Gedanken zu den 4 Sheriffs: Amazon, Apple, Facebook und Google

Alexander Trust, den 7. August 2012
Apple-Hauptquartier in Cupertino
Apple-Hauptquartier in Cupertino, Foto: Joe Ravi CC-BY-SA 3.0

In der Zeit ist ein Artikel erschienen, der ein wenig die gleiche Saite anschlägt, wie es vor kurzem Paul-Josef Raue tat, der Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, als er Google und Facebook als Feinde der Demokratie bezeichnete.

Apple und Politik?

Götz Hamann und Marcus Rohwetter schreiben, dass Apple die politische Meinungsäußerung unterdrücke, und fragen sich, wie lange das wohl noch so gehen werde. Als Beispiel dafür muss eine App von Frederic Jacobs namens Angry Syrians herhalten. Diese kritisiert in Comic-Optik das Regime von Präsident Baschar al-Assad und sei abgelehnt worden.

An diesem Punkt liegt meines Erachtens ein grundsätzliches Missverstehen seitens der beiden Autoren und vieler Internetnutzer vor. Die App Stores dieser Welt, sind virtuelle Geschäfte und keine Plattform zur politischen Meinungsäußerung. Davon gibt es viele, der App Store ist keine. Woher kommt überhaupt die Annahme, dass ein Geschäft alle Waren aufnehmen muss, die es auf der Welt gibt? Wenn man diesen Maßstab an den App Store ansetzt, dann müsste man Einzelhändlern vorschreiben, dass sie Produkte aus Entwicklungsländern „zwingend“ neben ihrem Sortiment von Coca Cola oder Pepsi unterbringen, weil sie sonst politische Zensur ausüben? Oder unfairen Wettbewerb betreiben? Ist das so?

Händler und ihre Regale

Jeder Einzelhändler entscheidet, welche Produkte er ins Regal nimmt, und welche nicht. Kleine und mittelständische Unternehmen müssen sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Autoren im Selbstverlag müssen Büchereien beknien, damit diese ihre Produkte ins Sortiment aufnehmen. Der Bauer vom Land kennt die Verhandlungen mit den Supermärkten der Region nur zu gut. Manche haben es sich trendgerecht sogar als Werbeslogan auf die Fahnen geschrieben, Produkte von vor Ort ansässigen Lieferanten anzubieten.

Nun könnte man argumentieren, einem virtuellen App Store geht nie der Platz aus. Das ist richtig, doch das macht aus ihm trotzdem keine Plattform zur politischen Meinungsäußerung; Apple muss sich in erster Linie um sein Geschäft kümmern. Es nutzt dem Hersteller aus Cupertino nicht, wenn er jede App mit blankem Busen und politischer Meinungsäußerung freischaltet, dann aber am nächsten Tag mit tausenden Lobbyisten auf der ganzen Welt zu kämpfen hat. Bürgerrechtler, Frauenrechtler, Umweltschützer, Tierschützer, Botschafter, Medienvertreter, usf.
Wenn mein eigenes Geschäft darin besteht, Waren anzubieten und zu verkaufen, und ich mich ständig damit auseinandersetzen müsste, Meinungen von anderen zu rechtfertigen, kann ich mein Geschäft irgendwann schließen, weil ich nicht mehr genügend Zeit haben werde, mich um diese Aufgabe zu kümmern.

Wenn das für Hamann und Rohwetter politische Zensur ist, dann wünsche ich ab morgen jeden Tag einen neuen Bericht von den beiden Herren über die politische Zensur von Aldi, Lidl, Media Markt, Saturn, GameStop, Thalia, H&M, S. Oliver, C&A, usw., die wie selbstverständlich nicht alle Produkte in ihr Sortiment aufnehmen.

Die Rolle des Produzenten?

Drehen wir den Spieß aber doch mal um: Warum wird Apple ein Strick draus gemacht, wenn die Firma entscheidet, eine App nicht ins Sortiment aufzunehmen, dem Urheber aber nicht, wenn er nun beispielsweise Produkte „exklusiv“ vermarktet und anbietet? Was wäre wenn Frederic Jacobs seine App nur für iOS hätte anbieten wollen und nie für Android? Der Grund, warum Jacobs die App anbietet, egal ob kostenlos oder gegen Geld, ist der Markt, ist die Möglichkeit, möglichst viele potentielle Kunden/Leser zu erreichen. Als Urheber legt er also unternehmerisches Kalkül seinen Entscheidungen zur Veröffentlichung zugrunde. Warum darf das der App-Store-Betreiber nicht?

