raubkopien am iPhone immer Folgendes zu hören: „Es gibt zu wenig Lite-Versionen … Demo-Versionen gibt es gar nicht… ich will das erst mal testen… ich teste es per Crack… wenn es mir gefällt, kaufe ich es auch.“ Zum einen ist das eine dreiste Lüge, was sich auch an den in Teil 1 erwähnten conversion rates von iCombat und anderen zeigt, die schlicht gegen 0 gehen. Zum anderen ist das zudem eine asoziale Einstellung. Wenn ich im Supermarkt einen Apfel „haben“ möchte, beisse ich auch nicht herzhaft hinein und teste es erst einmal, ob er meinen Geschmack trifft: „Ach nö, der ist mir zu sauer, ich versuche den nächsten, den schön roten!“ Aber daheim am Rechner, versehen mit Nickname und Proxy-Server, sieht mich ja keiner beim Reinbeißen.

Welcher Ausweg böte sich, außer dem ermatteten Ertragen der Situation? Wie geht man in Bereichen anderer krimineller Delikte damit um? Beim Thema Drogen beispielsweise macht es keinen Sinn, jeden einzelnen kleinen Joint-Konsumenten rechtlich zu verfolgen, solange „die im Hintergrund“ weiter rege Kundenbindung betreiben. Analog könnte Apple zwar (zeitweise) durch neue Sicherheitsmechanismen die Crack-Konsumenten an weiterem Konsum hindern, aber langfristig bleibt das Problem unangetastet. Also muss man an die Quelle heran, die Ursache quasi an der Wurzel bekämpfen. Nun aber diejenigen juristisch zu jagen, die den Kopierschutz aushebeln und die Raubkopie erzeugen, ist ziemlich sinnfrei.

Im Falle unserer App „Supertrumpf“ müsste man einen mir nicht bekannten (hat der ein Glück!) Vietnamesen mit dem sarkastischen, aber treffenden Nickname „kidsmoney“ verfolgen. Aber beinahe alle Angebote im Internet, zumal die bekannten „Großen“ mit direkt gehackten .ipa Dateien oder Links zu solchen, liegen auf US-Webservern. Per Whois kann jeder nachsehen, wem denn die Domain gehört, auf der Raubkopien verteilt werden und welche Firma die Domain hostet. Weshalb kann also Apple nicht endlich die unsinnige Idee aufgeben, den Jailbreak zu verhindern, und die frei gewordenen Ressourcen nutzen, um genau an dieser Stelle ansetzen? Ich bin alles andere als ein Spezialist des transatlantischen Rechtssystems, aber ich würde annehmen, dass sowohl in den USA ein Urheberrecht besteht, als auch davon ausgegangen werden kann, dass Apple als US-Unternehmen juristisch gegen Betreiber in den USA vorgehen könnte, und sei es nur in Form der Erwirkung einer Sperrung der Domain durch den Hoster.

Auch wenn Freiheit eines unserer höchsten Güter darstellt, um den Bogen zum vorherigen Teil zu vollenden, sähe ich die Freiheit all der Crack-Portale-Betreiber sehr gerne eingeschränkt, genauso wie ein jeder Normalbürger sich wünscht, dass Dieben von der Justiz das Handwerk gelegt wird. Wenn es um „Freiheit“ geht, schätze ich doch die deutsche Interpretation des Themas: Ich habe nur soweit Rechte, wie sie nicht die Rechte eines Anderen einschränken.

Und Apple schweigt weiter zum Thema …“

Die Stellungnahme des App-Entwicklers Andreas Heck ist der letzte Teil einer dreiteiligen Serie zum Thema, in der wir anläßlich der im ersten Teil thematisierten Forderung, Apple solle sich der App Storepiraterie annehmen, diesen und einen weiteren kontroversen Standpunkt zum Thema vorstellten. An der Stelle nochmals ein Dank an Andreas Heck für die klaren Worte und natürlich beste Wünsche für die Verkaufszahlen seiner Apps.


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