RTL Explosiv zur GamesCom 2011 wird Shitstorm nicht los

Alexander Trust, den 25. August 2011
Gamescom
Gamescom-Besucherstrom, Foto: Frederic Schneider

RTL wird Shitstorm nicht los. Ein Beitrag in der Sendung RTL Explosiv vom 19. August über die Besucher der Gamescom 2011 hat für RTL noch Konsequenzen. Neben einer Programmbeschwerde ist es vor allem ein Shitstorm der Gamer-Gemeinde, die den Kölner Fernsehsender noch verfolgt.

In der vergangenen Woche luden die Domstadt Köln und die Koelnmesse Gamer ein, bei der Gamescom 2011 dabei zu sein. Für die Betreiber hat es sich gelohnt. Die Messe meldet einen neuen Besucherrekord.

Trotzdem ist nicht alles Gold, was glänzt. Denn die Organisatoren mussten am Messe-Samstag sogar die Tageskasse schließen. Der Andrang war zu groß. Schwerer wiegt aber ein Skandal um den Fernsehsender RTL, der in Köln ansässig ist. Der hat sich abschätzig über Messebesucher geäußert.

RTL bedient Vorurteile

Gamer stinken. Sie sind ungepflegt und haben keine Freundin. Das sind nur drei Stereotype, die RTL in einem Beitrag der Sendung RTL Explosiv aufgegriffen hat. Sie zeigen Computer- und Videospieler, die die Hauptzielgruppe der Spielemesse in der Domstadt sind.

Die Darstellung in der Sendung stieß bei Gamern auf wenig Gegenliebe. Das musste vor allem der Redakteur Tim Kickbusch erfahren, der den Beitrag verantwortet.

Sender entschuldigt sich

Die Gamer laufen Sturm. Deswegen haben sich sowohl der Redakteur Tim Kickbusch, als auch RTL dafür entschuldigt. Im Internet, „dem Medium“ der Gamer, scheint es aktuell noch nicht so, als ob die Entschuldigung auch angenommen wird.

Doch gerade das Netzmedium könnte mithelfen, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die wäre notwendig, damit nämlich andere Fernsehsender die Geschichte aufgreifen. Dass das Internet dazu in der Lage ist, Themen auch außerhalb der eigenen Öffentlichkeit auf die Agenda zu setzen, beweisen Beispiele aus der jüngeren Zeit. Zuletzt hat unter anderem sogar die Tagesschau über den Verkauf des Blogs von Robert Basic berichtet.

Programmbeschwerde eingereicht

Bei den Medienanstalten sind trotzdem beschäftigt. Denn es wurden mittlerweile bereits über 7.000 Beschwerden eingereicht. Das Gros davon erfolgte über die Internetseite www.programmbeschwerde.de. Dies ist eine offizielle Plattform der Landesmedienanstalten. Diese haben entsprechend nun eine Überprüfung eingeleitet. Dies berichtet das Branchenmagazin Werben & Verkaufen.

Gamer werden von W&V als sehr organisiert dargestellt. Tatsächlich ist es beachtenswert, dass eine Überprüfung des Vorfalls veranlasst wird. Denn es gibt im Internet auch viele Aufschreie von „Feministinnen“, die sich über „sexistische“ Werbeclips aufregen. Letzten Sommer warb Sky für Fußball, auch auf eine Weise, die sich Stereotypen von Mann und Frau bedient. In diesen Fällen reichte es jedoch nicht aus, eine Überprüfung anzustrengen.

Spielemesse spielt Vorfall runter

Die Betreiber der Gamescom versuchen auf Facebook deeskalierend auf die Spielergemeinde einzuwirken. Die Verantwortlichen betonen, dass die Berichterstattung über die Gamescom 2011 vorwiegend positiv ausgefallen ist. Dazu heißt es, dass sowohl der Sender als auch der Redakteur Tim Kickbusch sich entschuldigt hätten.

Auf dessen Facebook-Profil ist es dummerweise zu hitzigen Diskussionen gekommen, bei denen Kickbusch nicht ganz ruhig geblieben ist. Diese kann man nun nicht mehr nachvollziehen, weil sie gelöscht oder versteckt wurden. Doch auch „dafür“ entschuldigte er sich.

Stellungnahme im Fernsehen gefordert

Mittlerweile werden aber Forderungen laut, dass RTL sich im Fernsehen für seinen Beitrag entschuldigen solle. Das sei nur richtig, da normalerweise Richtigstellungen im selben Medium veröffentlicht werden, in denen die ursprüngliche Falschmeldung erschien.

