Kommentar zur WWDC-Keynote 2006
Redaktion Macnotes, den 8. August 2006All jene, die sich in den vergangenen Wochen an immer abstruseren Spekulationen rund um eierlegende Woll-Milch-iPods berauscht haben, dürften nach dem gestrigen Abend vorerst in Katerstimmung verfallen sein. Denn die WWDC-Keynote war 2006 genau das, was sie sein sollte: Ein Lagebericht und ein Zukunftsausblick für die, die Software für die Mac-Plattform schreiben. Dass das mittlerweile gut 750 000 Menschen überall auf der Welt tun, ist eines der vielen positiven Signale, die man im Gerüchte-Wahn leicht übersieht.
Ebenso erfreulich ist die Tatsache, dass mit Mac Pro und Xserve jetzt die gesamte Produktpalette Apples auf Intel-CPUs umgestellt ist. Gerade einmal 210 Tage hat Apple dafür gebraucht – selbst viele Optimisten hatten noch vor einem Jahr mit dem Doppelten gerechnet. Mit dem Mac Pro und dem Xserve, beide mit je zwei Exemplaren von Intels Vorzeige-Prozessor bestückt, ist Apple endlich wieder im High-End- und Profi-Segment konkurrenzfähig bzw. der Konkurrenz in vielen Belangen sogar weit voraus. Das neue, noch aufgeräumtere Innenleben des Mac Pro ist kurz gesagt genial – und einzigartig auf dem Markt.
Mac OS X der Konkurrenz voraus
Gleiches gilt noch immer und immer mehr für Mac OS X, das Herzstück der „Mac-Experience“, wie Steve Jobs schon bei der Ankündigung des Intel-Umstiegs richtig bemerkte. Sicher kann man sich darüber streiten, ob immer aufwändigerer optischer Schnick-Schnack der richtige Weg in die Zukunft ist. Aber klar ist auch: So elegant und einfach wie mit Mac OS X lässt sich mit keinem Betriebssystem arbeiten. Der Abstand zur Konkurrenz wird mit Leopard nur noch größer. Dazu tragen Features wie die neue Time Machine oder Spaces bei, die so intuitiv zu bedienen sind, dass man sich fragt, warum es so etwas nicht schon immer gab. Die ersten Einblicke in die neue Version von Mail sind ebenfalls sehr vielversprechend. Offensichtlich wird Mail zur umfangreichen Büro-Software ausgebaut. Apple scheint endlich erkannt zu haben, dass eine zentrale Anwendung zum Verwalten von Nachrichten, Kontakten, Aufgaben und Terminen einfach effizienter ist als die vielen einzelnen Tools, die dafür bisher zuständig sind.
Was wir hingegen vermisst haben, war ein Blick auf den Finder. Jobs erwähnte ihn mit keinem Wort und in der Developer Preview lassen sich keine Änderungen erkennen. Insoweit kann man nur hoffen, dass ein überarbeiteter Finder eine der streng geheimen Neuerungen ist, die Apple – angeblich aus Angst vor Microsofts Kopier-Künsten – bisher noch unter Verschluss hält.
Kritik an Microsoft
Überhaupt fiel auf, wie offen man den Konkurrenten aus Redmond diesmal kritisierte. Das zeugt natürlich von gestiegenem Selbstbewusstsein. Aber aus meiner Sicht wirkte Steve Jobs gestern trotzdem etwas müde und nicht in Bestform. Es fehlte die kindliche Begeisterung und das Leuchten in den Augen, das „His Steveness“ für gewöhnlich auszeichnet. Als er sagte, dass Apple und Google zu kopieren Alles sei, was Microsofts Forschungs- und Entwicklungsabteilung mache, war das sehr ernst gemeint und klang nicht nach der üblichen Ironie, sondern fast verbittert. Vielleicht ist es ein Fingerzeig für die Zukunft, dass ein Großteil der Keynote nicht mehr von Jobs selbst, sondern von seinen Mitarbeitern gestaltet wurde. Hoffen wir also, dass Jobs noch möglichst lange Gastgeber – und nicht nur Gast – auf den Keynote-Bühnen dieser Welt ist!