iOS 6 mit Facebook-Integration, Siri-Update, Navigation und mehr
Alexander Trust, den 12. Juni 2012Apple hat im Rahmen der Worldwide Developers Conference (WWDC) sein neues mobiles Betriebssystem iOS 6 vorgestellt. Scott Forstall hatte wie immer die freudige Gelegenheit den anwesenden Journalisten und Entwicklern die Features im kommenden iOS für iPhone, iPod touch und iPad vorzustellen. Neben einer neuen Maps-Applikation mit Turn-by-Turn-Navigation, gab es unter anderem die Facebook-Integration zu sehen.
iOS mit größerer Installationsbasis als Android
Forstall betonte zu Beginn seiner Präsentation, dass Apple bis Ende März 2012 über 365 Millionen iOS-Devices verkauft hat. Rund 80 Prozent der Besitzer von iOS-Devices, so Forstall, benutzen die neuste Betriebssystem-Version iOS 5. Für Entwickler bedeutet dies, dass man relativ viele Kunden mit dem gleichen Set an Features erreichen kann und nur eine kleinere Menge ausschließt.
Ohne einen Krieg vom Zaun zu brechen, muss man sich an dieser Stelle die Situation von Android-Devices ansehen, die eine unglaublich viel höhere Diversifikation zeigt. Das neue Android OS 4.0 IceCream Sandwich wurde ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlicht wie Apples iOS 5. Während iOS 5 nun auf 80 Prozent von 365 Millionen Devices installiert ist, findet man aktuell Android 4.0 lediglich auf gut 7% aller Android-Geräte.
Siri
Wie schon beim kommenden OS X Mountain Lion, wird es in iOS 6 auch mehr als 200 neue Features geben, von denen Forstall die wichtigsten anspricht, zuvorderst Siri.
Apples Sprachsteuerung bekommt mit iOS 6 ein Update. Einerseits wird die Funktionalität dann auch auf dem Retina-iPad verfügbar sein, andererseits hat man die Inhalte, die Siri versteht, erweitert. Von den nachfolgend beschriebenen Funktionen werden zunächst alle nur in den USA funktionieren. Welche davon auch in Europa oder speziell im deutschsprachigen Raum verfügbar sein werden, bleibt abzuwarten. Neu in iOS 6 wird die Möglichkeit sein, Siri nach Sportergebnissen im Baseball auszuhorchen, sich über die Liga-Ergebnisse zu informieren und Spieler-Profile abzurufen. Siri kennt sich neben Baseball mit Basketball und American Football aus. Aber auch Fußball, sogar die deutsche Bundesliga soll unterstützt werden. Das erzählte Forstall nicht explizit, konnte man aber auf einer eingeblendeten Grafik im Hintergrund der Bühne erkennen.
Daneben kann man sich außerdem in iOS 6 mit Siri noch spezifischer über Restaurants informieren. Es gibt Karten und Reviews zu Restaurants über die Yelp-Datenbank, und mit Open Table lassen sich Reservierungen vornehmen. Mit Kinos kennt sich Siri ebenfalls aus. Man kann sich die Trailer direkt anschauen und Reviews der Plattform „Rotten Tomatoes“ durchsehen. Siri kann neuerdings aber auch Programme starten.
Autohersteller haben Apple bereits zugesagt, sprachgesteuerte Navigation via Siri zu unterstützen. Das Sprachenangebot wird außerdem ausgebaut: Koreanisch wird zukünftig unterstützt, Spanisch, Mandarin und einige weitere Sprachen. Die Suchfunktion von Siri wird ebenfalls lokalisiert.
In den Einstellungen kann man seinen Facebook-Account authentifizieren und von da an iOS-weit mit Facebook interagieren, Fotos verschicken, und so fort. Man kann mittels Diktat Nachrichten aufsagen, und es gibt ein API, mit dem Entwickler die Facebook-Integration in ihre Apps einbauen werden können. Es gibt aber auch eine Facebook-Integration in den App Stores. Zukünftig wird man dort sehen können, welche der eigenen Freunde welche App gerade gut finden, oder welchen Song oder welches Buch. Die Implementierung von Facebook reicht sogar hinein ins „Notification Center“, betrifft aber gleichzeitig die Kontakte und den Kalender. Geburtstage von Freunden in Facebook werden automatisch im Apple-Kalender eingetragen, mit den Kontakten verhält es sich genauso.