Amazon und das Schwarzbuch WWF

Hamann und Rohwetter glänzen bei ihrer Beschreibung von Amazons Entscheidung ein Buch aus dem Sortiment zu nehmen, mit dergleichen Argumentation wie zuvor. Ein Buch ist ein Buch. Jedenfalls in einem Buchladen. Denn auch ein Buchladen ist keine Plattform zur politischen Meinungsäußerung, sondern ein Geschäft.

Amazon ist zwar weltweit der größte Online-Shop, doch er ist nicht der einzige. Nur weil Amazon das Buch nicht anbietet, ist das Buch nicht gleich aus der Welt. Amazon verbietet das Buch nicht, sondern bietet es nur nicht selbst an. Wenn Amazon gerichtlich erwirken würde, dass der Handel mit dem Buch verboten würde, könnte man von Zensur sprechen.

Doch jemandem vorschreiben zu wollen, wie er sein Geschäft führt, finde ich relativ anmaßend. Wenn man die Entscheidung Amazons nicht mag, soll man dort in Zukunft eben nicht mehr einkaufen. Das wäre in meinen Augen die richtige Entscheidung. Sich aber in die Unternehmenspolitik einmischen zu wollen, und von Amazon zu fordern, sie müssten dieses und jenes Buch anbieten, ist absurd. Vor allem: Wenn man einmal damit anfängt, dann will am Ende jeder das gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen, und dann kann Amazon sein Geschäft nicht mehr selbst bestimmen.

{Hier bitte Name von bösem US-Unternehmen einsetzen} und der Jugendschutz und die Weltanschauung

Wenn es den beiden Autoren noch verborgen geblieben ist, obwohl sie es explizit selbst formuliert haben: die vier kritisierten Unternehmen stammen aus „Amerika“, und natürlich vertreten sie deshalb gewollt oder ungewollt amerikanische Moral- und Wertvorstellungen. Gewalt ist in den USA ein weniger sensibles Thema als beispielsweise Erotik. In Europa ist es meist umgekehrt. Besonders oft merken vor allem wir Deutschen dies, wenn es um Filme, Musik oder Videospiele geht. Unser Jugendschutz-System legt andere Maßstäbe an, weswegen wir bisweilen manche Videospiele gar nicht in Deutschland erleben, die es anderswo zu kaufen gibt. Der Bananen-Staat eben, oder doch nur eine Insel?

Explizite Lyrik

Im Zeit-Beitrag wird Apple dafür an den Pranger gestellt, dass das Unternehmen angeblich „heimlich“ Musik von Kunden austauscht, wenn diese anstößigen Text beinhaltet.

„Der Konzern ersetzt bisweilen heimlich Musikstücke mancher Nutzer: Enthalten die Liedtexte vermeintlich anstößige Worte wie motherfucking, kann es sein, dass sie durch Versionen desselben Liedes ersetzt werden, in denen solche Passagen nicht auftauchen.“

Es ist nur allzu verständlich, dass wir uns in Deutschland daran stoßen, dass ein Hersteller angebliche Vulgärausdrücke aus Liedern entfernt. Dabei ist es nicht der Shop-Anbieter, sondern sind es die Musikindustrie und die amerikanische Gesellschaft. Diese verfolgen das Bedürfnis, ihre Jugend schützen zu wollen, vor zu viel Verrohung.
Hamann und Rohwetter jedenfalls wirken an dieser Stelle besonders tendenziös, denn sie erbringen zu keiner Zeit den Beweis, dass es sich nicht um einen technischen Fehler gehandelt hat, sondern unterstellen Apple Absicht.