Die Medien können dazu auch auf richterliche Anordnung hin gezwungen werden. Allerdings setzt das voraus, dass die Betroffenen eine Klage einreichen. Vielleicht ist das aber gar nicht notwendig, wenn RTL selbst aktiv wird.

Tim Kickbusch voreingenommen

Dass es überhaupt zu diesem Beitrag gekommen ist, darf bei der Person Tim Kickbusch niemanden wundern. Schon am 18. August schrieb er auf seiner Facebook-Pinnwand:

„Ich glaube, die ganzen Daddel-Freaks bei der Gamescom sind direkt aus Wacken hierher gereist. Die sehen so aus. Und riechen so.“
Tim Kickbusch

Dieses Zitat zeigt deutlich, dass Kickbusch voreingenommen ist. Das ist jedoch keine gute Voraussetzung, um einen neutralen Beitrag fürs Fernsehen zu produzieren. Richtig ist, dass Körpergerüche entstehen. In Köln und vor allem in den Messehallen war es sehr warm. Es ist aber nicht automatisch so, dass jeder das gleiche Empfinden über den Schweißgeruch anderer Leute hat. Tatsächlich sind hierbei die Geschmäcker nachgewiesenermaßen verschieden.

Kickbusch allerdings zeigt keine Einsicht. Onlinewelten weist auf einen weiteren Facebook-Beitrag des RTL-Redakteurs hin. Er stört sich nicht an den Kommentaren der Gamer. Vielmehr glaubt er, dass zu viel Computerspielen schlechten Einfluss auf die Rechtschreibung hat.

RTL erweist Köln Bärendienst

RTL als Heimatsender der Stadt Köln erweist mit der Berichterstattung in jedem Fall einen Bärendienst. Denn von außen betrachtet könnte man meinen, Köln keine „stinkenden, ungewaschenen und ungepflegten“ Gamer beherbergen möchte. Doch mit dem Umzug der Spielemesse von Leipzig nach Köln sollte ja eigentlich genau das Gegenteil gezeigt worden sein.

Redaktion zeigt Unkenntnis

Noch bin ich mit meinen Ausführungen nicht am Ende. Denn neben den Vorurteilen über das Waschverhalten von Spielern hat RTL noch eine andere Facette der Gamescom in Köln falsch wiedergegeben. Daran zeigt sich einmal mehr, dass die Redaktion des Senders mit dem Thema nicht vertraut war.

Abgesehen davon, dass Köln eine Karnevalshochburg ist, in der das Verkleiden zum guten Ton gehört. Einige der Besucher kamen verkleidet auf die Spielemesse. Es gibt da einen Trend aus Asien, der sich Cosplay nennt. Personen versuchen möglichst aufwändig Figuren aus Animes, Filmen und Videospielen mit Verkleidungen nachzuahmen. Die Koelnmesse aber auch einige Aussteller haben deshalb die Gamer explizit darum gebeten, doch bitte verkleidet zu kommen. Nintendo köderte Fans von Zelda mit Geschenken, wenn sie im Outfit kämen.

Shitstorm und Anonymous gegen RTL

Im Internet findet sich zu dem Thema bereits ein gehöriges Echo. Der Videopunk spricht sogar vom Tod des Fernsehens. Game One weist in einem umfangreichen Kommentar unter anderem darauf hin, dass RTL die passenden Videobeiträge auf YouTube sperren lässt.

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Die Videoplattform YouTube ist es auch, auf der sich viele Nutzer mehr oder weniger kreativ ausgetobt haben. Stellvertretend erklärt „Anonymous“ RTL den Krieg. Unklar ist, wie organisiert dieser Teil der Szene ist. Wir selbst kennen leider niemanden aus dem anonymen Kern. Deshalb stellen wir diese Frage einfach in den Raum. Zumindest ereilen uns Meldungen über erste Hacks von RTLs Webseiten.

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Wider die eigene Zielgruppe

RTL dürfte aber selbst mit dem Beitrag von Tim Kickbusch nicht zufrieden sein. Denn der Sender stößt damit eine nicht unwichtige Zielgruppe vor den Kopf.

Laura Da Silva ist Studentin. Sie lief als Messe-Hostess auf der Gamescom herum und wurde auch von RTL interviewt. Wie „gut“ sich Da Silva auskennt, verrät ein Video-Interview mit Gamona.


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