Anrufverhalten
Bislang konnte man eingehende Anrufe nur direkt beantworten oder sie wegdrücken. Mithilfe von iOS 6 wird man zukünftig eingehende Anrufe in Form einer Message beantworten können. Apple stellt einige kurze Text-Nachrichten bereit, die man mittels Tippen auf einen Button direkt an den Anrufer schicken kann. Wenn Antworten wie „Ich bin auf dem Weg.“ oder „Ich ruf dich später zurück.“ nicht ausreichen sollten, kann man eine eigene Nachricht verfassen.
Alternativ kann man sich zu einem späteren Zeitpunkt an den Anruf erinnern lassen. Auch an dieser Stelle wird man einige Auswahlmöglichkeiten haben. Eine davon ist, sich in einer Stunde nochmal erinnern zu lassen. Die übrigen sind ortsbasierte Erinnerungen wie beispielsweise „wenn ich nach Hause komme“ oder „wenn ich aufbreche“ (im Orig. „when I leave“). Scott Forstall erklärte, dass im Fall, dass der Nutzer sich für diese Wahl entscheidet, das iPhone eine Art virtuelle Zone in einem Radius um den Nutzer herum erzeugt. Angenommen man stecke in einem Meeting und verlässt später den Konferenzraum, würde das iPhone einen dann an den Rückruf erinnern.
Weiterhin wird iOS 6 einen „Bitte nicht stören“-Modus erhalten. Schaltet man diesen ein, wird man nicht in misslichen Situationen gestört oder mitten in der Nacht durch Text-Nachrichten oder Benachrichtigungen und Anrufe aus Versehen geweckt werden. Man kann allerdings Ausnahmen erstellen, und zum Beispiel Gruppen einrichten, von Leuten, die einen in jedem Fall erreichen können sollen.
FaceTime
Die App für Videokonferenzen funktionierte bislang nur über WiFi-Verbindungen. In Zukunft wird man auch über das mobile Netzwerk Videoanrufe führen können. Darüber hinaus werden die eigene ID und Telefonnummer virtuell miteinander verschmolzen. Sowohl FaceTime als auch iMessage – ganz gleich ob auf iPhone, iPad oder Mac – machen in Zukunft keinen Unterschied mehr zwischen diesen beiden Adressierungsoptionen, sodass man Nutzer selbst dann per Videotelefonie anrufen kann, oder ihnen eine Message schicken, wenn man ihre Nummer nicht kennt oder ihre ID, und jeweils umgekehrt.
Mobile Safari
Der mobile Browser bekommt mit Apples iOS 6 ein Update, er bekommt die vom Desktop bekannten iCloud Tabs. Das sind live synchronisierte Tabs aus den Browsern, die man auf allen seinen iOS- oder OS-X-Devices zur Zeit geöffnet hat.
Sinnvoll ist in jedem Fall die „Offline-Leseliste“, die der mobile Safari in iOS 6 spendiert bekommt, die aber zugleich der Safari 6 in Mac OS X 10.8 erhalten wird. Wenn man über Inhalte stolpert, gerade aber keine Zeit hat, sie zu lesen, kann man sie fortan in die Offline-Leseliste packen und der Browser lädt die Webseiten im Hintergrund auf das eigene Smartphone oder Tablet herunter, sodass man sie selbst dann wird lesen können, wenn man irgendwo kein Internet mehr haben sollte. Für Zugfahrten oder Flugzeugreisen keine allzu schlechte Option.
Ebenfalls interessant ist das Feature, aus Mobile Safari heraus Fotos auf Webseiten hochladen zu können. Dazu können die Bilder aus den eigenen Alben oder dem „Photo Stream“ verwendet werden.
Apple führt in Mobile Safari zudem Smart App-Banner ein. Sollte ein Nutzer mal eine Webseite zu einem Service aufrufen, zu dem es eine App gibt, wird ihm das angezeigt. Er hat dann die Möglichkeit, die App im App Store herunterzuladen. Besitzt er eventuell die App schon, dann wird ihm die Chance geboten, die App direkt aus dem Browser heraus zu öffnen, und Browser und App können miteinander kommunizieren, sodass der Nutzer in der App genau an der Stelle mit seinen Aktivitäten fortfahren kann, an der er zuvor im Browser aufgehört hatte. Er muss also z. B. eine Suche nicht noch ein zweites Mal neu eintippen.
Photo Stream und VIP Mailbox
Man wird zukünftig seine Photo Streams mit anderen teilen können. Die Fotos, die man mit anderen teilen möchte, wird man auswählen dürfen. Dann sucht man sich die Freunde aus dem Adressbuch aus, mit denen man die Fotos teilen möchte. iOS erstellt dann ein Album, das man online mit den Freunden gemeinsam ansehen und kommentieren kann. Das Anschauen der Shared Streams funktioniert ebenso über Apple TV.
