Ist Google+ wirklich das beste Social Network?
Alexander Trust, den 18. Juli 2015Bernd Rubel von MobileGeeks ist der Meinung, dass Google+ das beste Social Network der Welt ist. Seine Begründung genügt dabei leider nur subjektiven Kriterien, was den Wortbeitrag trotzdem nicht gänzlich abschwächt.
Rubel wehrt sich bei MobileGeeks gegen das schlechte Image, das Google+ in der Öffentlichkeit genießt. Die Webseite von Macher Sascha Pallenberg nutzt der Autor als Beleg dafür, dass „auf Google+ doch was geht„. Verglichen wird zum Beispiel mit dem „Erfolg“ von TechCrunch. Das Beispiel wird nicht umsonst gewählt, da das Magazin 2014 für Google+ den Zombie-Modus ausrief. Dabei gehört TechCrunch selbst zu den 20 Seiten, die die meisten Fans auf Google+ haben. Doch nicht viele besuchen die Seite. Fast 7,9 Millionen Followern stehen lediglich etwas über 360 Millionen Aufrufe gegenüber, das Ergibt ein Verhältnis von 46. Mobilegeeks hingegen hat „nur“ knapp 61 000 Follower, aber mehr als 50 Millionen Seitenaufrufe, was einem Verhältnis von 824 entspricht.
Obwohl Rubel damit plausibel machen möchte, dass bei Google+ eben doch was geht, ist das in meinen Augen kein ausreichendes Argument. Kritiker warfen dem Social Network vor, dass dort wenig los sei, was nicht in jedem Fall stimmt. Denn wie Rubel richtig formuliert, ist Google+ kein Mülleimer, sondern ein Netzwerk, bei dem derjenige das bekommt, was er seinen Fans gibt. In absoluten Zahlen hat G+ jedoch das Nachsehen mit Twitter oder Facebook.
Inhalte und Funktionen wichtig
Doch für mich bemisst sich die Qualität auch an den Inhalten auf Google+ und an den Funktionen, die mir das Netzwerk bietet. Ein Feature, das ich persönlich bei Google+ besonders gut finde, ist die automatische Verschlagwortung. So wird für mich sichergestellt, dass ich zu gewissen Themen auf G+ eine enorme Auswahl finde.
Twitter dient zum Beispiel ausschließlich der Kommunikation und bietet keine Spiele oder Zusatzfunktionen wie Videochats oder Sprachnachrichten. Mit Periscope hat Twitter zwar ein Tool bereitgestellt, das ist jedoch nicht in Twitter selbst integriert, sondern lebt quasi autark nebenher. Das Netzwerk hat meiner Meinung nach lange Zeit auf der Suche nach Monetarisierungsmöglichkeiten nicht beachtet, dass es zur Kommunikation gut zu gebrauchen ist. Positiv war zuletzt die Einführung von Gruppen-Direktnachrichten, die der Plattform eine neue Facette bieten. Auch Facebook hat begriffen, dass Kommunikation ein zentrales Element des Netzwerks ist und deshalb seinen Messenger Stück um Stück extrahiert und weiterentwickelt. Dies fehlt bei Google+ ein wenig beim direkten Miteinander. Es gibt Funktionen, die sind jedoch nicht so direkt zugänglich. Anders ist es natürlich mit Gruppen-Videochats à la Hangout. Doch Google weiß wohl bis heute noch nicht so recht, was es mit dieser Funktion anfangen möchte, wenngleich es mittlerweile, vor allem in den mobilen Apps deutlich besser integriert ist, als noch zu Anfang.
Es gibt auch heute noch Nutzer, die mit Funktionen bspw. zum Ignorieren von Hashtags, sei es temporär oder dauerhaft, überfordert sind, oder sie nicht kennen. Doch helfen diese, die Kommunikation zu entschlacken. Auf Twitter ist es trotzdem heute noch äußerst problematisch, bei dem ganzen Spam ein Thema wirklich zu verfolgen. Nur, wenn dies wirklich eine große Reichweite entwickelt, gibt es dazu viele „ernsthafte“ Beiträge und vermeintlich weniger Spam. Doch bei kleinen Themen ist der Anteil an Spam-Nachrichten viel zu groß, dass Nutzer bei der Suche ein positives Gefühl des Auffindens zurückbehalten würden.
Das geht auf Google+ besser. Doch es gab Zeiten, da hat Google sich so verhalten, dass man Nutzer dazu einlud, ihren Müll auf G+ abzulegen. Dies spricht Rubel ebenfalls an: Es handelt sich um den Zeitpunkt, als man die Autorschaft zum Ranking-Kritierium in Google machen wollte. In dieser Zeit sind viele Fan-Seiten und Accounts im Social Network entstanden, auf denen aber außer Schlagzeilen nichts weiter gelandet ist; Spiele habe ich jetzt noch gar nicht angesprochen. Sie sind aber eine weitere Facette, die bei Facebook besonders gut funktioniert und zumindest einem Teil der Nutzer super gefällt, anderen hingegen wegen der vielen Einladungen und Benachrichtigungen mächtig auf den Wecker geht.
