Review: PES 2010 – Meisterschaft mit Dusel
Alexander Trust, den 4. November 2009Im letzten Jahr musste Konami eine heftige Grätsche aus Kanada einstecken: Jahre dominierte Konami die Fußballwelt im Internet und überzeugte Fans und Presse durch eine realistische Simulation mit guter Ballphysik und Spielempfinden. Dieses Jahr möchte Konami den Konter einleiten und wieder zu den Wurzeln zurückkehren. Schaffen die Japaner das oder muss man sich wieder Fifa geschlagen geben?
Japan gegen Kanada – was beim Fußball eher einen Kick ohne Prestige und Stars verspricht, ist in der Welt der Fußballsimulationen eine Partie wie Argentinien – Brasilien oder Deutschland – England. Ein Topspiel. Lange Zeit war Fifa von EA Kanada der Platzhirsch unter den Fußballsimulationen ohne echte Konkurrenz. Doch dann baute sich eine stärker werdende Konkurrenz aus Japan auf: Konami schaffte es mit Pro Evolution Soccer bzw. Winning Eleven eine gute Fußballsimulation stark zu machen, die besonders durch ihr vorbildliches Gameplay bestechen konnte.
Insbesondere im letzten Jahr musste Konami erstmals ernsthaft um den Titel fürchten: In vielen Rezensionen ging Fifa 09 als der Sieger im jährlich wiederkehrenden Duell hervor.
Konami versprach für dieses Jahr umfassende Änderungen und wollte das Spiel wieder realistischer gestalten. Dazu sollte umfangreiches Fan-Feedback umgesetzt werden. Und auf der Packung verspricht man: Mehr Modi und Funktionen als zu vor und eine verbesserte Spielgrafik.
Langsames Spiel – mehr Realität?
Um wieder zur Simulation zu gelangen, verringerten die Japaner das Spieltempo. Trotzdem spielt PES sich noch schnell. One-Touch-Fußball ist mit PES 2010 immer noch möglich und die Aktionen gehen flott von der Hand.
Früher wurden Abwehrreihen gerne mit zwei, drei Dribblings ausgehebelt. In Pro Evo ist das nur bedingt möglich: Je nach Schwierigkeitsgrad gelingt es zwar mal mehr oder weniger einfach, aber bei einer entsprechenden Schwierigkeitsstufe bedarf es schon mehr Spielzügen, als vorher, um zum Ziel zu kommen.
Lionel, schalt sie aus!
Ist doch kein Durchkommen, greift man einfach zu einer Mannschaft mit Top-Stars. Für mich gelingt mit einem Spieler wie Messi schon zu viel, im Vergleich zu übrigen Teams. Klar, dass der argentinische Dribbler mehr drauf hat als andere Fußballer, allerdings ist mir der Unterschied von Starspielern zu normalen zu augenscheinlich – auch eine „kleinere“ Mannschaft kann mit viel Einsatz einen Messi aus dem Spiel nehmen.
Da wären wir aber bei einem weiteren Knackpunkt: Für mich gibt es teilweise zu große Unterschiede in den Schwierigkeitsstufen. Klar, dass eine höhere Schwierigkeit mehr von einem abverlangen sollte, allerdings machen sich auch hier die oben beschriebenen Unterschiede zwischen Topteams und einer normalen Elf zu sehr bemerkbar. Teilweise sind die Differenzen in der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Mannschaft, z. B. vom Fortgeschrittenen zum Profi, sehr groß, gelingt im einen Modus noch vieles, spielt dasselbe Team im Profi-Modus kaum mehr wirklich Fußball.
Der Torwart – keine wirkliche Bank
Zwar zeigen die Torleute durchaus ansehnliche Paraden und Aktionen, doch ich erkenne schnell, dass sie die eigentliche Schwäche sind. Bei Distanzschüssen lassen sie den Ball gerne mal nach vorne Abprallen, sodass die Stürmer des Gegners Abstaubertore erzielen können.
