SEO und SMO: Zeitpunkt der Veröffentlichung ist wichtig und erklärt Mythos vom Abschreiben
Alexander Trust, den 6. November 2012Ein Gedanke, der mir gerade wieder in den Sinn gekommen ist, den ich in manchen Mails und Gesprächen schon mit anderen Leuten diskutiert habe, ist derjenige von der Mär, dass speziell deutschsprachige Online-Journalisten super viel abschreiben würden. Es gibt genügend Argumente, warum das notwendig und sinnvoll ist, aber auch gar nicht anders zu realisieren. US- und Asien-Blogger sind unsere Korrespondenten, und wir bekommen manchmal, wie ich zeigen werde, selbst wenn wir wollen, trotzdem keine Informationen. Wenn man dieses Thema anspricht, kommt man nicht umhin, auch ein bisschen SEO und SMO anzusprechen.
Fangen wir jedoch woanders an: Es gibt Plattformen in der deutschsprachigen Online-Landschaft, die ganz ungeniert Pressemeldungen kopieren und veröffentlichen, sogar inklusive der vorhandenen Rechtschreibfehler, oder wenn es ganz dumm kommt, mit internen Hinweisen und entgegen irgendwelcher Embargos, weil die verantwortlichen Leute sich die Pressemitteilung nicht annähernd bis zum Ende durchgelesen haben. Mit Abschreiben hat das streng genommen gar nichts zu tun und soll deshalb nicht mein Thema sein.
Vorab möchte ich außerdem erklären: Es gab auf Macnotes (auch unter dem Vorbesitzer) und auf keiner anderen Webseite, für die ich in den letzten Jahrzehnten schrieb, oder die ich selbst betreibe, zu keiner Zeit kopierte Pressemeldungen. Darüber herrschte immer Konsens mit allen beteiligten Mitarbeitern. Was es immer geben wird sind Zitate, von Leuten, Autoren, PRlern, usf. Diese sind aber als solche gekennzeichnet. Doch trotzdem gibt es da diesen Mythos innerhalb der deutschsprachigen Blogosphäre, dass wir hierzulande vor allem abschreiben würden. Wer das „einfach so“ behauptet, der kennt viele Gründe nicht, warum das Ganze überhaupt so ausschaut und teilweise nicht anders geht. Entsprechend möchte ich mit dem folgenden Beitrag zur Aufklärung beitragen.
Der frühe Vogel fängt den Wurm?
Wenn man online erfolgreich sein möchte, muss man Ausdauer besitzen, muss man erfinderisch sein und mehr als alles andere: Man muss schnell sein. Dieses Argument wird auch landauf landab von SEOs gepredigt und ist eines, das man den Damen und Herren Suchmaschinen-Optimierern sogar mit Nachdruck streitig machen muss, selbst wenn Google nachweislich so dämlich ist, dass die Suchmaschine noch immer darauf hereinfällt, wenn ein Datum nachträglich manipuliert wird. Letzteres ist aber nur für das allgemeine Ranking von Belang und hat bei Google News keine Auswirkungen. Fakt ist: Der Veröffentlichungszeitraum spielt eine wichtige Rolle.
Dummerweise gibt es nicht nur eine Richtschnur, oder einen Maßstab, sondern gleich ganz viele. Die vier wichtigsten habe ich in dem Schaubild oben festgehalten. Leider sind die Anforderungen in puncto Veröffentlichungszeitraum an die einzelnen Kanäle nicht immer dieselben und widerstreiten sich zum Teil sogar.
Man muss also spezifische Analysen jedes einzelnen Kanals für die eigene Plattform ausführen, um Handlungsstrategien zu entwickeln und Optimierungspotenzial zu entdecken. Fragen, die man sich beantworten kann lauten z. B.: Wann lesen die Leser das Blog am häufigsten? Wann sind unsere Follower (in der Früh?) aktiv, wann unsere Facebook-Fans (am Abend?). Wenn man es richtig anstellt, bekommt man im Vergleich zur Konkurrenz mehr „Buzz“ frei Haus, ganz ohne viel Zutun.
