Essay: TeeVau – Quo vadis?

Alexander Trust, den 3. November 2006
TV
TV, Bild: CC0

Wir schreiben das beginnende einundzwanzigste Jahrhundert. Ein Dorf von unbeugsamen… Nein, anders: Quo vadis, TV? Was einst als Telemedium – noch ist das Fernsehen keine 100 Jahre alt – begann, ist heute mehr und mehr dazu verdammt, sich seinen Weg durch neue Technikkanäle zu bahnen.

Fernsehen übers Kabel, über Satellit und sogar die terrestrische Antenne. Diese Verbreitungswege sind etabliert. Jeder kennt sie. Selbst die, die der Flimmerkiste gänzlich abschwören, wissen darüber Bescheid, wie das Medium sich konstituiert. Es kommt heute von überall. Aus der Steckdose, aus der Telefonleitung, über Wellen von Mobilfunk- und Internet-Anbietern.

Ausdifferenzierung stellt sich ein

Vor nicht einmal vierzig Jahren gebar das Internet. Seitdem vollzogen sich sukzessive und immer schneller Synergien im Bereich der Technik. Seitdem gerät aber auch das herkömmliche Fernsehen immer weiter in Bedrängnis. Was ist Fernsehen heute, da flache LCD- oder Plasmadisplays zunehmend die Röhrenbildschirme verdrängen? Was wird das Fernsehen sein, in nicht einmal zehn Jahren? Schon heute liefern UMTS-Mobiltelefone auf Minidisplays Fernsehbilder aus.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der der Markt überschwemmt wird von neuen Verbreitungstechniken und Zugangsmöglichkeiten zum Fernsehen. Das fesselte die Akteure einst stur an ihre heimischen vier Wände. „Ausdifferenzierung“ heißt dieser Prozess in der Medienwissenschaft. Der setzt immer dann ein, wenn ein Medium über seine herkömmlichen Eigenschaften kaum mehr Impulse verspricht. MHP, EPG, Interaktivität, digitales Fernsehen, HD und Co… Alles schön und gut. Doch braucht ein Medium neues Land.

Neue Verteilungskämpfe

In unblutigen Schlachten geht es vor allem um Geld. Ein jeder möchte dabei gewinnen. Und am Ende? Am Ende wird es nicht so sein wie sonst immer. Denn wir sind in der gesellschaftlichen Entwicklung auf einem Level angelangt, da es Dank Globalisierung keine weitschweifigeren Tendenzen mehr zu geben scheint. Höchstens andere Planeten bleiben noch zu erobern. Doch bis dahin müssen wir das alltägliche Leben neu organisieren.

Fernsehen war ein Leitmedium. Das bewegte und über Entfernungen transportierte Bild macht es sich nun aber überall und nirgends gemütlich. Das Fernsehen beansprucht das Auge und das Ohr. Aber seit der Einführung von Speichermedien für Bild- und Tonmaterial und der flächendeckenden Digitalisierung von Fernsehbildern wird die vergleichende Analyse möglich. Die exerzierten vorher nur Literaturwissenschaftler am Objekt ihrer Belletristik.

Auf dem Weg zu Spielern und Nutzern

„Quo vadis?“ fragen wir also heute. Wir schauen uns um, und erkennen einen Zuwachs an Mobilität, der nicht in einer zwanghaften Bewegung endet. Die Ausdifferenzierung findet vor unseren Augen „und“ hinter unserem Rücken statt. Gibt es am Ende dieses Prozesses für jeden den optimalen Zugangsweg zum bewegten und vertonten Bild?

Es gab und gibt den Unterschied zwischen Stadt und Land. Daneben gibt es die Differenzierung zwischen Globetrottern und Normalbürgern. Moderne Gesellschaften entwickeln sich fernab globaler Konfliktherde, und zwar in distinktive Schichten von Akteuren. Der US-Medienwissenschaftler Lev Manovich traf die Unterscheidung zwischen Playern (Spielern) und Usern (Nutzern). Zwischen diesen beiden Polen bilden sich mehr oder weniger technikaffine Kategorien aus. Es wird sowohl mobile Spieler, als auch mobile Nutzer geben, die ihr Fernsehen über die unterschiedlichsten Kanäle überall empfangen. Daneben gibt es aber auch die stationären Nutzer und Spieler. Denn Mobilität kennt ihre Grenzen, selbst in der heutigen Gesellschaft, nicht nur aus kulturellen Rahmenbedingungen, sondern wirtschaftlichen.

Das Fernsehen verschwindet nicht

Was jedoch nicht geschieht: Das Fernsehen verschwindet nicht von der Bildfläche. Wie nie eine mediale Funktion jemals von der Bildfläche verschwand. Zwar verschwanden in der Geschichte einzelne Medien, jedoch immer nur dann, wenn andere Medien ihre Funktion übernahmen. Mediale Funktionalität ist zeitlos.

Es steht dazu nicht im Widerspruch, wenn man sagt, dass mediale Funktionalität tradiert wird. Einzig wenn unsere Spezies sich nicht mehr überlebt, wird auch die Debatte über Medien und ihre Funktion erlöschen. Nichts ist von Bedeutung, solange der Mensch nicht drüber diskutiert. Man soll jedoch niemals nie sagen, und vielleicht kommt ein Mal der Tag, an dem die Delphine uns zurufen: „… und danke für den Fisch.“


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