In einem früheren Beitrag der Zeit, den Hamann und Rohwetter dazu extra verlinken, wurde Apple für den Austausch einer „Explicit“-Version eines Songs mit einer „weichgespülten“ gescholten. Der Nutzer wurde darüber angeblich nicht aufgeklärt. Das ist so aber nicht ganz richtig. Jeder, der iTunes Match abonniert, muss zuvor bestätigen, dass er die AGB gelesen hat. Die beiden Zeit-Autoren hätten diese AGB ebenfalls konsultieren können, ehe sie sich ohne Überprüfung auf die Seite eines einzelnen Nutzers stellen, der eine Behauptung aufstellt. In den AGB heißt es unter anderem:

„iTunes Match wird die Songdateien automatisch durchsuchen und andere Informationen erheben, die genutzt werden können, um die in Ihrer iTunes Bibliothek vorhandenen Datenträger zu identifizieren, wie Namen, Interpreten oder Dauer der Songs.“

Und weiter:

„iTunes Match wird diese Informationen verwenden, um die Songs mit den derzeit im iTunes Store vorhandenen Songs abzugleichen, und wird die abgeglichenen Songs in dem im iTunes Store vorhandenen Format für Sie zur Verfügung stellen.“

In dem Fall von „Linus Schmelzer“ scheint in diesem Ablauf die Technik versagt zu haben. Dies muss man zunächst einmal annehmen, ganz im Sinne des „In dubio pro reo“. Denn Apple weist weiterhin in den AGB auf diesen Umstand hin.

„iTunes Match wird auf einer „wie gesehen“-Grundlage zur Verfügung gestellt und kann Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten, die Defekte, Verfälschung oder den Verlust von Daten und/oder Informationen auf Ihrem Computer oder Gerät und auf mit diesen verbundenen Peripheriegeräten (einschließlich Servern oder anderen Computern) verursachen können, einschließlich Musik, Playlists und Playhistory.“ (Hervorhebung d. Red.)

Bei der Zeit hätte man sicherlich notiert, dass Apple sich „ein Hintertürchen offenlässt“. Dort wurde immerhin mit Bruno Kramm seinerzeit ein Mitglied der Piratenpartei zitiert. Dieser sprach von der „typischen Apple-Policy“ und davon, dass das Unternehmen aus Cupertino die Kultur verstümmele. Dass Apple überhaupt dafür gesorgt hat, gegen den Widerstand der Musikindustrie, dass wir elektronische Musik nicht geächtet über Tauschbörsen herunterladen, sondern legal erwerben können, wird geflissentlich unter den Teppich gekehrt.

Dass Apple sich hingegen kaum zu solchen Angelegenheiten in der Presse äußert ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Gucken wir in den Blätterwald und lesen jeden Tag die Schlagzeilen, in denen Leute verunglimpft werden, egal ob schuldig oder nicht. Manchmal ist es besser nichts zu sagen. Albern ist jedoch dieses Zitat aus dem Beitrag „Fluchen verboten“ von Emilia Smechowski bei der Zeit, den Hamann und Rohwetter verlinken:

„Linus Schmelzer hatte noch Glück: Auf einer externen Festplatte waren die entsprechenden Songs in seiner Musiksammlung noch gespeichert.“

Hätte „Linus Schmelzer“ die zuvor von mir zitierten Passagen der AGB gelesen, und nicht nur blind bestätigt, hätte er gewusst, dass technische Fehler von vornherein eingeräumt werden und der Nutzer sich damit einverstanden erklärt, indem er das iTunes-Match-Abo abschließt.
Ich behaupte nicht, dass in dieser Sache alles „optimal“ läuft, nur kann man nicht aus unverbesserlichen Nutzern auf einmal die Helden einer Kulturbewegung machen. Das ist absurd. Darüber hinaus gibt es bestimmt genügend Leute in unserer Gesellschaft, die stundenlang darüber diskutieren würden, ob ein „motherfucking“ kulturell wertvoll ist oder nicht.