Lässt man die eigene Website als Ökosystem in Interaktion mit den Stammlesern außer Acht und blende ich in diesem Beitrag auch die Social-Media-Kanäle aus, dann bleiben die Suchmaschinen übrig, die eine Rolle dabei spielen, wenn es um die Auflösung des Mythos vom Abschreiben gehen soll. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist vor allem Google seit Jahren mit deutlichem Abstand die dominanteste Suchmaschine. Laut Seo-United verfügt Google derzeit über rund 80% Marktanteil (Stand: November 2012) in Deutschland. Dabei sind Werte von anderen Suchmaschinen wie T-Online oder GMX noch nicht mit eingerechnet, die ebenfalls auf Google als Suchmaschine setzen. Die Daten stammen von Webhits. Der Focus berichtete im März noch von knapp 96% Marktanteil und berief sich auf andere Daten, nämlich von Comscore.
Das Thema spielt auch eine Rolle
Von Google als Kanal einmal abgesehen, gibt das Thema selbst ebenfalls noch drei weitere Zeitpunkte vor, an denen man darüber berichten könnte. Ganz grob formuliert ist dies vor dem eigentlichen Höhepunkt, zum Zeitpunkt des Höhepunkts, oder danach. Am Beispiel eines Videospiels könnte man den Tag der Veröffentlichung eben jenes Spieles als Höhepunkt annehmen. Dann ist meistens das Interesse der Nutzer am größten. Die nachfolgend abgebildete, interaktive Grafik von Google Trends verdeutlicht dies mithilfe von Saints Row: The Third. Das Open-World-Game wurde Mitte November 2011 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Frequenz der Suchanfragen zu diesem Spiel bei Google am größten.
Wohlgemerkt ist es nur meistens so, dass zur Veröffentlichung eines Produkts die Suchanfragen ihren Zenit erreichen. Das muss nicht immer der Fall sein und kommt auf das Thema an, und auf die Klientel. Bei Überraschungserfolgen wie Minecraft ist das Interesse auch lange nach der Veröffentlichung auf gleichem Level geblieben oder sogar noch angestiegen (vgl. Schaubild).
Wenn man es mit einem Thema zu tun hat, bei dem die Leser hochgradig informiert sind, dann ist oft sogar vor der Veröffentlichung das Interesse größer oder sogar am größten. Dieses Verhalten war jahrelang im Bereich von Videospielen die treibende Strategie beim Agenda-Setting. Denn bei Games ist es in der Regel so (gewesen), dass Zeitschriften (und deren Internet-Auftritte) oder große Online-Plattformen oft Tage, manchmal aber schon Wochen vor der Veröffentlichung eines Spiels mit einem Test dienen konnten und können.
In der Google-Suche werden sie dafür im Longtail wohl belohnt. Aber kurzfristig mehr Besucherzulauf können Seiten haben, die nicht einmal einen eigenen Test zu einem Spiel herausgebracht haben, sondern einfach zum richtigen Zeitpunkt mit den entsprechenden Keywords einen Beitrag veröffentlichen, in dem sie eine Übersicht von Testergebnissen anderer Plattformen anbieten (oder noch nicht einmal das) und über Google News den tagesaktuellen Andrang „abfischen“.
Das bereits erwähnte Saints Row 3 kann wiederum als Beispiel dienen. Allerdings verändern wir die Ansicht auf die Suchanfragen, und zwar schränken wir den Blick auf den November 2011 ein und verlassen Deutschland, und gehen in die USA.
Das Videogame wurde am 15. November veröffentlicht, einem Dienstag. Der Chart von Google Trends zeigt das größte Suchaufkommen für die Kombination der Keywords „Saints Row: The Third Review“ oder „Saints Row 3 Review“ an eben jenem Tag an. Die größten Videospielseiten für Nordamerika, nämlich IGN und Gamespot, haben ihre Testberichte allerdings jeweils am 11. November veröffentlicht. Dafür wurden sie von Google auch mit den Plätzen 2 und 3 belohnt und gewinnen im Longtail. Allerdings werden sie bei der tagesaktuellen Suche, die zu dieser Zeit auch Google-News-Einträge in der oberen Hälfte der Suchergebnisse anzeigte, zunächst nicht mehr aufgetaucht sein, oder unterhalb anderer, aktuellerer Beiträge. Da das Suchaufkommen am 11. November nur rund ein Drittel dessen ausmachte, was am Veröffentlichungstag über die Suchmaschine hätte realisiert werden können, haben zumindest IGN und Gamespot „diesen Kanal“ für sich nicht optimal ausgeschöpft. Allerdings könnten beide Plattformen wegen der Anzahl ihrer Stammleser unter dem Strich trotzdem zufrieden gewesen sein mit der Ausbeute. Das könnten am Ende nur die Betreiber dieser Portale beantworten.