Bevormundung durch Soziale Netzwerke
Google hat zum Glück außerdem nicht allzu viel mit der eigenen Timeline angestellt. Anders als Twitter und Facebook. Denn in diesen beiden Social Networks wissen viele Nutzer überhaupt nicht, was ein Teil ihrer Bekannten so berichtet, weil diese Nachrichten nie bei ihnen ankommen. Bei Twitter liegt dies nicht nur an der Filterung der Nachrichten nach Algorithmen, die noch gar nicht so alt ist. Vielmehr kann man bei Twitter nicht trennen, ob die Inhalte von Freunden oder von Firmen kommen. Letztlich heißt es aber: Wenn sie wirklich genervt wären von tausenden Hinweisen auf Technik-Themen und lieber über Sport kommunizieren wollten, oder umgekehrt, dann würden sie es entweder auf die Art zeigen, dass sie die Personen stummschalten, entfolgen oder aber zur Sprache bringen. Ich weiß sehr wohl, dass diese Auswahl bei Facebook mittlerweile sehr gut funktioniert, weil ich mir öfter die Timelines von Kollegen und Freunden angucken kann und diese sind durchaus ein Abbild der Interessen derjenigen Nutzer. Das bedeutet aber ja nicht, dass sie nicht Nachrichten von Freunden trotzdem weitersagen und vervielfältigen würden. Nur Facebook lässt sie eben nicht.
Sich auskennen
Rubel zitiert ist seinem Beitrag noch George Cohn, der gesagt hat, dass es manchmal einfacher ist, die Software zu verteufeln als zu lernen, wie man sie benutzt. Dies ist aber in meinen Augen kein Argument, das nur auf Google+ gemünzt werden kann. Einige der Dinge, die ich oben erwähnte, zeigen am Beispiel von Twitter und Facebook ebenfalls, dass es dort Funktionen gibt, bei denen die Nutzer sie nicht verwenden oder aber bevormundet werden und man versucht, ihnen den Gebrauch durch automatische Filter abzunehmen.
Werbung
Dass es auf Google+ keine Werbung gibt, ist für den Moment positiv, aber sicher nicht das Ergebnis der Menschenliebe von Google. Dass Rubel es in seinem Beitrag auf MobileGeeks so darstellt finde ich problematisch. Denn schaut man sich Googles Suchergebnisse an, kann man recht viel Werbung finden. Auch bei Gmail gibt es mittlerweile „Sponsored Promotions“. Wenn Google+ eine ähnliche Nutzeraktivität vorweisen könnte wie diese Dienste Googles, wäre es mit der werbefreien Zone sicherlich rasch vorbei.
Dazu muss ich Herrn Rubel noch korrigieren. Denn er argumentiert, dass Facebook und Twitter wegen dieser Sponsored Postings in den Feeds neuerdings die Lieblinge von Agenturen und Webseitenbetreibern wären, weil man damit „billig“ Traffic auf die eigene Webseite holen könnte. Ich habe selbst über zweieinhalb Jahre für einige Projekte Advertising auf Facebook gemacht, bzw. machen müssen. Wer versucht auf diesen Wegen Traffic auf die eigene Webseite zu holen, der muss im Gegenteil sogar viel Geld haben. Denn dieser Traffic ist nicht billig, zumindest nicht günstiger als auf anderen Kanälen wie Adwords oder bei Outbrain, Plista und Co. Und das ist es dann nicht Wert.
Ist denn jetzt aber Google+ das besten Social Network? Würden wir dieselben Argumente nutzen wie Bernd Rubel von MobileGeeks, müssten wir Twitter als das beste Soziale Netzwerk kennzeichnen, weil wir darüber die meiste Interaktion mit unseren Lesern pflegen. Doch weil jedes Netzwerk zwar Überschneidungen in der Klientel hat, aber Unterschiede in seiner sozialen Verfasstheit bietet, kann man die Netzwerke pauschal nicht miteinander vergleichen. Denn man muss auf Twitter anders mit den Followern umgehen, als man es auf Facebook mit seinen Fans tun muss oder auf Google+.
RSS-Reader
Mein persönlich bestes Social Network ist eines, das gar keines ist, nämlich der RSS-Reader meiner Wahl, NewsBar. Ich bin der Meinung dass ich dort die Themen präsentiert bekommen, die ich gut finde, und die habe ich mir über die Jahre selbst zusammengesucht.
Sozial ist dabei freilich nicht so viel, außer vielleicht, wenn ich Beiträge aus NewsBar in Sozialen Netzwerken weitersage. Aber wenigstens hab ich mit dem Programm die Gewähr, dass mir nicht ein Algorithmus Beiträge vorenthält, von denen ich nicht entscheiden durfte, ob ich sie sehen möchte, oder nicht.