Internet-Romantik, aber nicht die Wahrheit

Dies bringt mich zu meiner Überleitung zu Google. Denn der Suchmaschine werfen die beiden Zeit-Redakteure ebenfalls Zensur vor. Es gibt nicht nur Google, und nicht nur Amerika und Europa, sondern auch andere Teile der Welt, in denen Google weiß Gott nicht dieselben Markanteile erzielen kann. Doch die beiden Zeit-Autoren schreiben:

„Das Internet war mal ein Ort der Freiheit. Wo man unbekannte Welten entdecken und sich dabei auch schon mal verlaufen konnte. Ein Ort, anarchisch zwar und wild. Aber frei.“

Das ist eine sehr romantische Betrachtungsweise, die aber an der Realität vorbeigeht. Wenn man sich die Geschichte des Internet genauer ansieht, stellt man fest, dass der Status Quo von heute viel mehr Informationen zu den Usern bringt als er sie zurückhält. Im „romantischen“ und anarchischen Internet von Hamann und Rohwetter war es nämlich so, dass viele Inhalte so gut wie überhaupt nicht gefunden wurden, wenn sie nicht über Mundpropaganda oder andere Medien weitergegeben wurden. Da waren es vor allem die Verleger, die die Macht hatten, mit ihrer Berichterstattung Webseiten bekannt zu machen. Wer naiv genug ist, anzunehmen, dass dabei immer alles fair und gleichberechtigt ablief, und nicht vor allem die Webseiten propagiert wurden, die am meisten Werbebudget ausgaben, der sollte sich an einen Stammtisch setzen.

Google der Gatekeeper?

In den Medien- und Kommunikationswissenschaften gibt es den Begriff des Gatekeepers. Dies ist eine Art Nadelöhr für Informationen. Der Rest von uns nimmt Informationen nicht ungefiltert wahr, sondern durch die Perspektive der Gatekeeper. Fernsehsender entscheiden, welche Nachrichten berichtenswert sind, Redakteure, welche Promis erwähnenswert, usf. Meiner Meinung nach kann man den Begriff sehr weit fassen und jedes Medium als Gatekeeper interpretieren, Apple, Amazon, Facebook und Google sind genauso Gatekeeper wie die Zeit.

Betreibt die Wochenzeitung nun politische Zensur, wenn sie zu einem Thema nur 4 oder 5 und nicht 35 Parteien befragt und zu Wort kommen lässt? Ist das nicht eher der Tatsache geschuldet, dass man sich auf den Mainstream konzentriert, der die meisten Leser verspricht? Demokratisch, wenn auch nicht von jedem so empfunden, wäre es, wenn man alle politischen Lager mit ihren Meinungen zu jedem politischen Thema zu Wort kommen ließe. Das müsste immer dann gelten, sobald mindestens eine Partei gefragt wird. Alles andere ist nämlich unausgewogen. Ist das politische Zensur? Oder nur eine mangelhafte Ausübung von politischer Bildung? Ist das gar manipulativ?

Natürlich kann man sich als Zeit-Redakteur hinstellen, und über böse Internet-Unternehmen wettern, aber man hat dann vergessen vor der eigenen Haustüre zu kehren.

Die Mär von der Objektivität

Bei der Zeit liest man folgendes über Googles Filterungen, die persönlichen Suchergebnisse seit Ende 2009:

„Heute bestimmen Algorithmen zunehmend, welche Informationen die Nutzer erreichen. Die Welt wird vorsortiert, nach dem scheinbar unbestechlichen und neutralen Ansatz mathematischer Präzision. Nur objektiv ist das nicht, und deshalb sollte jeder die Möglichkeit besitzen, seine Daten einzusehen, zu verstehen, wie ihm die Sicht auf die Welt aufbereitet wird, welches Rating ihm der Computer verpasst – und warum.“

Vor Google war es Yahoo, ein Katalog, der bestimmte, was gesehen wurde. Dieser wurde von Menschen befüllt. Ob die nicht Entscheidungen getroffen haben, Webseiten abgelehnt haben? Ob da der eine nicht eine andere Meinung als sein Kollege bei der Bewertung derselben Sache gehabt hat? Das ist durchaus menschlich. Nun soll aber der maschinelle Algorithmus weniger objektiv sein… Na bravo.

Alternativen zur Subjektivität?