Ist das vorher skizzierte nicht der Fall – und das wird es bei der Globalisierung der Märkte, der damit einhergehenden Produktüberflutung, und den zunehmenden Überraschungserfolgen von Independent-Produktionen, die allesamt erst weit nach ihrer Veröffentlichung zu „One Hit“-Wundern stilisiert wurden, immer seltener sein -, wird eine ganze Branche ad absurdum geführt. In diesem Fall könnte man für den Augenblick nämlich das größte Besucheraufkommen über Suchmaschinen abgreifen, wenn ein Hype um eine App entsteht. Dann können auch nachträglich veröffentlichte Reviews vielleicht mehr Leser erreichen als diejenigen, die schon vor dem Release herausgegeben wurden. Tatsächlich bedeutet das aber, dass man „immer aktuell“ sein muss, zu jedem Trend verfügbar und Bericht erstatten, damit man auch immer das Optimum herausholt. Kann man diesen sehr Ressourcen fressenden Weg gehen, können einem viele andere Faktoren total wurscht sein. Das ist aber vor allem für die Ressource Mensch, bzw. Redakteur, eine sehr Kräfte zehrende Strategie.
Google News: Das priorisierte Fließband
Das bringt mich zu Google News: Bislang habe ich nur erwähnt, dass Zeit auch bei Google eine Rolle spielen, und man durchaus langfristig einen Vorteil haben „kann“, wenn man einen Beitrag zu einem Thema frühzeitig veröffentlicht. Doch gerade beim „priorisierten Fließband“ Google News kommt es umso mehr auf Zeit an, und wie das gewählte sprachliche Bild andeutet, können Webseiten, die über diesen Kanal Nutzer generieren, sich nicht ausruhen. Das ist die eigentliche Krux, die neben der Google-Suche, die vor Jahren – ohne Panda und Pinguin – ebenfalls den Faktor Zeit besonders hoch einstufte, dazu geführt hat, dass die deutsche Blogosphäre sich beim „Abschreiben“ dranhalten kann.
Dazu muss man sich zunächst noch ansehen, wie Google News funktioniert. Schaut man sich die Startseite von Google News an, sieht man auf ihr bereits eine Unterteilung in Ressorts. Diese werden in einer Seitenleiste am linken Rand gesondert noch einmal zur Auswahl gestellt.
Neben der Startseite sind es besonders die Ressort-Seiten und deren RSS-Feeds, die von zunehmend mehr Nachrichten-Suchenden frequentiert werden. Wer mit seiner Meldung auf einer Ressort-Seite auftaucht, der erhält für den Zeitraum, in dem er dort gelistet wird, je nach Thema und zuvor skizziertem Suchaufkommen, einen ordentlichen Schub bei den Besuchern.
Beispiele gefällig? Am 16. Juni 2012 veröffentlichte ich einen eher unscheinbaren Beitrag, eine Spiele-News zum neuen Tomb-Raider-Game. Ein Zitat eines Entwicklers wurde bei der Wiedergabe in den Medien missverstanden, am Ende machte das Gerücht die Runde, im kommenden Tomb Raider würde es eine Vergewaltigungsszene von Lara Croft geben. Dies war nicht der Fall, doch an diesem Tag landete meine Tomb-Raider-News zu einem günstigen Zeitpunkt auf der Ressort-Seite von Google News. Obwohl die Spieleseite zu diesem Zeitpunkt lediglich einen Pagerank von 3 hatte, erzeugt die Meldung alleine im selben Monat 12.391 Seitenaufrufe, streng gezählt mit der Open-Source-Alternative zu Google Analytics, Piwik.
Es gibt Leute innerhalb der deutschen Blogosphäre, wie beispielsweise den Tech-Blogger Sascha Pallenberg von Netbooknews, die nicht glauben, dass Google News überhaupt einen Stellenwert für deutsche Blogger haben kann. Freimütig kommentierte Sascha unter einem Diskussionsbeitrag von mir von Ende Juli 2012 zum Leistungsschutzrecht, welches das Ende von Google News in Deutschland bedeuten könnte, dass er annimmt, dass Google News keinem Blog mit niedrigem PR überhaupt etwas bringt.
