iPad, eBook-Reader: Eindrücke nach längerem Gebrauch

rj, den 30. Mai 2010

Das iPad ist trotz „selbstleuchtendem Papier“ neben seinen zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten auch E-Book-Reader – und schlägt sich in dieser Rolle wacker. Einschränkungen in Sachen „Buchbefüllung“ kennt man auch von der Konkurrenz, Kompromisse muss das iPad auch an anderer Stelle eingehen, aber nach ungefähr sechshundert Seiten kann man dem iPad ein gutes Reader-Zeugnis ausstellen. Nur: Mehr (und andere) Schriften bitte, Apple.

Umblätterporno – die Liebe zum Detail kennt man von Apple, und in Sachen E-Books auf dem iPad hat man diesbezüglich natürlich geklotzt. Auch nach der ersten Faszination „Papierfeeling“ bleibt der Effekt bestehen – es fühlt sich einfach „buchig“ an. Nicht nur bei der iPad-Lektüre spät abends kurz vor dem Augenzufallen passierte es mir, dass ich instinktiv die Seite richtig „blättern“ wollte.

Die Flexibilitäten des elektronischen Format schöpft man an anderer Stelle hingegen nur vorsichtig aus. Eine überschaubare Anzahl von Schriftarten wird in der E-Book-App angeboten, und meinen persönlichen Geschmack in Sachen Laufweite und Zeilenabstand trifft keine so richtig. Störend ist insbesondere bei den Serifenschriften, dass sie in allen Größen „pixelig“ sind. Die einzige serifenlose Schrift schlägt sich auf der iPad-Auflösung diesbezüglich besser, Fließtexte lesen sich aber leichter in Serifenschriften.

Zweiter Faktor beim „Lesevergnügen“: Helligkeit, Kontrast, Spiegelung. Hier kann ich dem iPad nichts negatives attestieren – die Bildschirmhelligkeit kann in der E-Book-App nach Belieben eingestellt werden – Lesen im Tageslicht ist ermüdungsfrei möglich, und die Nachts-im-Bett-Leser werden auch ohne weitere Lichtquelle ihren idealen „Dämmerbildschirm“ finden können. Auch mit Beleuchtung liest es sich auf dem iPad prima – wobei all diese Statements einerseits nach vielen Stunden iPad-Leserei unter unterschiedlichsten Umständen getroffen werden, andererseits aber von einem Bildschirmarbeiter gemacht werden, auf dessen „Schmerzfreiheit“ in Sachen Bildschirmlesen gegebenenfalls geachtet werden sollte.

Sehr schön umgesetzt wiederum ist das Lexikon. Ein wenig „Bibliotheksgefühl“ kommt mit dem leicht klassisch angehauchten Design der Definitionen auf. Auch hier stößt man auf zwei Einschränkungen, die ich mir von künftigen Versionen wünschen würde – einmal natürlich eine deutsche Version. Ungerührt werden in deutschen Texten die englischen Bedeutungen der Begriffe definiert – falls vorhanden. Weiter wäre eine „Weiterklickmöglichkeit“ innerhalb der tendenziell knappen, komprimierten Lexikon-Erklärungen angemessen – weshalb man hier die der potentielle Hypertextualität ausgelassen hat, ist unklar. Insbesondere bei Fremdsprachentexten wäre diese ein Mehrwert.

Ein wenig stiefmütterlich behandelt kommt der deutsche E-Book-Store natürlich noch daher, es ist zu hoffen, dass sich an diesem Zustand noch etwas ändert. Auswahl wie auch Kategorisierung sind noch nicht wirklich übersichtlich und „Alles auf einen Klick“ wirkt noch leicht hochgestapelt. Intuitiv geht anders, und auch wenn die aktuellen Stieg Larsson-Bestseller zu zivilen Preisen im Store stehen, machen die Listenpreise doch ein wenig Zukunftsangst – dass man tendenziell zum Taschenbuchpreis zum iPad-E-Book kommt, ist nicht unbedingt die Regel. Was angesichts der Buchpreisbindung nicht Apple vorgeworfen werden kann.

Die kostenlosen Angebote zu durchstöbern, vereinfacht Apple bislang auch nicht unbedingt. Ein Weiteres zur Verwirrnis trägt die Kategorisierung bei – so werden Kurzgeschichten schon mal zum „Buch“, bei dem sich nach dem Download herausstellt, dass nach drei Seiten Text dreißig Seiten Gutenberg-Lizenzbestimmungen folgen.

Fazit: eine solide Plattform mit Luft nach oben, insbesondere in Sachen iBookstore, Features und Schriften, die aber auch im jetzigen Zustand Lesevergnügen und Buchgefühl gewährleistet. Die Bauchschmerzen um die Geschlossenheit der Plattform sind natürlich beim iPad wie auch der Kindle-Konkurrenz kräftig, und trotz bestehender Workarounds bei der ePub-Konvertierung fürs iPad oder dem simplen Mailen von PDFs werden sie auch nicht besser werden. Man kann es positiv oder negativ sehen, dass sich Apple angesichts des Erfolgs der iPad-Plattform so etwas eben auch erlauben kann.


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