DAW fürs iPad mit MIDI-Schwerpunkt: NanoStudio
me, den 9. Mai 2013Da sich das iPad zusehends zu einer beliebten Recording-Plattform entwickelt und wir bereits die DAWs Auria und Music Studio im Test hatten, haben wir uns dieses Mal die MIDI-orientierte App „NanoStudio“ angesehen.
Im Gegensatz zu Auria und Music Studio fällt der Download bei NanoStudio mit rund 90 MB relativ klein aus. Die App ist am ehesten mit Music Studio vergleichbar, da sie ebenso einen Synthesizer mit einem Sequenzer vereint. Allerdings gibt es keine gesampelten Instrumente und auch keinen Shop für ebensolche, sondern den selbst programmierbaren Synthesizer „Eden“, für den es allerdings schon jede Menge Sound-Presets gibt. Zusätzlich gibt es einen Mixer-Bereich, komplett mit Channel-Strips und Inserts für Effekte.
Die Oberfläche
Der erste Eindruck ist positiv. Die Oberfläche präsentiert sich übersichtlich, die Bedienelemente sind angenehm groß und logisch angeordnet. Am linken oberen Bildschirmrand finden sich die Buttons um Kanalbelegung, Songansicht, Mixer oder Einstellungen auszuwählen. Mittig finden sich Songinformationen und Track-Count, der per Klick entweder Takt oder Sekunden anzeigt. Rechts davon befinden sich Buttons für Quantisierung, Undo-Funktion und der Transportbereich. Dieser obere Bereich ist jederzeit zu sehen, egal ob man sich im Sequenzer, Mixer, Synthesizer oder Menü befindet.
Belegung der einzelnen Kanäle
In dieser Ansicht hat man, neben weiteren Schaltern für Loop und Metronom in der Leiste, alle 16 Kanäle im Überblick. Man kann sehen, ob diese mit „Eden“ oder dem „TRG-16“, einem anpassbaren Instrument mit 16 Trigger-Pads, belegt ist. Allerdings sind nur sechs Kanäle verfügbar, von denen einer bereits mit dem Mixer belegt ist. Wer weitere benötigt, kann diese per In-App-Kauf für 4,49 Euro freischalten. Berührt man den jeweiligen Kanal etwas länger, lässt sich ein Name vergeben, und sowohl Midi-Kanal als auch Instrument auswählen. Ein Simpler Klick befördert einen direkt zum Instrument.
Ein „Eden“ für alle Fälle
Eden ist ein Keyboard-Instrument, welches einen klassischen, analogen substraktiven Synthesizer emuliert. Eden hat Platz für 256 Presets, die in vier Bänke zu je 64 unterteilt sind. A und B sind bereits gefüllt, C ist frei und kann vom Nutzer bestückt werden. Diese drei sind in allen Projekten verfügbar, wohingegen D projektspezifisch ist und die Möglichkeit bietet, Presets zu speichern, die nur im aktuellen Projekt vorhanden sein sollen. Die Synthesizer-Ansicht besteht immer aus dem Keyboard in der unteren Hälfte und einer wechselbaren Ansicht im oberen Teil. Dort können wahlweise zwei Modulations-Pads, weitere Keyboard-Tasten oder die Einstellungen des Synthesizers angezeigt werden.
Das Ausgangssignal für den Synth wird entweder von zwei Oszillatoren erzeugt, die in verschiedenen Modi miteinander kombiniert werden, oder durch ein Sample bereitgestellt. Dieses kann aus vorhandenen Audio-Dateien (auch aus anderen Projekten), oder per Audio-Paste eingefügt, oder direkt aufgenommen und bearbeitet werden. Das Signal wird durch Filter, Verstärker und LFO gejagt und kann individuell moduliert werden. Zusätzlich gibt es eine Abteilung, die sich „Patchbay“ nennt, in der verschiedene Modulationsquellen, wie z. B. eines der XY-Pads, mit Parametern verknüpft werden können. So kann Beispielsweise eingestellt werden, welche Werte mit den beiden Modulator-Pads angesteuert und verändert werden. Zum Schluss wird das Signal wahlweise noch durch einen Waveshaper und einen Chorus/Delay-Effekt gesendet.