„Ich glaube die Google News Indexierung fuer Blogs wird masslos ueberschaetzt. es gibt leider in Deutschland kein einziges Blog, welches in irgendeiner Weise relevanten Traffic von Google News erhaelt.
Von daher macht zu den Quatsch, die Verleger werden sich dann ganz kraeftig wundern, denn es sind die etablierten Medien, die durch Google News Leser und somit auch Umsaetze generieren.
Blogs tun dies nicht!“
Sascha Pallenberg
Da Sascha mich aufforderte, ich könne ihm gerne einen Beleg liefern, möchte ich das an dieser Stelle nachholen. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass zu der oben erwähnten Tomb-Raider-Meldung auf meinem Spiele-Blog alleine am Tag der Veröffentlichung über 7500 Nutzer über „news.google.de“ und „news.google.com“ kamen. Die Zahlen habe ich selbst an die Tortengrafik geschrieben, da Piwik diese leider nur beim Überfahren mit der Maus anzeigt, und ich nicht zwei Tortenstücke gleichzeitig „hovern“ kann, wenn ich einen Screenshot mache.
Nun hab ich bislang nur gezeigt, dass Google News ein enormes Potential bietet. Wie schnelllebig das Geschäft jedoch ist, möchte ich an einem Macnotes-Beitrag verdeutlichen. Am 25. Oktober 2012 erreichte uns leider die traurige Nachricht vom Tod des Hollywood-Youtubers und Filmkritikers Franc Tausch. Diesen Beitrag veröffentlichte ich mitten in der Früh, noch bevor es bei Google News so richtig losgeht. Das Delta für ein Google-News-Veröffentlichung, die dann den frühmorgendlichen Nutzerstrom abbekommt, liegt irgendwo zwischen 4 und 5 Uhr in der Früh. Irgendwann am Abend – und das hängt auch mit dem Nutzerverhalten zusammen – macht es dann fast schon keinen Sinn mehr Beiträge für den „Kanal Google News“ zu veröffentlichen, sondern diese lieber für den kommenden Morgen aufzusparen. An der Stelle könnte man höchsten überlegen Social-Media-Aktivitäten zu unternehmen.
Zurück zur Meldung über den Tod von Franc Tausch: Sie erreichte am 25. Oktober 11.683 Seitenaufrufe (über Google Analytics gezählt). Knapp 2.500 Aufrufe erzeugten unsere Stammleser und mehr als 8000 Besucher kamen über Google News. Leider möchte mir Google Analytics keine stündliche Statistik für den einzelnen Artikel ausgeben, sonst könnte ich das prima visualisieren.
Fakt ist aber, dass ich nach einer langen Nacht und der Veröffentlichung in der Früh, via Skype dem Kollegen Niklas Wick am Nachmittag des 25. Oktober (15:52 Uhr) mitteilte, dass der Beitrag bereits über 9.000 Einblendungen erzielt hat, also den Löwenanteil dessen, was die Meldung über den ganzen Tag verteilt erzielte.
Deshalb die Rede vom priorisierten Fließband. Die eigene „Credibility“ und der „Zeitpunkt“ spielen eine Rolle bei der Priorisierung. Dann geht es munter los mit dem Fließband. Denn Google News ist ein sehr kurzes Fließband, auf dem nur drei Elemente Platz haben, wenn sie in der Google Suche angezeigt werden (vgl. Screenshot).
Der markierte Bereich im Screenshot stellt den Google-News-Block innerhalb der normalen Google Suche in diesem Fall zum Keyword „iPad“ dar. Meine Spracheinstellungen liefern vor allem englischsprachige Ergebnisse, also nicht wundern. Man erkennt deutlich „drei“ Einheiten. Die oberste inklusive Bild. Dieses Bild muss nicht zwangsläufig zum gleichen Artikel wie der Textlink daneben führen, das kann man auf dem nächsten Screenshot aus der Ressort-Seite Wissen/Technik, die für Macnotes besonders interessant ist, erkennen. Ich habe mit Pfeilen markiert, dass zu einer Meldung Bild und Textlink unterschiedlich sind.
