StudiVZ: Aufsichtsratsmitglied Weber im Interview

Alexander Trust, den 4. Dezember 2006
StudiVZ - Screenshot
StudiVZ – Screenshot

Die Readers Edition veröffentlichte ein Interview mit dem Aufsichtsratsmitglied des StudiVZ, Martin Weber. Für das Interview verantwortlich zeichnet sich Florian Surek.

Weber, angesprochen auf die diversen Probleme des StudiVZ spielt rhetorisch klug den Pass immer weiter. Subtil gibt er eine Mitschuld der StudiVZ-Betreiber zu, nimmt aber die Gesellschaft gerne mit in die Verantwortung. Er verhält sich so, wie Politiker sich oft verhalten, wenn sie versuchen, eine ihnen gestellte Frage galant zu umschiffen.

Stalking im StudiVZ

Angesprochen auf das Problem der „Stalkingjagd“ in Mitgliedergruppen des StudiVZ, und was er als Investor darüber denke, gibt Weber zunächst den Hinweis darauf, dass die Studentengemeinschaft sehr groß sei, über 200 000 Gruppen verfüge und die Macher eine Meinungsvielfalt befürworten würden.

„StudiVZ ist in erster Linie eine Kommunikationsplattform. Über eine Million Studenten tauschen sich dort direkt oder in mehr als 200.000 Gruppen aus. Es wird die Meinungsvielfalt gepflegt, aber studivz darf kein rechtsfreier Raum sein. […]“
Martin Weber

StudiVZ darf also kein „rechtsfreier Raum sein.“ Die Überwachung einer so großen Gemeinschaft sei eine „Herausforderung“, meint Weber. In der Tat ist es das. In erster Linie aber für den Menschen und vor allem für die Macher hinter StudiVZ, und nicht für die Maschine. Einfache kleine Scripts hätten genügt, um gewisse Inhalte zumindest anzuzeigen. In der Folge hätten die Mitarbeiter des StudiVZ sich ähnlich Moderatoren in die Gruppen einschalten können.

Dass das Social Network zunehmend aber wie ein rechtsfreier Raum wirkt, zeigen Beispiele der sogenannten Stalker-Gruppe und jene mit der angeblich fehlinterpretierten Nazi-Satire.

Kommissar wegen rassistischer Äußerung suspendiert

Interessant ist in dem Zusammenhang die Nachricht aus der WZ vom 24. November. Ein StudiVZ-Mitglied aus dem Kreis Mettmann wurde zum Kommissar ernannt, kurze Zeit darauf jedoch sofort wieder suspendiert, denn der frisch gebackene Kommissar hatte bei StudiVZ eindeutig rassistische Drohungen formuliert.

„Man könnte das Schaf (gemeint ist die Münsteraner Disco ‚Das Schwarze Schaf‘) auch sprengen und vorher Flyer auf türkisch, albanisch und russisch verteilen – nur damit alle Asozialen da sind, wenn die Bombe hoch geht.“ Alleine schon die ausländerfeindliche Formulierung machte den Münsteraner Disco-Besitzer Christoph Hartig wütend.
WZ

Disko-Besitzer Hartig wurde von Gästen darauf angesprochen und wandte sich in der Folge an die Macher von StudiVZ. Was geschah?

„Als mich ein Gast auf diese Seite hingewiesen hat, habe ich sofort den Betreiber der Seite aufgefordert, den Beitrag herunter zu nehmen. Es ist aber nichts geschehen.“
WZ

„Nichts geschehen“, so wie im Fall der Stalker-Gruppe. Denn auch in diesem Fall gab es Beschwerden. Erst die Polizeibehörde Mettmann musste die Löschung des Beitrags veranlassen, wie ein Polizeisprecher bestätigte.

Tragikomisch ist, dass es ohne BILD-Zeitung keine Suspendierung, und in der Folge keine Reaktion seitens der StudiVZ-Gründer um Ehssan Dariani geschah, da diese den Bloggern, die seit längerem auf die Missstände hinweisen, abwertend die Nähe im Stil zum Boulevard nachsagten.

Zumindest im Fall der Sexismus-Vorwürfe ist bekannt, warum nichts geschah, nämlich weil einige der Mitgründer gerne selbst Teil der Gruppe geworden wären.

Ignoranz

Es ist daher auch unklar, warum der Holtzbrinck-Vorstand Weber derart offensichtlich über diese Sachverhalte hinwegsieht. Wir alle sind in der Pflicht, denn wir seien die Gesellschaft und vor allem die Nutzer des StudiVZ geht es an. Was aber, wenn diese sich bemerkbar gemacht haben, und von Seiten der Betreiber nicht reagiert wird? Diese Antwort blieb Weber im Interview schuldig. Es geht Weber indirekt ja um sein Produkt, und das schlecht zu reden wäre keine gute Firmenpolitik.

Immerhin nahm Weber einige der Macher in die Verantwortung. Namentlich wurde der Mit-Macher nicht genannt, welcher sich in die Stalker-Gruppe Einlass erbat. Der Blogosphäre ist er ohnehin grob bekannt.

„Man hat die Gruppe aufgefordert, Inhalte zu löschen und sich den AGB entsprechend zu verhalten. Der Mitarbeiter, der angeblich um die Aufnahme gebeten hatte, war in den Vorgang am Rande involviert und hätte die Gruppe selbst prüfen müssen, bevor er über einen Dritten einen angeblichen Beitrittswunsch ausspricht.“
Martin Weber

Die Devise lautet: Das Produkt schön reden, und die ungeliebten Macher aufmerksam machen. Immerhin haben sie sich in der Öffentlichkeit und im Umgang mit der Verantwortung für StudiVZ dilettantisch verhalten. Nicht nur von Investoren wird das nicht gerne gesehen. Weber, näher auf die Person Darianis angesprochen, gab Folgendes zum Besten:

„Ohne Zweifel hat Herr Dariani hier signifikante Fehler gemacht, sowohl was die erstellte und als Satire gemeinte Einladung als auch einige Videos angeht. Er hat sich dafür öffentlich entschuldigt. Über Geschmack lässt sich streiten, aber wir dulden keine rassistischen oder diskriminierenden Verhaltensweisen.“
Martin Weber

Und obgleich Weber gerade die Medien benutzte, um dieses Interview zu geben, spricht er diesen jedoch jedwede Entscheidungskraft ab, darüber zu entscheiden, wohin der Weg von StudiVZ gehen wird.

„Ob das StudiVZ ein Erfolg bleibt oder nicht, entscheiden nicht die Medien, sondern nur die Studenten selbst. Wir werden uns gemeinsam mit dem Team bemühen, den Anforderungen der Nutzer gerecht zu werden. Es wurde viel erreicht, vielleicht zu schnell. StudiVZ wird als Plattform ständig schneller und sicherer. Wir glauben an die Gesellschaft und das Konzept.“
Martin Weber

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