Nutzer können unter iOS zukünftig eine VIP Mailbox einrichten, in der ausschließlich die Mails von Personen landen, die man als VIP markiert hat. Zudem soll man für individuelle Mail-Accounts nun separate Signaturen einrichten können.
Passbook
Apple führt mit iOS 6 eine neue Passbook-App ein, deren Nutzen wohl vornehmlich in den USA zu spüren sein wird. Als Beispiele wurden Bordkarten von United Airlines genannt oder Kundenkarten von „Coffee Shops“, mit denen man seinen Kaffee bezahlen kann. Gleiches gilt für Kino-Karten, Coupons und viele andere. Alle Tickets erscheinen im Lock-Screen, wenn man z. B. an den Flughafen kommt, oder in das Starbucks-Kaffee.
Guided Access
Mit iOS 6 werden die Möglichkeiten erweitert, Apps für spezielle Anwendungsfälle einzurichten. Eltern können beispielsweise über das bloße Einkreisen von Bildschirmelementen entscheiden, welche Buttons ihre Kinder nutzen dürfen oder nicht. Besonders interessant ist zudem der „Single-App-Mode“. Damit ist es möglich, einzig und allein eine App auf dem Display anzuzeigen. Das Drücken auf den Home-Button hat in dem Fall keinen Effekt. Denkbar sind Einsatzbereiche wie das „Schreiben“ oder Durchführen von Tests an Schulen. Denn Schüler können dann nicht einfach nach der Antwort im Browser suchen, weil sie aus der laufenden Anwendung die so präpariert wurde, nicht herauskommen.
Maps
Scott Forstall stellte zudem eine neue Karten-App vor. Dies war im Vorfeld durchaus erwartet worden. Schon auf der D10-Konferenz hatte Tim Cook Andeutungen gemacht, dass man sich bezüglich der Abhängigkeit von Google lösen müsste. Nicht umsonst hatte Apple vor einiger Zeit mehrere Firmen aufgekauft, darunter beispielsweise C3 Technologies, deren Know-how Apple dabei behilflich sein sollte, seine eigene Karten-Applikation anzubieten.
Man habe das Karten-Material selbst angefertigt, betonte Forstall und eine lokale Suche integriert nach Geschäften, Hotels, etc., sogenannten Points of Interest. Außerdem hat man einen Stau-Service integriert und befeuert diese Infos mit aktuellen Daten, die man anonym von allen iOS-Nutzern zur Verfügung gestellt bekommt. Wie das genau funktionieren wird, verriet Forstall nicht, werden wir in den kommenden Wochen bis zur Veröffentlichung aber sich in Erfahrung bringen. Weiterhin ist nun eine Turn-by-Turn-Navigation integriert. Anbieter von Navigationssystemen haben spätestens seit Googles Weg Richtung Zug-um-Zug-Navigation, aber nun noch einmal deutlichere Konkurrenz bekommen. Glück für TomTom aus den Niederlanden ist, dass Apple zumindest bislang noch auf Daten des Herstellers zurückgreift, wie Screenshots der Karten-App zeigen.
Siri wurde außerdem zur Unterstützung der Maps-Applikation eingebunden. Man kann über die Sprachsteuerung eine Route auswählen. Quengelnde Kinder oder Beifahrer können sich erkundigen, ob man schon am Ziel angekommen ist. Sollten die Stau-Daten die Ankunftszeit mal verlängern, versucht die Maps-App eine schnellere Route zu berechnen, die man bei Bedarf dann auswählen kann. Auch wird man Siri auf dem Weg fragen können, ob es unterwegs eine Tankstelle oder dergleichen gibt und Siri zeigt einem dann die nächstliegenden Tankstellen an, von denen man sich eine aussuchen kann, die die Navigation dann anfährt. 3D-Modelle von Ballungszentren gibt es ebenfalls, die man zudem samt Textur in einem Modus namens Flyover genießen kann.
Kein iPad
Die Beta-Version wurde bereits gestern an die Entwickler ausgeliefert. Der Release soll dann im Herbst erfolgen. Möglicherweise schon ein Hinweis auf eine Veröffentlichung eines neuen iPhone 5 im Herbst. Doch davon abgesehen gibt es nicht auf jeder Plattform das kommende iOS 6. Auch darüber hatten wir im Vorfeld berichtet. So werden nur das iPhone 3GS und neuer, das iPad 2ter und 3ter Generation (Retina) und der iPod touch der 4ten Generation in den Genuss des neuen iOS 6 kommen.