Da ein Bild aber meist mehr Aufsehen erregt, klicken die Leute viel häufiger auf dieses Bild als auf den Textlink daneben. Wer seine Seiten für Google News optimiert, sollte also unbedingt an Nachrichtenbilder denken.
Auf diesem Weg kann man zeitlich sehr stark begrenzt, super viele potenzielle Leser erreichen, wie die zwei vorher genannten Beispiele vor Augen geführt haben sollten, wenn man zum richtigen Zeitpunkt mit seiner News-Meldung auf dem Fließband landet.
Die drei Abteilungen in dem markierten Bereich aus der vor-vorherigen Abbildung entsprechen drei Themenkomplexen, die Google, bzw. Google News zu dem „Thema iPad“ für den Augenblick der Abfrage als die wichtigsten ausgewählt hat. Google sammelt Meldungen zu einem Thema und irgendein Algorithmus, vielleicht mit ein bisschen Hilfe von Menschenhand, entscheidet so über das Leiten des Besucherstroms.
Darüber werden nur noch die Werbeanzeigen gezeigt und erst danach kommt Apple mit seiner Produktseite zum iPad. Wer sich Google News mal genauer angesehen hat, der stellt auf Detailseiten zu einem Thema dann fest, dass noch bspw. 130 weitere Seiten zu dem Thema geschrieben haben. Manchmal sind es auch mehrere Hundert, die sich um den Kuchen streiten. Doch in der Realität wird jede neue Meldung, die einem Thema zugeordnet wird, auf das Fließband gelegt und eine andere fällt dafür aus dem „sichtbaren“ Bereich heraus.
Wer „vor den Redaktionen“ anfängt zu schreiben, wie ich im Fall der Meldung über den Tod von Franc Tausch, der erreicht bis zu dem Zeitpunkt, da dann auch die BILD-Zeitung und der Stern oder Spiegel Online eine Meldung dazu verfasst haben, schon mehrere Tausend Besucher. Das allerdings auch nur, weil gesteigertes Interesse an dem Thema bestand.
Im Bereich der Videospiele kommt das seltener vor als im Tech-Bereich. Mit News zu iPhone und iPad kann man auf dem Google-News-Fließband deutlich mehr Traffic erzielen als mit Meldungen zu AAA-Videospielen. Nur ganz wenige Games wie FIFA 13 oder Call of Duty und Grand Theft Auto spielen in einer Liga, dass sie auch dann, wenn man nur für eine Stunde bei Google News auf dem Fließband lag oder manchmal auch nur für 10, 15 Minuten, dadurch mehrere Hundert oder ein, zwei Tausend Benutzer in diesem kurzen Zeitraum weitergeleitet bekam.
Bis hierhin sollte klar geworden sein, dass bei der riesigen Konkurrenz an Nachrichtenseiten die Halbwertszeit von Meldungen zum Teil enorm kurz ausfällt und der einzige Ausweg, den man auf den ersten Blick erkennt ist der, ständig neue Meldungen zu veröffentlichen. Die Redakteure von Online-Magazinen sind so notgedrungen ständig auf der Hatz.
Abschreiben für den Weltfrieden und Erfolg
Das nun formuliert, kann man begründen, warum man auf diese Weise dazu „gezwungen wird“ abzuschreiben, wenn man von diesem Besucher-Kuchen etwas abhaben möchte.
Gestern Mittag veröffentlichte die Kollegin Grannemann eine Meldung zu den Verkaufszahlen von Apples neuem iPad mini. Sie selbst verlinkte dazu die englischsprachige Pressemeldung auf der Homepage von Apple, die nicht immer sofort verfügbar ist, und auf die wir Nicht-Muttersprachler eigentlich erst über andere Seiten stoßen. Denn für den deutschsprachigen Bereich gibt es eine separate Pressestelle von Apple und natürlich auch eigene Webseiten. Kathrin jedenfalls notierte gestern in unserem Skype-Gruppenchat:
Oh, cool! Ich war schneller als die Pressemeldung.
Kathrin Grannemann
Was sie damit meinte war, dass sie ihre Meldung bereits veröffentlicht hatte, als in unserem Mail-Postfach die „offizielle“ deutschsprachige Pressemeldung „erst eintraf“.
