Test: Deponia – Das Leben auf der Point-and-Click-Müllkippe für Windows PC

Marco Gödde, den 30. Januar 2012
Deponia
Deponia

Mit Deponia startet der Hamburger Entwickler Daedalic den neuen Adventure-Jahrgang. Darin begleiten wir den egozentrischen und prahlerischen Antihelden Rufus bei seinen Versuchen der Welt zu entkommen, in der er lebt. Ob die Jungs damit gleich mal ein Highlight setzen oder sich noch Luft nach oben lassen, klärt unser Review zu Deponia.

Es ist immer wieder erschütternd, was Spieleprogrammierer uns an so genannten „Helden“ zumuten. Sei es ein tollpatschiger Jack Keane oder ein notgeiler Larry Laffer. Aber zugegeben, wir schlüpfen gerne in die Haut solch vermeintlicher Verlierer, um am Ende mit ihnen die Welt zu retten und die jungfräuliche Maid für uns zu gewinnen. Entsprechend freunden wir uns auch schnell mit Rufus an, seines Zeichens erfolgloser Fluchtplan-Entwickler, der bisher jedes Mal grandios scheiterte, bei seinen Versuchen dem Müllplaneten Deponia zu entkommen. Dass er sich damit immer wieder zum Gespött seiner Nachbarn im Dorf Kuvaq macht und dabei in der Regel außerdem deren Eigentum in erhebliche Mitleidenschaft zieht, nimmt er ob seiner egomanischen Natur und seiner extremen Selbstüberschätzung gar nicht wahr.

Fluchtversuch die 127te

Bei seinem jüngsten Fluchtversuch, der wie immer die weiße Wolkenstadt Elysium, die hoch über Deponia schwebt, zum Ziel hat, schafft er es immerhin auf einen der Organon-Kreuzer. Diese laden beständig neuen Müll auf dem Planeten ab und dienen der Obrigkeit zur Kontrolle der Bewohner auf Deponia. Leider geht danach einmal mehr Alles schief und er stürzt wieder hinab. Diesmal reißt er aber noch die süße Goal mit in die Tiefe. Die Bewohnerin Elysiums liegt danach erst einmal im Koma. So ist es im ersten von drei Kapiteln Rufus erklärtes Ziel, Goal in seine Finger zu kriegen. Ist sie für ihn doch ein mögliches Ticket in die ersehnte Wolkenstadt.

Das neue Abenteuer der Macher von Edna bricht aus und Harveys neue Augen präsentiert sich in der gewohnten, wunderbar detailreichen und äußerst hübschen Comicgrafik. Vor den handgezeichneten, hochauflösenden und mit kleinen Animationen angereicherten Hintergründen bewegen sich die fein animierten Figuren. Gerade im ersten Kapitel wimmelt es nur so vor skurrilen und liebenswerten Charakteren. Sei es Rufus‘ Ex-Freundin Toni, die für ihn nur noch Spott und Hohn übrig hat, oder die unentschlossene Empfangsdame im Rathaus mit Dreitagebart.

1, 2, 3 Test…

Einen nicht zu unterschätzenden Teil zur stimmigen Atmosphäre trägt die exzellente Vertonung der Figuren bei. Gerade Monty Arnold, der unter anderem der Hauptfigur Rufus seine Stimme, und damit einen unverwechselbaren Charakter verleiht, leistet hervorragende Arbeit. Seine Kollegen stehen dem in Nichts nach.

Die Musik ist vielfältig und passt zu den verschiedenen Szenen, wird dramatisch, wenn die Geschichte auf einen Höhepunkt zusteuert und bleibt ruhig, wann immer es die Story erfordert. Zwischen den Kapiteln greift Daedalic-Mitbegründer und Story-Schreiber Jan Müller-Michaelis zur Gitarre und kommentiert das Geschehen mit ironischen Texten. Wer hier nicht wenigstens schmunzelt hat wohl das Humorverständnis eines Steins.

Neue Bedienkonzepte vorgestellt

Bei der Bedienung beschreiten die Hamburger Jungs dezent neue Wege. Hält sich die simple Interaktion mit den Figuren und der Umgebung noch an die üblichen Genrestandards, rechte Maustaste anschauen, linke Maustaste Reden und Benutzen, kommen für den Rest einige innovative Bedienkonzepte zum Einsatz. Mit der mittleren Maustaste lassen sich alle Hotspots eines Bildschirms anzeigen und mit einem leichten Dreh am Mausrad öffnen und schließen wir das Inventar. Vermutlich sollte damit die Entwicklung in der Steuerung klassischer Point-and-Click-Adventure abgeschlossen sein. Einfacher und schneller lässt sich ein Abenteuer wohl kaum noch bedienen. Zumal sich der Rest, wie Schnellspeichern und –laden, oder der Wechsel in das Hauptmenu, wie gewohnt über Tastaturkürzel abwickeln lässt.

Meist faire Puzzle

Kommen wir nun zum Wichtigsten an einem Abenteuer: den Rätseln. Deponia gibt sich dabei, bis auf ein paar Kleinigkeiten, keine Blöße. Genreüblich konfrontiert uns das Spiel mit Kombinationsrätseln, die wir unter Zuhilfenahme der eingesammelten Gegenstände und Umgebungsobjekte lösen. Die uns gestellten Aufgaben sind abwechslungsreich und in der Regel fair. Leider fehlt es an vernünftigen Hinweisen, was dazu führt, dass einige Rätseleinlagen schwerer daher kommen als sie eigentlich sind. Zwischendurch lockern simple bis leicht komplizierte Minispiele das Geschehen auf. Wer diese optionalen Einlagen nicht mag, oder sich wider Erwarten doch die Zähne daran ausbeißt, kann sie jederzeit überspringen.

Leider nimmt die Rätseldichte gerade im Vergleich mit dem ersten Kapitel zum Ende hin ab, ebenso wie die Vielfalt an Schauplätzen und Charakteren. Und bis auf das etwas unerwartete Ende, das auf einen bereits geplanten zweiten Teil schließen lässt, weiß Deponia trotz der kleineren Schwächen zu gefallen.

Fazit

Die Geschichte von Deponia wird gut erzählt, der Hauptcharakter trotz seiner vielen Macken und Unzulänglichkeiten ist grundsympathisch, die Grafik erstklassig und die Bedienung durchdacht. Der Humor, den der Entwickler bereits in den vorangegangen Spielen zeigte, entfaltet auch im jüngsten Werk seine Wirkung. Rätsel und Dialoge sind auf gewohnt hohem Niveau. Mit Deponia landet Daedalic schon zu Beginn des neuen Jahres einen Volltreffer, der bis auf das offene Ende zu gefallen weiß. Und ist uns damit einen Platin-Award wert.


Ähnliche Nachrichten

Testergebnis

URS: 8,5 von 10
8,5