Forza 3 – Motorsport dritter Teil im Test: Durch Masse an die Spitze?

Stefan Keller, den 2. November 2009
Forza 3
Forza 3

Für Rennspieler gibt es zwei wesentliche Kategorien, Arcade und Simulation. Während erstere, in großer Stückzahl vertreten, den Markt Jahr für Jahr überflutet, streiten sich bei den Simulationen traditionell Forza und Gran Tourismo um die Krone der Rennsimulationen. Nun darf der dritte Teil Forzas zeigen, was die beiden DVDs hergeben.

Altbewährtes

Auf den ersten Blick könnte man meinen, es habe sich beim dritten Teil von Forza Motorsport nicht allzu viel getan. Die Steuerung ist (wenn man nichts dagegen tut) kompromisslos simulationslastig, die Grafik hat sich in wesentlichen Punkten kaum verbessert und überhaupt ist Forza noch immer Forza. Dem Fortschritt Tribut zu zollen, versucht man daher mit Masse. Über 400 fahrbare Untersätze sind auf den beiden DVDs geparkt, die es auf 102 Strecken auszuprobieren gilt. Nicht ganz altbewährt ist die KI. Die haben wir deutlich angriffslustiger in Erinnerung gehabt. Insgesamt ist sie recht vorsichtig, vor allem in Anfahrten zu Kurven. Für den Spieler heißt dies, dass hier Runde für Runde seine Chance auf einen Überholversuch liegt.

Grafik: Nextgen… Wie schon 2007

Forza 2 kam 2007 für die Xbox 360 heraus und stellte damals die grafische Messlatte für Rennspiele dar. Seither ist einige Zeit ins Land gegangen, doch außer minimalen Details hat sich die Grafik kaum weiterentwickelt. Das klingt schlimmer als es tatsächlich ist: Forza 3 ist dennoch ein sehr ansehnliches Stück Software. Jedoch müssen wir feststellen, dass in der Gesamtheit andere Spiele wie Need For Speed: Shift besser aussehen. Das liegt u. a. an dem fehlenden Tunnelblick – selbst bei 200 km/h ist alles, was es zu sehen gibt, gestochen scharf. Ähnlich verhält es sich mit Rauchwolken – sie existieren, doch sind viel zu schnell wieder weg, das wirkt unglaubwürdig. Um bei Shift als Positivbeispiel zu bleiben, können wir schließlich noch die Cockpit-Ansicht erwähnen. Außer Lenkbewegungen sehen wir keine Action auf dem Fahrersitz, das ist äußerst schade. Dafür schafft es Forza selbst bei viel Verkehr seine 60 fps problemlos zu halten, Ruckler wird der Spieler also nicht erleben.

Schäden am Wagen können in einem Rennen bei einem Boxenstopp behoben werden. Dabei werden jedoch nur Schäden berücksichtigt, die die Leistung des Wagens beeinflussen, keine rein optischen Probleme. Eine Crew suchen wir in der Box allerdings vergebens – offensichtlich wird das Auto gewissermaßen durch Zauberhand repariert.

Ein bisschen hiervon, ein wenig davon

Neben dem deutlich gesteigerten Umfang hat sich auf den zweiten Blick einiges in Microsofts Autorennsimulation getan. Für Hobbyrennfahrer, die nicht unbedingt auf knallharte Simulation stehen, gibt es nun diverse Fahrhilfen, die den Schwierigkeitsgrad auf Wunsch dramatisch herabsetzen. Wer sich dennoch traut, mehr selbst zu tun, wird bei Rennende mit einem kleinen Bonus für den Schwierigkeitsgrad belohnt. Dieser ist, je nach Fahrstil, möglicherweise gleich wieder mit der Reparatur des Autos aufgehoben. Man sollte also bei allem Adrenalin auch etwas Vorsicht walten lassen. Aus Race Driver: Grid bekannt ist die Rückspulfunktion, die kleine bis mittlere Katastrophen beim Fahren ungeschehen machen soll. Sie ist jedoch bei weitem nicht so mächtig wie bei der Konkurrenz: Gespult werden kann nur abschnittsweise, wobei das Spiel vorgibt, wie lang ein Abschnitt ist. Befindet sich der Fahrer abseits der Strecke oder hat gerade ein wenig Blechschaden verursacht, schlägt das HUD vor, die SELECT-Taste auf dem Controller zu drücken, um zurückzuspulen.