Apple ist ein Unternehmen mit Sitz in Cupertino, USA. Die Pressekollegen dort formulieren eine Meldung. Für Großbritannien oder Australien müssen vielleicht die Dollar- oder Pfund-Preise angepasst werden. Inhaltliche Veränderungen sind aber wegen derselben Sprache meist nicht notwendig. Klar im Vorteil sind aber in jedem Fall die Amerikaner. Denn sie sind die ersten, die die Pressemeldung erhalten und die Redakteure dort haben einen zeitlichen Vorsprung vor uns. Wenn wir nun warten würden, bis Apple jeweils die übersetzten Meldungen auslieferte, dann würden wir sehr viel Potential verschenken. Also suchen wir uns US-amerikanische Nachrichtenquellen, um die Information von dort zu erhalten. Gleichwie hat man es bei Apple noch gut erwischt und es gibt auch Unternehmen, wie beispielsweise Gameloft, die dadurch, dass sie ihren Sitz in Europa haben, grundsätzlich auf die vielen Sprachen am Kontinent eingestellt sind.
Negativ-Beispiele
Es gibt indes Firmen, und hier muss ich, wegen dem Mehr an eigener Erfahrung wieder auf die Videospiel-Branche zurückgreifen, die deutlich länger brauchen als Apple oder teils gar keinen deutschsprachigen Service anbieten. Capcom ist so eine Firma, die vor ein paar Jahren die deutschsprachige PR, zumindest in Form von Pressemeldungen weitgehend eingestellt hat. Es gibt noch Mitarbeiter, die „Kunden“ in Deutschland betreuen, sie tun dies von Hamburg aus. Der Draht in die USA und nach Asien ist deutlich heißer, zumal einige von Capcoms Horror-Games in Deutschland indiziert sind, oder gar nicht veröffentlicht wurden, weil sie sonst auf dem B-Index gelandet wären. Das Desinteresse Capcoms am Deutschen Markt lässt sich also sehr wohl erklären.
Als deutscher Online-Journalist kann man sich in so einem Fall aber auch über Gebühr anstrengen, und trotzdem werden die Kollegen in den USA, in Großbritannien oder Japan immer „vor uns“ Meldungen veröffentlichen, weil sie den „direkten Draht“ zu den PR-Leuten vor Ort besitzen. Uns „Deutschen“ bleibt also nur übrig, zu warten oder „abzuschreiben“. Denn – hoffentlich! – die wenigsten schreiben einfach ab, sondern machen sich dazu noch Gedanken. Nur wenn es um die Information als solche geht, sind wir auf unsere Kollegen aus Übersee angewiesen. Dass es die Höflichkeit gebietet, dass wir dann einen Link oder zwei in unseren Meldungen unterbringen und die Quelle unserer Information nennen – schaut am Ende bei den Nutzern so aus als würden wir lediglich abschreiben. Wir können natürlich solange warten, bis wir entsprechend selbst informiert werden. Dann allerdings müssten wir in Kauf nehmen, dass andere schon vor uns die Information veröffentlicht haben und unsere Leser uns fragten, wieso wir denn nicht aktueller wären.
Widrigkeiten bei der Informationsgewinnung am Beispiel Konami
Wer nicht glauben mag, dass es mitunter äußert schwierig ist, von „hier“ aus zeitnah Informationen zu erhalten, je nachdem, um welches Thema es geht, dem sei ein weiteres Beispiel ans Herz gelegt. Ungefähr ein Jahr nachdem das erste iPhone auf den Markt gekommen war stieg auch Konami auf den iOS-Zug auf, allerdings noch zaghaft.
Konami hat eine prima Pressevertretung in Deutschland, die Agentur NEU:KOM aus Heidelberg. Schon Jahre zuvor habe ich mit den PR-Mitarbeitern dort im Bereich der Videospiele zusammengearbeitet. Doch was bei den Konsolen so gut klappte, nervte bei iOS-Games total. Ich musste regelmäßig auf Toucharcade oder Pocketgamer Meldungen über kommende Spiele von Konami für iPhone lesen, bekam aber so gar keine Pressemeldung dazu. Teilweise wurden wir erst eine oder sogar mehrere Wochen später mit einer PR-Meldung bedient. In dem gleichen Zeitraum wurden allerdings mehrere Meldungen in der angelsächsischen Presse publiziert und deutlich mehr Screenshots und Videos gezeigt.