Man kann aber „unaufgeregt“ zum Thema Objektivität formulieren, dass es sie – nicht nur akademisch definiert – nie geben kann, sondern auch logisch nachvollziehbar wird, dass es im Internet nur wenig Alternativen gibt. Wir haben Milliarden von Webseiten. Wie möchte man Nutzern einen „objektiven“ Zugang zu diesen bieten? Chronologisch? Dann würde derjenige mit dem ersten Artikel, der vielleicht nur Nonsens beinhaltet, immer zuoberst erscheinen. Alphabetisch? Dann würden alle Leute nur noch versuchen Webseiten-Titel mit A zu schreiben, damit sie möglichst weit vorne landen.

An dieser Stelle vermisse ich ein weiteres Mal die „andere Seite der Medaille“. Denn Google hat sicher nicht nicht nur von sich aus ein Bestreben, Suchergebnisse in irgendeiner Form zu filtern, sondern der Anbieter muss auch auf subversive Kräfte aus dem Web reagieren. Denn Suchmaschinenoptimierer und Linkkäufer manipulieren durch ihr Vorgehen die Suchergebnisse, sodass teils minderwertige Inhalte relativ weit vorne bei Google lande(te)n. Nun ist es so, dass Google nur dann weiterhin von den Nutzern konsultiert wird, wenn man in angemessener Zeit adäquate Ergebnisse für die eigene Suche findet, sonst widmet man sich der Konkurrenz. Ist also der Impetus von Google, seine Algorithmen anzupassen, einzig negativ zu interpretieren? Ich glaube nicht.

Wenn man sich weiterhin über die Darstellbarkeit von Suchergebnissen Gedanken macht, kommt man meist nur auf Listen als Ergebnis. Man könnte versuchen, die Ergebnisse grafisch darzustellen, als Punkte vielleicht. Bei 100 Millionen Suchergebnissen zu einem Stichwort müsste man aber 100 Millionen Punkte oder 100 Millionen Listeneinträge machen. Der Bildschirm, den man dazu bauen müsste, damit „alle“ auf Seite 1 Platz haben, wäre gigantisch groß. Und werden die Punkte links oben dann denjenigen rechts unten vorgezogen? Wenn man ernsthaft über Objektivität reden will, dann muss man andere Maßstäbe ansetzen.

Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was Google anstellt, nur mir fällt kein Konzept für eine bessere Suche ein. Andere Suchmaschinen benutzen genauso irgendwelche Kriterien, denen zufolge Sie Webseiten in ihren Ergebnislisten sortieren. Wir selbst würden das auch tun, alphabetisch, chronologisch oder wie auch immer. Google erlaubt uns sogar, die Suchergebnisse zeitlich zu filtern, was für jemanden, der nach aktuellen Infos zu einem Thema X auf der Suche ist, eine Option darstellt.

Richtig aber ist, dass es sicherlich sinnvoll wäre, wenn wir wüssten, nach welchen Kriterien sortiert wird, damit wir unsere eigene Arbeit und die Ergebnisse besser überprüfen könnten, und in Zweifelsfällen vielleicht die Suchstrategie ändern, um noch weitere Ergebnisse zu finden. Nicht okay ist, dass Google in einigen Ländern Inhalte „absichtlich“ nicht anzeigt, nur überall sonst kann man das dem Unternehmen ja nicht einfach frei Schnauze nachsagen, wenn man es nicht beweisen kann.

Verschwörungstheorien um Amazon

Als hätte man noch nicht genug unüberlegte Behauptungen thematisiert, wird dann WikiLeaks thematisiert und in diesem Zusammenhang Amazon. Der Online-Shop hat nach Bekanntwerden der Affäre um WikiLeaks die Geschäftsbeziehungen zu der Organisation beendet. Verschwörungstheoretiker sehen Amazon in diesem Fall als Gehilfen der US-Regierung. Beweise dafür gibt es bislang offenbar nicht. Die einleuchtende Begründung seitens Amazon reicht den Zeit-Autoren nicht. Denn WikiLeaks hatte auf den Amazon-Servern vielfach Material gespeichert, dessen Urheberrecht man nicht besaß. Das verstößt gegen die AGB und damit ist der Fall nach außen hin klar. So wie Betreiber von Tauschbörsen angeklagt werden, hätte Amazon sich ebenfalls den Ansprüchen der Urheberrechtsinhaber der Texte von WikiLeaks gegenüber gesehen.

