Dungeon Hunter 3 für iPhone und iPad im Test: der Freemium-Farmville-Reinfall des Jahres

Alexander Trust, den 29. Dezember 2011
Dungeon Hunter 3

Diablo 3 kommt erst nächstes Jahr. Dungeon Hunter 3 für iPhone und iPad kam vor einigen Tagen in den App Store. Als Fan von Action-Rollenspielen war ich natürlich die ganze Zeit interessiert, habe die Meldungen verfolgt und nun habe ich mich bereits einige Zeit mit DH3 beschäftigt, vor dem Veröffentlichen des Testberichts sogar absichtlich mehrere Tage verstreichen lassen und das Spiel mehrmals zur Hand genommen. Jetzt komme ich nur trotzdem nicht umhin, meinen Unmut über das, was man Spielern als geschenkten Gaul in Form einer Freemium-Universal-App dort hinstellt, in einem Review festzuhalten.

Kommen wir zu Anfang zu den erfreulicheren Dingen im Spiel: Es gibt jetzt eine Klasse mehr als in den Vorgängern. Gamer können sich zwischen Kriegsherr, Astromant, Gaukler und Schamane entscheiden. Darüber hinaus kann man sogar jeden Typus entweder in weiblicher oder männlicher Form spielen. Die Figurenmodelle wurden gegenüber dem Vorgänger deutlich aufgehübscht und die Bewegungsanimationen sind detaillierter als in den Vorgängern. Grafisch ist DH3 kein Vergleich zum Vorgänger und sammelt, vom Kontext befreit – objektiviert quasi -, für diesen technischen Aspekt Pluspunkte.

Achtung, fertig, los…

Wenn man das Spiel zum ersten mal zur Hand nimmt, startet man quasi in medias res. Gut, dachte ich, wird man eben zu seinem Glück gezwungen. Ein kleines Tutorial hat einem dann also in kurzer Zeit die wichtigsten Bedienelemente erklärt, die man aber, wenn man die Vorgänger und vor allem den zweiten Teil gespielt hat, bereits zur Genüge kennt.

Schade ist, dass man die Bedienelemente aktuell nicht auf dem Bildschirm anordnen kann. Auf dem iPad dürfte das für eher ungelenkes Vergnügen für manche Leute sorgen, war es doch schön, dass man die wichtigsten Buttons und das Steuerkreuz an die Länge seiner Finger anpassen, und auf dem Bildschirm verschieben konnte. Sicherlich wird Gameloft mit der Zeit nachbessern, denke ich, und lasse also Gnade vor Recht ergehen, weil ich mich ja auf ein umfangreiches Action-Rollenspiel freue.

Wo ist die Story?

In den Vorberichten hieß es, dass das Böse die Welt von Gothikus wieder in seinem Bann hält. Als ich das Game gestartet habe, muss dieses Drama aber irgendwie an mir vorbeigegangen sein. Doch bei Dungeon Hunter 3 fehlt, wie bei vielen der neueren Apps von Gameloft, die der Generation „Freemium“ angehören, das eigentlich obligatorische Introvideo nach dem Start. Wo bin ich hier? Was mach ich denn? Niemand erklärt mir, dass ich in Gothikus bin, und es hier ein Unglück gibt, ich der „Einzige“ sein kann, der sich diesem entgegenstellt, und so weiter, und so fort. Zugegeben, wirklich subtil war noch keine Fantasy-Story von irgendeinem Hack and Slash, auch nicht von anderen Herstellern. Die wurden uns aber immerhin in irgendeiner Form präsentiert. Doch was Gameloft in diesem Fall anbietet ist wirklich enttäuschend. Statt wie in Teil 2 durch Gespräche mit computergesteuerten In-Game-Figuren (NPC), gibt es hier für jedes Level immer nur 3, 4 Zeilen Text, die auf das vorbereiten, was mich erwartet.

Wimmelbild-Freemium-Alarm

Auf der Suche nach der Möglichkeit, die Steuerungselemente anders anzuordnen, bin ich sogar aus dem regulären Spielbetrieb ausgebrochen und bis ins Hauptmenü zurück. Dort prangt ein Leaderboard-Banner (728×90) im unteren Drittel – alles kein Problem, immerhin ist das Ganze ja kostenlos. Rechts fand sich ein Button auf dem „Edelsteine“ zu lesen ist.