In jenen Tagen versuchte ich Lösungen zu finden, damit auch ich schneller davon erführe. Die PR-Agentur verwies mich auf die „Politik“ des Mutterkonzerns, und dass man nicht eher reagieren könne, aber daran arbeite, dass es in Zukunft schneller ginge. Damit wollte ich mich nicht einfach abfinden. Also wendete ich mich Ende 2008 an die US-Vertretung von Konami. Es dauerte einige Tage, bis ich Antwort erhielt. Doch lustigerweise bekam ich keine Antwort aus den USA. Stattdessen antwortete mir die Agentur aus Heidelberg. Die US-Kollegen hatten ihnen meine „englischsprachige“ E-Mail weitergeleitet. Da ich ein Pressekontakt aus Deutschland sei, wollte also Konami USA nichts mit mir zu tun haben.
Globalisierung und Agenturen
Vielleicht können manche vor dem skizzierten Hintergrund verstehen, warum deutschsprachige Blogs, und sicherlich auch einige andere Mitglieder nicht-englischer oder nicht-asiatischer Sprachgruppen dazu angehalten sind, Informationen „abzuschreiben“. Silicon Valley ist eben nicht bei uns vor der Haustür, und die zunehmende Globalisierung wird diesen Effekt durchaus noch verstärken. Denn es werden immer mehr Firmen aus dem Ausland und Nachrichten um ihre Produkte in den Fokus rücken.
Während bei großen Unternehmen wie Apple, Microsoft oder Nintendo Meldungen auch zeitnah übersetzt werden, geht trotzdem der ganze „Bohei“ an uns vorüber. Wir sind nur ein Klecks auf der Landkarte und auch innerhalb Europas nicht diejenigen, die in allen Belangen die meiste Technik oder die meisten Videospiele kaufen. Wir Online-Journalisten müssen also sehen, wo wir bleiben, wollen wir Erfolg haben am Fließband der Suchmaschinen und Nachrichten-Aggregationen.
Daneben gibt es ja in Zukunft immer mehr kleine Firmen, die Produkte auf den Markt bringen, die schon jetzt erkennbar ein gesteigertes Interesse wecken können. Es gab die erste deutschsprachige Pressemeldung zu Minecraft meines Wissens nach von Microsoft, als eine Veröffentlichung des Retro-Klötzchenspiels für die Xbox 360 angekündigt wurde. Da gab es das Videospiel aber bereits zwei Jahre in ersten Testfassungen. Viele von den Kickstarter-Projekten werden nicht sofort alle ihre Meldungen für teures Geld oder mit vielen Ressourcen in alle Sprachen der Welt übersetzen, oder Pressemitarbeiter einstellen können, die fremdsprachige Märkte bedienen. Wir können das nicht erwarten, nur müssen wir dann eben die Informationen dort herholen, wo man sie zuerst findet, und das wird auch in absehbarer Zukunft vor allem Nordamerika und Asien sein.
Schaut man in den Bereich der Politik- oder Wirtschafts-Nachrichten, gibt es große Nachrichtenagenturen, die Korrespondenten im Ausland haben, extra aus dem Grund, weil wir Deutschen in dieser Situation ebenfalls den kürzeren ziehen müssten, ginge es um die Wahlen in den USA oder den Krieg im Irak. Doch solche Korrespondenten kosten Geld. Da ich Sascha Pallenberg bereits angesprochen habe: Er ist als Tech-Blogger auch aus Deutschland weggegangen, um in Asien näher an der Quelle zu sein. Tatsächlich hilft das dem Biorhythmus überdies enorm. Ich selbst schlage mir oft die Nächte um die Ohren, wie man an den Zeiten der Veröffentlichung meiner Beiträge erkennen kann, um möglichst aktuelle Meldungen aufzusammeln. Doch dass neben erhöhtem Koffein-Bedarf auch die Konzentrationsfähigkeit und mein Privatleben darunter leidet ist aktuell und bereits seit einigen Jahren einfach ein Teil meines Jobs geworden.
Wer es übrigens bis hierhin geschafft hat mit der Lektüre, dem gilt mein Dank.