Was wäre aber, wenn WikiLeaks nicht gegen die AGB verstoßen hätte? Ist es undenkbar, dass Amazons Chef sich in ähnlicher Manier hinstellt wie zuletzt der Besitzer einer Hähnchenburger-Fast-Food-Kette in den USA, der fortan super viel Zulauf von homophoben Amerikanern bekommt, die die Filialen des Brutzlers in den letzten Tagen überrannt haben und sich extra in meterlange Schlange einreihten, nur weil sie den Laden unterstützen wollen? Thema ist ja nicht – und das war es bei der Zeit nie – ob mir so etwas gefällt oder nicht, sondern ob ein Unternehmen sich dieses Recht rausnehmen darf? Ist es nicht denkbar, dass ein Jeff Bezos WikiLeaks als Vaterlandsverräter sah, wie einige andere Patrioten des Landes? Dass diese dann zusammenstehen ist nur menschlich. Dass Amerika sowieso ein recht gespaltenes Land ist, ist in der Historie des Landes verankert, und dass wir in Europa viele Meinungen zu jedem Problem haben, macht es nicht einfacher.

Alternativen anbieten

Am Ende des Tages gibt es viele Gründe, warum Shops Waren nicht anbieten, und Suchmaschinen Inhalte filtern. Wenn „uns“ die Entwicklungen nicht passen, hindert uns niemand daran, Alternativen anzubieten und zu entwickeln. Wir sind nur solange von Google abhängig, wie wir uns davon abhängig machen. Als der Suchmaschinenbetreiber die ersten Schritte unternahm, Bücher zu digitalisieren, um ein großes Wissensarchiv anzulegen, gab es in Europa einen von der Politik koordinierten Gegenentwurf, weil man fürchtete, dass Google seine Macht missbrauchen würde. Europa hat auch mit Airbus versucht die Macht der amerikanischen Flugzeugbauer von Boeing zu brechen. Es ist eigentlich egal, ob es ein Europäer ist, der dann eine Alternative entwickelt. Fakt ist, dass Hamann und Rohwetter niemand zwingt, die Produkte zu nutzen, die sie kritisieren. Wenn sie es doch weiterhin tun, wirken sie unglaubwürdig. Wer will das überprüfen? Wir müssten ihrem Wort vertrauen…

Wo bleibt die Wikipedia?

Was mich abschließend bei dem Beitrag von Hamann und Rohwetter am meisten gewundert hat, neben einiger komischer Ansichten, ist die Tatsache, dass man darin kein Wort verlor zu der Situation bei der „freien“ Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Richtig ist, dass daran weltweit viele Menschen vor allem ehrenamtlich mitwirken.
Doch überall, wo Menschen arbeiten, gibt es Animositäten. Es gibt tausende Diskussionen im Netz über Löschanträge, es gibt mehr und mehr Artikel, die temporär nicht mehr editierbar sind. Einige, weil darin Missbrauch betrieben wurde, andere weil eitle Autoren es nicht mit ansehen können, dass ihre wohlfeilen Formulierungen von anderen Leuten, die ebenfalls an der Produktion von Wissen teilhaben wollen, verändert werden. Natürlich gibt es daneben ganz natürlicherweise Diskussionen um Inhalte. Was ist es Wert für die Nachwelt aufgehoben zu werden, was nicht?

Warum sollen Amazon, Apple, Facebook und Google immer nach Jedermanns Pfeife tanzen, wenn man sich bei der demokratischsten Einrichtung im Netz, der Wikipedia, selbst nicht einig werden kann? Es gibt nun einmal unterschiedliche Ansichten darüber, was geht und was nicht, was man anbietet und was nicht. Wozu gehen wir wählen, wenn doch zwei Zeit-Autoren uns sagen, dass wir einfach Alles erlauben und dann schon Alles gut wird? Wenn man Demokratie ernst nimmt und Selbstbestimmung fordert, dann soll man doch das den „vier Sheriffs“ ebenfalls zugestehen. Oder wollen Hamann und Rohwetter die Demokratie unterwandern?

Keine Frage, ich formuliere absichtlich zugespitzt, nur denke ich, muss man irgendwie die Perspektive des Beitrags „Vier Sheriffs zensieren die Welt“ gerade rücken dürfen.


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