Süddeutsche Zeitung: Kampagne zur iPhone-App wurde falsch umgesetzt
kg, den 18. Januar 2010Über die Methoden der Süddeutschen und die Trigami-Vermarktung ihrer iPhone-App zerreißt sich die deutsche Bloglandschaft gerade vortrefflich die Münder. Der Vorwurf: Die Süddeutsche habe via Trigami Blogger dafür bezahlt, ihre App über ihre Blogs und entsprechende Kommentare im App Store über den grünen Klee zu loben.
Laut Jan Tißler soll diese groß angelegte Kampagne in Form eines sogenannten „Advertorials“ abgelaufen sein. Das Konzept: Über das jeweilige Produkt, in diesem Fall die iPhone-App der Süddeutschen, sollen lediglich positive (wohl aber entsprechend markierte) Beiträge erscheinen, der jeweilige Kunde kann dabei selbst entscheiden, welche Inhalte tatsächlich erscheinen und welche nicht. Das Ziel eines Advertorials: Durchweg positive Meinung ohne Kritik.
Konkret ging es in der Kampagne um die Bewertung und Kommentierung der kostenpflichtigen, sogenannten Gold-Version der Süddeutsche-App, die im Vergleich zur Gratis-Version lediglich einen Offline-Modus und eine Push-Benachrichtigungsfunktion als zusätzliche Funktionen mitbringt – ob dies die zusätzlichen Kosten von 1,59€ für 30 Tage rechtfertigt, sei jetzt mal dahingestellt.
In den dazugehörigen Bedingungen zur Rezension der App fand sich unter anderem ein Hinweis bezüglich der App Store-Kommentare: „Nach dem Runterladen der Gold Applikation müsst Ihr bitte einen möglichst positiven Kommentar im App Store hinterlassen.“ Und auch in Sachen Argumentation für die Süddeutsche-App ließ sich in der Trigami-Ausschreibung einiges lesen: Unter anderem wurde dort auf Süddeutsche-Qualitäten wie dem journalistischen Anspruch und die Autorenqualität hingewiesen – wer als ernsthafter und in der Kampagne involvierter Blogger diese vorgefertigten Textbausteine in seinen Reviews verbaut, egal ob nun im gezielten Advertorial oder „nur“ im frei formulierten Blogeintrag ohne Meinungsvorgabe, dem muss man ohnehin die Frage stellen, ob er es mit dem Schreiben so ernst nimmt. Der Vorwurf vieler unbeteiligter Blogger allerdings lastet derweil schwer auf der Süddeutschen: Wie kann man es als Qualitäts-Tageszeitung verantworten, auf solche Weise positive Kommentare zur hauseigenen App zu generieren?
Der zuständige Marketing-Verantwortliche bei sueddeutsche.de, Peter Bilz-Wohlgemuth, sowie Trigami-Geschäftsführer Remo Uherek waren in diesen Belangen aber offen und vor allem überraschend ehrlich. Der Grundtenor: So wie es allerorts dargestellt wird, war die Kampagne nie gedacht, auf Grund von Kommunikationsfehlern wurde sie fälschlicherweise als Advertorial angelegt, und damit den teilnehmenden Bloggern eine bestimmte Meinung vorgekaut – und somit ein komplett falsches Marketingprinzip zu Grunde gelegt.
Gleiches gab man auch seitens der Süddeutschen zu erkennen. Ziel der Kampagne war durchaus die Viralität, mehr aber nicht: „Wir haben jedoch immer betont, dass wir mitnichten „lobende Blogposts“ haben wollen, sondern uns gerade für Trigami entschieden haben, weil […] hier der Blogger die Freiheit hat, zu entscheiden, was er schreibt und was nicht.“ Schuld an der aggressiven Trigami-Vermarktung war offenbar Trigami selbst: Wegen diverser interner Kommunikationsdefizite wurde die Kampagne von Grund auf falsch angelegt. Es sei durchaus erwünscht gewesen, dass positive Kommentare dabei herauskommen, vorschreiben wollte man dies den involvierten Bloggern aber definitiv nicht – dies entspreche auch gar nicht dem, was man als Leser in Sachen Glaubwürdigkeit von der Süddeutschen verlangen darf.
Das Problem: Trigami hatte der Süddeutschen gezielt empfohlen, die Kampagne als Advertorial anzulegen – wobei eine sogenannte Text-Review-Kampagne dem Ziel der Süddeutschen sicher eher entsprochen hätte, da dort frei und offen die Meinung geäußert werden kann und auch soll.
Im Einvernehmen haben die Süddeutsche und Trigami die Zusammenarbeit nun beendet, Bilz-Wohlgemuth von der Süddeutschen zieht außerdem die entsprechenden Konsequenzen: „Dennoch zeigt ihr Feedback und das der Blogosphäre, dass diese Form des Marketings nicht den Erwartungen an uns entspricht. Wir werden daher in Zukunft von diesen Formen des Marketings Abstand nehmen.“
Apple wollte zum Thema der gekauften positiven Bewertungen zur App der Süddeutschen keine Stellung nehmen, im Dezember gab es mit MoLinker bereits einen Fall von gekauften App-Store-Bewertungen, in dem Apple durch einen Verweis des Entwicklers die möglichen Konsequenzen klargemacht hat.