Kommentar: Der Bundestag, der Mac und die politische Partizipation
rj, den 10. November 2008Es gibt keine öffentliche Ausschreibung, in der nicht von Barrierefreiheit die Rede ist. Trotzdem steht man bereits als Mac-Nutzer noch immer vor dieser Tür, will man sich näher mit parlamentarischen Vorgängen in Deutschland befassen. Ohne „Realplayer“ schaut man im Bundestag statt aufs Video in die Röhre. Gibt es Alternativen zu RealVideo, und wenn ja, muss sich der User drum kümmern?
Es ist ja nicht so, dass aktuell politische Sauregurkenzeit angebrochen ist. Das Stichwort lautet „Finanzkrise“. In der geriert sich die Politik aktuell gerne als Handlungsträger und Retter der Weltwirtschaft.
Informationsbedarf steigt
Der Informationsbedarf der Öffentlichkeit ist naturgemäß gestiegen. Comscore misst in England 10% und in Frankreich 9% mehr Traffic auf Finanzportalen, in Deutschland deren drei. Allein das Manager Magazin legte um knapp 40 Prozent zu.
Will man sich nun über die parlamentarischen Prozesse informieren, die dem vielgerühmten Engagement der Politik vorausgingen, verweist der deutsche Bundestag auf die Software aus dem Hause Real Networks.
Man ist dabei immerhin so bürgernah, um einen Videostream für Modem-User bereitzustellen. Um die proprietäre Software kommt man nicht rum, und auf dem Mac kommt man mit Bordmitteln nicht weit.
VLC und MPlayer sollen mit den Real-Formaten zurechtkommen. Einen Direktlink zum Stream kriegt man indes nicht immer bzw. eher selten, und wenn, meldet der VLC allerliebst: „VLC probably does not support this sound or video format.“ Nicht wirklich besser: Die Liveübertragungen gibt es immerhin per Flash-Plugin.
Wie partizipieren?
Partizipation sieht anders aus – insbesondere in einer Zeit, da man doch eigentlich die zentrale Rolle der Politik einmal mehr einer zunehmend verdrossenen Bürgerschaft erläutern könnte. Dazu passt auch, dass ausgerechnet bei einer weiteren zentralen Form der Bürgerbeteiligung – der Petition – die Netzgemeinde mit einer unsicheren und altertümlichen Plattform abgespeist wird. Die wurde zwar eben erst neu gestartet. Doch der Bund macht dabei so ziemlich alles falsch, was in dem Bereich falsch gemacht werden kann. Schlechte Benutzerführung, altbackene Gestaltung, gesetzwidrige Datenabfrage und fehlende Barrierefreiheit, konstatiert Alvar Freude vor seiner detaillierten Zerlegung der Online-Petitions-Bauchlandung.
Klar: Beteiligung am politischen Leben sollte nicht davon abhängen, welche Software man auf welchem Rechner installiert hat und installieren will. Das gilt jedoch für beide Seiten. Und richtig eingeladen fühlt man sich nicht bei der politischen Partizipation, weder auf dem Mac noch auf anderen Systemen. Und auch wenn man nichts mit bösem Willen erklären soll, was mit Inkompetenz ebenso gut erklärt werden kann: manchmal hat man schon das Gefühl, dass Formate so gewählt sind, damit eine netzöffentliche Verbreitung und anschließende Debatte möglichst schwerfällt.