Da ich neugierig bin, habe ich draufgeklickt und bekam zur Wahl gestellt, ein Video über ein Wimmelbild-Spiel namens Mystery Manor: Hidden Adventure anzusehen. Als Lohn für meine Furchtlosigkeit wurde mir „1 gem“ gutgeschrieben. An dieser Stelle fällt zweierlei auf. Einerseits sind diese Elemente noch nicht mit übersetzt, andererseits deutet sich hier schon an, was sich später dann bewahrheiten würde, die schöne, heile Social-Casual-Zynga-MafiaWars-Farmville-Welt klopft an die Tür eines ehemals gestandenen Action-Rollenspiels.

Geduldsspiel

Das bewahrheitet sich spätestens, als ich nach dem Tutorial gefragt werde, ob ich der App erlauben möchte, bei Facebook in meinem Namen zu posten. Da ich dieses virale, soziale Element sogar noch halbwegs passabel finde, wenn es niemandem auf die Nerven geht, mach ich auch hier noch einen Haken drunter. Doch dann kommt der erste größere Schock: Die Rüstung, von der man mir nach dem Tutorial erzählte, ich kann sie gegen Gold verbessern. Kein Problem, denk ich, immerhin findet man Gold in den Levels. Also bestätige ich, dass ich meine Oberbekleidung für den Kriegsherrn „Sajonara“ aufbessern mag. Die App gibt mir eine Rückmeldung, die mir nicht gefällt. Ich soll in 30 Minuten noch einmal nachschauen, dann hätte der Schmied die Rüstung für mich verbessert. Ist das nun Realismus? Wenn er es sein sollte, dann hätte Gameloft sicherlich nicht dafür gesorgt, dass man der virtuellen Realität in Form eines Diamanten ein Schnippchen schlagen kann. Tatsächlich können Gamer gegen die Abgabe von Diamanten ihre Rüstung unmittelbar in Empfang nehmen.

Es läuft also darauf hinaus, dass man sich als ungeduldiger Zeitgenosse über In-App-Käufe in Unkosten stürzt. Ich bin zum Glück kein solcher, doch Gameloft hat dieses Feature einzig und allein des „Freemium“-Aspektes wegen integriert. Es gibt keinen anderen Grund. Nur bei den „humanen“ 30 Minuten vom Anfang wird es nicht bleiben, bereits die Ausrüstungsgegenstände der zweiten Kaste, oder wie man sie nennen mag, also diejenigen, die besser sind als der Standard – diese benötigen bereits 2 Stunden Wartezeit, ehe man sie nach dem Zahlen von Goldmünzen verbessert zurückerhält; das kennt man von Farmville und Co. Dort werden höherwertige Gegenstände mehr Zeit in Anspruch nehmen hergestellt, oder verbessert zu werden. Man sollte sich dann schon mal drauf einstellen, dass es in Dungeon Hunter 3 heißt, komm in 24 oder 48 Stunden wieder, dann ist deine Rüstung fertig.

Natürlich kann man in der Zwischenzeit weiter Gegner und Untote vermöbeln, doch ist der Charme vom „Jagen und Sammeln“, den (Action-)Rollenspiele immerschon geboten haben, auf diese Weise zerstört worden. Es gibt auch keine NPCs, keine virtuelle Figur eines Händlers, mit dem man ins Gespräch kommt, der einem eine Quest anbietet und eine Belohnung als Gegenleistung verspricht. Für 79,99 Euro gibt es übrigens den Goldschatz (=3.120.000 Gold) oder den Drachenschatz (=6.250 Edelsteine) zu kaufen. Wer nicht ganz so viel ausgeben mag, die kleinste Einheit ist die Schurkenreserve oder die Handvoll Gold für je 1,59 Euro.

Survival-Arena-Gameplay (noch ohne Multiplayer)

Der Grund dafür liegt in dem neuen Gameplay von Dungeon Hunter 3. Statt den Spielern eine Story anzubieten, bekommen sie Survival-Gameplay, das derzeit in Mode gekommen ist. Mein Kriegsherr „Sajonara“ muss sich Horden von Gegnern entgegenstellen und „mindestens“ einen gewisse Zahl von ihnen ins Jenseits befördern, damit ich ein Level weiterkomme. Die Level sind dabei nicht auf einer Map angeordnet – denn hier wird nicht augenscheinlich gereist, allerhöchstens ohne dass der Spieler es mitbekommt. Es gibt vier Welten, eine Welt kann ich immer erst ab einem gewissen Level erreichen und in dieser Welt gibt es jeweils 20 Spielabschnitte. Wer nun denkt, dass diese sich alle unterscheiden irrt. Manche Areale kehren recht schnell wieder und unterscheiden sich dann nur unwesentlich durch die stärkeren Gegner oder wie im Screenshots zu sehen ist durch Bienenstöcke (Der Schrein von Thalassa, Level 1, Level 9, setze diese Reihe fort…). Nur wenn ich einen davon erfolgreich abschließe, wird der nächste freigeschaltet. Ansonsten habe ich nur ein Fenster mit Schlössern – Puzzlespiele wir Cut the Rope hätten es nicht besser machen können?!

