Mangaka made in Germany

Alexander Trust, den 8. September 2006
DuO
DuO, Foto: Fantasy (CC BY-SA 3.0).

Mangas sind, leicht vereinfacht formuliert, japanische Comics. Mangakas werden die Macher solcher Comics genannt. In Japan hat sich die Bezeichnung Mangaka sogar zu einem offiziellen Berufsstand institutionalisiert. Übergroße Mandelaugen gelten als das obligatorischste aller Erkennungszeichen für Comics in diesem Stil. In Deutschland ist die Branche dabei mit Hilfe junger Mädchen ersten Boden gut zu machen.

Polnisch-ukrainisches DuO

Die 21-jährige Reami ist in Polen geboren, und Asu, 19, stammt ursprünglich aus der Ukraine. Die beiden jungen Frauen sind sich auf der Schule in Sankt Augustin bei Bonn begegnet. Aus einer Freundschaft und zu viel Langeweile entstand das Zufallsprodukt, die Arbeitsgemeinschaft DuO. Unter diesem „Künstlernamen“ firmieren Reami und Asu heute. Während die jüngere Asu vornehmlich mit diversen Utensilien auf Papier und am Computer zeichnet, kümmert sich die andere Hälfte, Reami, um alles andere. Im Steckbrief auf der Homepage von DuO heißt es, sie sei überall dabei, aber zeichne und tusche nicht.

Nachdem DuO 2002 beim Comic-Verlag EMA unter Vertrag genommen wurde, tingeln die beiden Mädchen für ihren Arbeitgeber durch Deutschland, und sind zum Beispiel regelmäßige Stammgäste auf der Leipziger Buchmesser. Ihr Erstlingswerk „Mon-Star Attack“ gehört zu den Bestsellern des Verlages: Überdreht ist dieser Comic, der erst im Dezember 2004 als Taschenbuch-Ausgabe erschien. Eine Komödie um ein Alienmädchen im Weltraum, das die Eroberung des Sonnensystems anstrebt. Im September 2005 erschien ein zweiter Band als Taschenbuchausgabe. Nicht weniger abgedreht ist das neuste Exemplar polnisch-ukrainischer Schaffenskraft – „Indépendent“ verfügt wiederum über eine weibliche Protagonistin: ein junges Mädchen, das aus einer Mafia-Familie stammt und in verworrene Abenteuer und Schwierigkeiten stürzt.

Preußischblau

„Prussian Blue“, zu Deutsch Preußischblau, lautet der Titel der ersten großen Veröffentlichung von Christina Plaka. Die gebürtige Offenbacherin ist 23 Jahre jung, und erzählt in ihrem Comic die Geschichte einer gleichnamigen Musikband. Prussian Blue möchte sich gegen Konkurrenz in einem Musikwettbewerb durchsetzen. Die zunächst einzig aus Jungs bestehende Band wird um weibliche Sängerin erweitert, die sogar in die WG der anderen Bandmitglieder einzieht. Liebe aber auch zwischenmenschliche Konflikte werden in der Folge thematisiert, weniger ausgeflippt als die Comics von DuO.

2003 wurde Christina Plakas Manga im Carlsen Verlag zu Hamburg verlegt, nachdem sich Plaka bereits drei Jahre zuvor beim Verlag beworben hatte, jedoch mit der Begründung abgelehnt worden war, es gäbe keinen Markt für deutsche Mangas. Dies scheint sich seither allerdings geändert zu haben. Der Nachfolge-Comic von Plaka, „Yonen Buzz“, ist eine Fortsetzungsgeschichte, erschienen ist er allerdings im Tokyopop-Verlag. Neben EMA und Carlsen zählt Tokyopop zu den großen Drei in diesem Metier.

Mehr als nur Passion – harte Arbeit

In einem Interview aus dem Jahr 2004, das Christina Plaka dem Sender Arte gab, wird deutlich, warum die Bezeichnung Mangaka in Japan einen Beruf bezeichnet. Selbst wenn man damit das Hobby zum Beruf machen kann, sei es duchaus anstrengend. Plaka zeichnete 35-seitige Kapitel, die sie monatlich an den Verlag senden sollte. Termindruck und Wünsche aber auch „harte Kritik der Leser“ machten die Arbeit an den Comics nicht immer einfach. Krankheit oder Studium könnten in solchen Fällen nicht als Ausrede herangezogen werden. Es gab Moment, ließ Plaka die Interviewerin wissen, in denen sie daran zweifelte, dem immensen Druck standhalten zu können.

Eine Frage der Technik?

Für Plaka ist aber auch klar: Sie zeichnet mit der Hand. Sie hätte gar nicht die Geduld, sich stundenlang vor einen Computer zu setzen. Zudem lege sie Wert auf einen „natürlichen“, puristischen Stil, der ihre Comics auch ausmacht. Die zeichnende Hälfte von DuO, Asu, sieht das Benutzen von technischen Hilfsmitteln offensichtlich ganz anders. Denn die 19-jährige zeichnet zwar auch (viel) mit der Hand, verwendet aber ebenso ein Grafiktablett und kennt sich in digitaler Grafikbearbeitung aus. Zu ihren Software-Werkzeugen zählt sie neben Photoshop auch OpenCanvas.

Nachholbedarf

Noch entwickelt sich die Branche langsam. Bei deutschen LeserInnen sind Mangas made in Germany mittlerweile etabliert. Das war nicht zu jeder Zeit der Fall. Auflagen von bis zu 20 000 Exemplaren erreichen deutsche Mangas derzeit. Damit kann unter Umständen der Einzug in die Bestsellerlisten am Buchmarkt geschafft werden. Die Branche steht jedoch noch weit am Anfang. Von rund 80, 90 Titeln die monatlich in Deutschland erscheinen, ist lediglich ein einstelliger Prozentsatz aus eigener Produktion. Merchandising in dem Sektor steckt noch in den Kinderschuhen, birgt somit noch Potenzial, „auch“ für ZeichnerInnen von Mangas neue Einnahmequellen zu erschließen. Der Chef von Tokyopop-Deutschland, Joachim Kaps, äußerte gegenüber dem Magazin KulturSPIEGEL, dass Verlage sich für ihre Autoren durchaus verantwortlich fühlen (müssen).

Nachholbedarf besteht wohl auch in Sachen Gleichberechtigung. In den letzten Jahren sind hauptsächlich Mädchen bei den Verlagen unter Vertrag genommen worden. Shootingstar Anike Hage jedenfalls äußerte den vorsichtigen Verdacht, dass Mädchen wohl disziplinierter und zuverlässiger seien. Mit „Gothic Sports“ wird sie derzeit bei Tokyopop verlegt.


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