Außerdem gelingt es mir beinahe in regelmäßig die Torhüter einfach zu umrunden und so den Ball nur noch ins leere Gehäuse einzuschieben. In einigen Szenen kegelten die Torleute sich den Ball selbst ins Netz oder konnten durch Nichtstun bestechen – und das hatte nichts mit dem Schwierigkeitsmodus zu tun, selbst beim Profi kann man diese Schwierigkeit erkennen.
Mal hü, mal hott – der Schiedsrichter
Ähnlich den Torhütern wissen die Unparteiischen nicht unbedingt zu überzeugen. Mal übersehen sie zwei klare Elfmeter, wobei der gegnerische Spieler alles trifft, nur nicht den Ball, der teilweise außerhalb der Reichweite war, dann bestechen sie durch rote Karten für ein kleines härteres Tackling, lassen aber auch wieder alles durchgehen, sobald der Ball nur einen Tick gespielt wird.
Fehlentscheidungen gehören in der Realität dazu, aber nicht in dem Maße, wie es Konami fabriziert. In der Animation finde ich persönlich, dass das Schiedsrichtergespann noch mit am schönsten aussieht, die Leistungen sind allerdings teilweise unterirdisch.
Innovation bei der Steuerung?
Konami versprach uns anfangs eine komplette 360-Grad-Steuerung, sowie erstmals die vollständige Übernahme des Torhüters. Ganz ehrlich? Bis auf das manuelle Herauslaufen habe ich die des Torhüters kaum gebraucht, da das Spiel dafür noch zu schnell ist.
Selbiges gilt für die neue 360-Grad-Steuerung. Es scheint zwar, dass diverse Aktionen einfacher funktionieren, hier und dort ein Übersteiger oder eine Finte mehr angetäuscht wird, doch der bewusste Einsatz der Steuerung ist kaum nötig, bzw. bietet sich durch den schnellen Fußball kaum an.
Persönlich mag ich es, wenn ein Spiel schnell ist, finde die Ansätze der Steuerung gelungen, die große Innovation wurde für mich jedoch nicht deutlich. Ansonsten verhält sich die Steuerung wie gewohnt und es lässt sich alles schnell umsetzen, empfehlenswert natürlich mit einem Gamepad.
Schicke Optik
Besonders viel hat Konami bei der Grafik getan. Alles ist hochauflösend, die Stadien sehen gut aus und Spieler sind sehr gut texturiert. Ohne Probleme erkenne ich Ballack, Podolski und Co.
Der Rasen wirkt wie in einem echten Stadion und nutzt sich auch mal in einer Saison ab, das gefällt mir ebenfalls.
Neu ist in diesem Jahr auch der veränderte Lichteinfall, das Spiel ist heller geworden, was grundlegend gut wirkt, an manchen Stellen haben es die Japaner jedoch übertrieben, sodass es wieder unrealistisch wirkt.
Außerhalb des Platzes sind schöne Objekte wie Ordner, Fotografen und Kamerateams zu finden. Diese sind größtenteils in 3D und wissen zu überzeugen. Für mich sind sie außerdem noch eine nette Begleiterscheinung, die dem Spiel mehr Realismus verleihen. Dazu zählen für mich genauso die Inszenierungen für Pokalsiege oder Meisterschaften. Hier sieht man die Spieler auf dem Feld mit den Fans jubeln, den Champions League-Pokal auf der Ehrentribüne in Empfang nehmen oder in der Mannschaftskabine die Meisterschaft bejubeln. Das hat Konami wirklich gut hinbekommen, zudem die Inszenierungen von Champions League und Europa League authentisch und gut gemacht wirken.
Viel Auswahl zum Spielen
Einmal die Champions League gewinnen, selbst beim FC Barcelona spielen oder das Traumteam formieren? Kein Problem mit PES 2010. Das Spiel beinhaltet wirklich viele Spielmodi.
Bei der Champions League wird eine komplette Champions League-Saison simuliert, die von der Präsentation wirklich nah am Original liegt. Darüber hinaus bietet PES neben dem Freundschaftsspiel die Möglichkeiten eine Liga oder einen Pokal-Modus zu spielen.