Zeitdruck

Tragisch wird es für alle unter uns, die gerne die Gegend erkunden, dann, wenn auf einmal am oberen Bildrand ein Countdown zu ticken anfängt. Die Zeit läuft ab, ich habe nicht alle Gegner besiegt „oder“ genügend und komme ein Level weiter. Jedes Level kann ich so oft spielen, wie ich will und je nachdem, auf welche Art ich die Gegner töte und wie viele, erhalte ich Trophäen und Belohnungen. Für jemanden, der die Welt von Gothikus erkunden wollte, ist das eine herbe Enttäuschung. Wenn man eine „Welle“ übersteht, bekommt man zwar einen Zeitbonus, nur wenn man dann die allerletzte überstanden hat, wird man wieder zurück ins Menü geworfen. Die Arenen selbst kann man nur bedingt erkunden, in ihnen finden sich immerhin strategisch einzusetzende Gegendstände oder Objekte. Beispielsweise gibt es explosive Fässer, Pilze, usf., die erst mit Verzögerung detonieren, nachdem man sie mit der Waffe scharf gemacht hat. Auf diese Weise kann man z. B. Gegner auch mithilfe der Umgebung ins Visier nehmen.

Wir haben es bei Dungeon Hunter 3 mit einem Survival-Arena-Gameplay zu tun. Nun ist das, vor allem wenn es gegen größere Gegner geht, auch darauf ausgelegt, dass man sich in der Gruppe dem Fiesling widersetzt. Doch den Multiplayer hat Gameloft noch nicht integriert, obwohl dieser in der ganzen Vorberichterstattung seitens Gameloft als „Herzstück“ und umfassendste Neuerung angepriesen worden war. Gamer müssen sich auf das nächste Jahr gedulden, ehe man zu mehreren in den Arenen von Gothikus auf die Gegner eindreschen wird können.

Fazit

Wer mein Review gelesen hat, wird bereits wissen, dass Dungeon Hunter 3 meine persönlichen Erwartungen total enttäuscht hat. Es gibt sicherlich einige Leute dort draußen, die mit dem skizzierten Arena-Gameplay etwas werden anfangen können. Das zeigen immerhin 75 5-Stern-Wertungen im App Store gegenüber 342 1-Stern-Wertungen. Ich jedenfalls kann mich nicht daran gewöhnen. Denn ich wollte in einer Fantasy-Welt umherstreifen und mich berieseln lassen. Ich wollte Stunden auf die Suche von Items verwenden, doch stattdessen werde ich nun sogar angetrieben, in einer bestimmten Zeit ein Level abschließen zu müssen. Ich habe keinen Spaß daran unter Zeitdruck ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Das kann ich in anderem Kontext durchaus gutheißen, nur DH3 wurde mir als Action-Rollenspiel angepriesen im Vorfeld und die Vorgänger waren genau das. Wenn ich DOTA, League of Legends: Dominion oder LOCO: Evolution hätte spielen wollen, hätte ich das sicherlich getan. Aber ich wollte Dungeon Hunter spielen, doch das hat sich total verändert und entsprechend meine Erwartungen absolut nicht erfüllt – Freemium hin oder her, das alleine muss nicht das Unwort des Jahres. Weil es technisch ganz gut gemacht ist, selbst wenn man dies mit dem Wegfall des Open-World-Charakters teuer erkauft hat, bekommt das Spiel von mir nicht die Höchststrafe. Nur eins ist klar: Ich würde es niemandem empfehlen. Hätte Gameloft statt Dungeon Hunter vielleicht ein Etikett namens Legionnaire’s League oder dergleichen benutzt, niemand hätte sich beschwert, weil keiner ein Action-RPG erwartete an der Stelle, an der aber ein anderes Genre den Platz eingenommen hat.


Ähnliche Nachrichten

Passende Angebote

Testergebnis

URS: 3 von 10
3

Negatives

  • Etikettenschwindel, eher ein Spiel wie DotA oder LOL
  • Freemium-Konzept