Die Synthesizer-Sektion ist übersichtlich aufgebaut und bietet durch vorhandene Presets selbst für Laien vielfältige Möglichkeiten.
Triggerpads zum Anfassen und Anpassen
Der TRG-16 ist ein Instrument mit 16 Triggerpads, das mit vorhandenen Sound-Bänken oder selbst aufgenommenen Samples bestückt werden kann. Unter den vorhandenen Sounds finden sich elektronische Drumkits wie 808 und 909, sowie akustische Varianten. Obendrein gibt es Bänke mit bereits fertigen „Drumsessions“, wo jedem Trigger-Pad verschiedene Rhytmus-Variationen zugeordnet sind. Leider liegen diese nur in 125 bpm vor. Die Qualität der Sounds ist gut und bietet eine Grundlage für den richtigen Beat.
Jedes Pad kann einzeln editiert werden, wobei Samples geladen oder aufgenommen, das Verhalten des Sounds beim Triggern eingestellt, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und Werte für Lautstärke, Stereobild, Attack und Release festgelegt werden können. Jedes Pad kann einem von drei Bussen zugeordnet werden, von denen jeder über eine eigene Filtersektion und Sends verfügt und welche im Mixer getrennt geregelt, und mit Effekten belegt werden können. Aufgenommene Samples können bis zu 190 Sekunden lang sein. Alternativ kann der Sampler benutzt werden, um den Mix zu „Resamplen“ und auf ein Trigger-Pad zu legen. Durch diese Technik ist es möglich, das Projekt zu „Bouncen“ und Spuren freizumachen. Das aufgenommene Sample kann in einem weiteren Schritt mit Effekten belegt und gespeichert werden.
Die Arbeit mit dem TRG-16 macht Spaß und kann, in Verbindung mit der Loop-Funktion bei der Aufnahme, bei Bedarf eine dedizierte Drum-Machine ersetzen, wenngleich der Komfort eines Step-Sequenzers fehlt.
Song-Ansicht
Die Song-Ansicht ist aufgebaut wie die meisten anderen Arrangierfenster gängiger DAWs. Oben befindet sich die Zeitleiste, links die Spurheader mit Bezeichnung, Instrument und ausklappbarem Menü und am unteren Rand verschiedene Werkzeuge zum Bearbeiten der MIDI-Regionen. Ich schreibe bewusst MIDI-Regionen, da NanoStudio an sich keine Audio-Spuren unterstützt. Sämtliche Audio-Aufnahmen können nur über die zuvor erwähnte Sampling-Methode eingebunden werden, was durchaus machbar, aber etwas umständlich und so gar nicht Workflow-orientiert ist.
Die MIDI-Bearbeitung funktioniert allerdings sehr gut. Es gibt einen eigenen Editier-Bereich in Form einer Piano-Rolle, in welchem Noten eingefügt und hinsichtlich verschiedener Parameter bearbeitet werden können. Neben Werten wie Velocity, Pitch Bend oder Volume können sogar die Werte der Modulator-Pads verändert werden. Für jeden Bereich gibt es einen eigenen Bildschirm. Das erleichtert ein gezieltes Arbeiten. Das Editieren der MIDI-Informationen funktioniert, genauso wie das Arrangieren im Sequenzer, erstaunlich gut. NanoStudio schafft dies durch kleine Buttons, die erscheinen, sobald man eine oder mehrere Noten bzw. Regionen ausgewählt hat. Berührt man einen Button und verschiebt diesen, bewegt man die ausgewählten Objekte oder verändert sie in der Länge. Gezoomt werden kann entweder über entsprechende Buttons neben der Bildlaufleiste oder per Pinch mit zwei Fingern. Toll ist zudem, dass man eine Region entweder als normalen Songteil oder als „Pattern“ kennzeichnen kann. Kopiert man ein Pattern bzw. loopt es im Song, werden durch die Bearbeitung an einer Stelle gleich alle anderen ebenso bearbeitet. Eine Möglichkeit, die Farbe einer Spur oder Region zu verändern gibt es nicht.