Dies kann mit Vereins- oder Nationalmannschaften geschehen, teilweise auch nach Vorbildern wie der Welt- oder Europameisterschaft, die jedoch, auf Grund fehlender Lizenzen und Rechte, anders benannt sind und entsprechend einen eigenen Pokal für den Sieger bieten.
Für alle, die ihr eigenes Traumteam erschaffen wollen, bietet sich die Meister-Liga an: Ähnlich eines Managers kauft und verkauft ihr Spieler. Dabei spielt ihr in verschiedenen Ligen und internationalen Pokalwettbewerben, wie der Champions League oder der Europa League. Durch die Gewinne und Sponsorengelder bekommt ihr ein Investitionsvermögen für euren Kader und baut euch so eure Mannschaft auf, um so zu der Top-Mannschaft zu werden.
Wer es hier etwas schwieriger mag, beginnt natürlich mit einem schwächeren Team, möchtet ihr dennoch gleich mit Real Madrid spielen, so stellt dies auch kein Problem dar.
Gut gelungen ist der Legenden-Modus. Hier erstellt ihr euren eigenen Fußballer. Zunächst legt ihr das Aussehen fest, wobei ihr sogar ein eigenes Foto von euch verwenden könnt. Anschließend spielt ihr euch vom Reservisten bis zum Spielmacher eines Topklubs hoch.
Mehr Spaß mit Freunden
Am meisten macht ein Computerspiel natürlich Spaß, wenn man sich mit Freunden oder anderen Personen messen kann. Natürlich könnt ihr mit einem oder mehreren Gamepads oder Tastaturen direkt am Computer gegeneinander antreten. Das funktioniert problemlos. Endlich ist nun auch ein vernünftiges Spiel im Online-Modus möglich.
In den vergangenen Jahren zählte dieses Online-Spiel noch zu einen der Schwächen von PES, aber in der 2010er-Version funktioniert die Verbindung zum Server problemlos und die Spiele laufen größtenteils flüssig ab.
Der Online-Modus selbst bietet euch verschiedene Möglichkeiten. Ihr könnt einen Gegner im Schnellspiel ermitteln lassen, der in etwa eurer Platzierung in der Rangliste entspricht. Dazu gibt es weitere Wettbewerbe, die ihr spielen könnt. Sogar eure eigene Legende lässt sich in den Online-Modus importieren.
Wenn ihr mögt, dürft ihr eure eigene Community erstellen, wo ihr zum Beispiel mit euren Freunden spielt.
Einfache Navigation
Optisch können die Menüs überzeugen, die den Beton eines Stadions imitieren und Szenen von Spielen zeigen. Die Navigation ist grundlegend so gehalten, wie in den letzten PES-Versionen, sodass man sich nicht groß umstellen muss. Allerdings gefällt mir persönlich das aktuelle Design besser als in den letzten Jahren.
Toll ist die Idee die Auswahlpunkte vom neuen Spiel oder zum Laden eines Spielstandes in Form von Eintrittskarten bzw. einem Magazin zu halten. Im Champions League-Modus sind alle Menüpunkte und -farben passend gehalten und verleihen so eine gewisse CL-Stimmung.
Fazit
Ehrlich gesagt blicke ich zweigeteilt auf PES 2010. Ich finde zwar, dass Konami in diesem Jahr ein gelungenes Spiel auf den Markt gebracht hat, das zumindest auf dem PC FIFA 10 um Längen schlägt. Besonders grafisch macht PES einen Top-Eindruck, der auf den ersten Blick etwas die Schwächen kompensiert – gewisse Kleinigkeiten, wie die Patzer der Torhüter oder die schwachen Schiedsrichter.
Spielen lässt sich PES optimal, allerdings ist es in meinen Augen nicht der ganz große Wurf geworden, wie man vielleicht nach dem letzten Jahr erwarten konnte. Konami hat Teile seiner Hausaufgaben erledigt, doch sollte man in Japan vielleicht wirklich überlegen demnächst auch der Engine ein Update zu verpassen, denn es wird teilweise sehr augenfällig, dass diese bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel hat.
So kann PES 2010 spielerisch alles in allem überzeugen und zeigt sich als gute Simulation, bei der man trotzdem ein paar Abstriche machen muss.