Schade finden wir jedoch, dass es keinen Schiedsrichter gibt, der das Geschehen in geordnete Bahnen lenkt. Ein zu weiter Ausritt in den Kies wird mit einer Vollbremsung belohnt und Rempelei je nach Einstellung mit Schaden am Wagen, doch eine Zeitstrafe oder ähnliches gibt es nicht.

Saisonaler Singleplayer

In Forza 2 und ebenso anderen Rennspielen aus vergangenen Tagen war es üblich, Events einfach abzuspielen. Diese Variante ist nun zur Option verkommen, der normale Ablauf sieht eine Saison vor. In einer Saison wird ein Rennkalender verwaltet. Dabei hat der Spieler die Möglichkeit, sich auszusuchen, in welche Richtung er gehen möchte. Zur Debatte steht, neue Autos zu fahren, neue Strecken kennenzulernen oder einfach im Text fortzufahren und das momentane Auto zu nutzen. Neben der Saison kann ein schnelles Rennen gefahren werden. Dieser Modus ist relativ karg mit Einstellungen bestückt und erinnert an den Arcade-Modus des Vorgängers. Wer die Regeln selbst bestimmen möchte, muss dafür den Mehrspielermodus missbrauchen.

Ist der Wagen vermutlich nicht konkurrenzfähig, weil die gegnerischen Autos deutlich mehr Leistung bieten als der eigene, fragt Forza nach, ob es das Auto „optimal“ tunen darf. Wer sich nicht auf Tuning per Script einlassen will, kann selbst den Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten holen und Hand anlegen. Man hat den Eindruck, an nahezu jeder Schraube drehen zu dürfen. Hier wird Forza 3 den Erwartungen als Simulation mehr als gerecht.

Mehrspielermodus wurde schlechter

Neben der Möglichkeit, ein privates Spiel als Singleplayer-Spiel mit eigenen Einstellungen zu missbrauchen, bietet der Online-Modus nicht nur das normale Rennen an, sondern ebenfalls Abwandlungen davon. Nennenswert sind die Drift-Matches und die Ausscheidungsrennen. Letztere entsprechen dem Runden-K.O. Beim Onlinespielen hatten wir zeitweise mit Aussetzern zu kämpfen, die wir vom Vorgänger nicht kannten. Insgesamt funktioniert die Geschichte aber. Was gar nicht geht, ist das Lobby-System. Wer keine eigene Partie aufsetzen will, muss sich damit zufrieden geben, wozu er eingeteilt wurde. Fahrzeugtyp, Rundenanzahl und Strecke lässt sich nicht auswählen. Immerhin besteht durch demokratische Abstimmung die Möglichkeit, eine Strecke zu überspringen.

Brumm-brumm

Der Ton im Spiel besteht im Wesentlichen aus den Motorengeräuschen und Musik. Der Soundtrack ist ein Mix aus Rock- und Elektro-Musik – passt wunderbar ins Rennspielgenre. Die Motoren klingen für unseren Geschmack etwas fad. Bei anderen Rennspielen lässt sich die Kraft im Motor besser heraushören. Dafür zeigt die Sound-Engine, was sie kann, sobald etwas mutwillig zerstört wird. Das Schadensmodell ist in Forza 3 nicht mehr nur sicht- und fühl-, sondern sogar hörbar. Nach einigen Frontalunfällen kann der Spieler dem Treiben lauschen, wie sich der Motor in seine höheren Umdrehungen quält, wunderbar.

Fazit

Eine Simulation umfassend zu bewerten, ist ein Kunststück für sich. Doch zu Forza 3 gibt es fast nur ein Urteil: Wahnsinn, wie umfangreich das Spiel ist! Der zweite Wahnsinn folgt bei der Begutachtung der Steuerung, die je nach Fahrhilfen zwischen Arcade und Simulation anpassbar ist, wobei Simulation auch wirklich Simulation heißt. Lediglich die Grafik ist zwar noch nicht altbacken, aber etwas steril. So kommt es, dass Genrekollegen besser aussehen – aber lange nicht so ausgeprägt mit ihren Reizen glänzen können wie Forza 3 es tut. Der Multiplayer-Modus ist ein Rückschritt, jedoch hat man bei dem Umfang auch im Singleplayer mehr als genug zu tun, um alles gesehen zu haben. Wer alles in allem die beste Rennspielsimulation für Konsole haben will, findet derzeit keine Umleitung, die nicht trotzdem auf Forza 3 zusteuert.


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Testergebnis

URS: 8,5 von 10
8,5

Positives

  • umfangreich
  • gute Balance zwischen Arcade und Simulation