Mixer
Der Mixer bietet für jede Spur einen eigenen Channel-Strip mit vier Insekts für die Effekte Kompressor, 3-Band-Equalizer, Delay, Chorus, Flanger, Waveshaper und Reverb. Zusätzlich zu den Spurkanälen gibt es noch zwei Return-Kanäle für die beiden Sends, welche ebenso mit jeweils bis zu vier Effekten bestückt werden können. Gleiches gilt für den Master. Sämtliche Knöpfe und Regler sind übersichtlich angeordnet und lassen sich gut bedienen, wobei für runde Regler festgelegt werden kann, ob diese linear oder zirkulär bedient werden. Eine richtige Automation für Werte gibt es anscheinend leider nicht, Buttons hierfür fehlen ebenso. Man kann zwar während einer Aufnahme die Regler im Mixer bewegen. Das wird aber leider nur in der MIDI-Spur für das jeweilige Instrument als Lautstärke-Wert eingetragen. Regelt man die Lautstärke an einer Stelle eines Patterns, werden gleich alle diese Patterns entsprechend geregelt. Falls es eine Lösung für dieses Problem gibt, ist sie sehr gut versteckt, allerdings verliert die Anleitung kein Wort hierüber.
Einstellungen und externe Geräte
In den Settings kann das Projekt gespeichert werden, und auf verschiedene Arten mit anderen geteilt. Einzelne Kanäle oder der ganze Song können als WAV- oder OGG-Datei ausgegeben, und per Soundcloud oder E-Mail geteilt werden. Das Projekt kann überdies als NanoStudio-Datei exportiert werden und mittels eines Sync-Progamms für OS X und Windows importiert werden. In der kostenlosen Version von NanoStudio für diese Betriebssysteme kann das Projekt weiterbearbeitet werden. Weiterhin können in den Einstellungen Audio-Qualität, Latenz-Zeit und MIDI-Mappings eingestellt werden. Angeschlossene Geräte können individuell angepasst und „angelernt“ werden.
Externe Geräte können entweder über ein MIDI-Interface wie den „Line 6 MIDI-Mobilizer“ oder als Core-MIDI-kompatibles Gerät per Camera-Connection-Kit angeschlossen werden. NanoStudio unterstützt lediglich MIDI-Input, keinen Output.
Fazit
NanoStudio bietet eine aufgeräumte Oberfläche, die sich schlicht im „Flat-Design“ präsentiert, was der App aber nicht abträglich ist, ganz im Gegenteil. Das Arbeiten macht wirklich Spaß und es ist für mich als Audio-Input-orientierten Recorder sehr schade, dass NanoStudio derzeit noch keine wirkliche Unterstützung für richtige Audiobearbeitung im Arrangierfenster bietet. Wenn der Entwickler diese in einer Form implementieren würde, die genauso gut funktioniert, wie die MIDI-Bearbeitung, hätte die App für ein breiter gefächertes Publikum sehr hohes Potential. Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass Audio leider nur in 16 Bit und 44,1kHz ausgegeben wird. NanoStudio verwendet zwar intern 32 Bit, um eine höheren Dynamikumfang zu gewährleisten, ausgegeben wird jedoch nur in 16 Bit.
Da der Entwickler, Mat von Blip Interactive, das Projekt ganz alleine stemmt, ist zu erwarten, dass Veränderungen und neue Features schrittweise eingeführt werden. Audiobus-Support ist für die nächsten Wochen angekündigt.
Wer einen flexiblen Synthesizer sucht und im MIDI-Bereich Zuhause ist, der sollte sich NanoStudio einmal näher ansehen. Reinen Audio-Recordern kann das Programm nur unter Vorbehalt empfohlen werden, da die Bedienung und das Gesamtpaket zwar stimmig sind, aber elementare Bereiche wie Audiospuren fehlen.
NanoStudio ist im App Store als Universal-App erhältlich und kostet 12,99 Euro. Die Bedienung auf dem iPhone gestaltet sich, aufgrund der guten Anpassung, ähnlich gut, auch wenn der limitierte Platz natürlich etwas an Komfort missen lässt.