iPod Touch 3G: Apples Vorzeige-MP3-Player im Test
Stefan Keller, den 6. Oktober 2009Anfang September hievte Apple den iPod touch auf die Hardwarebasis des iPhone 3GS. Zumindest die beiden großen Modelle erhielten mehr Dampf unter der Haube. Während das 8 GB-Modell noch mit dem alten Prozessor vorlieb nehmen muss, wurden die Varianten in 32 und 64 GB mit neuer Rechenkraft ausgestattet. Das Spitzenmodell haben wir uns in einem Alltagstest zu Gemüte geführt, um festzustellen wie es gegenüber dem Vorgänger abschneidet.
Der erste Blick
Der allererste Blick fällt beim Auspacken auf die Plastikverpackung. Besitzer der Vorgängerversion werden nicht überrascht, denn mit Ausnahme der Größenbezeichnung (64 GB in unserem Fall) und der Information auf der Rückseite ist diese identisch zur zweiten Generation. Ebenfalls wenig Verwunderung stellt sich nach dem Auspacken ein. Das Gerät selbst gleicht bis auf den letzten Millimeter seinem kleinen Bruder. Zwar nicht unmittelbar, aber doch beim ersten Putzen fällt auf, dass Apple für den neuen iPod touch ein anderes Glas zum Displayschutz verwendet. Tatsächlich handelt es sich um dasselbe, das beim iPhone 3GS zum Einsatz kommt und fettabweisend ist, wodurch Fingerabdrücke leichter weggeputzt werden können. Hierfür reicht bereits ein T-Shirt aus. Offenbar ein Grund warum das bald schon obligatorisch gewordene Putztuch nicht mehr im Lieferumfang enthalten ist.
Push the button!
Auf das Auspacken folgt der erste Start. Dieser ist für Anwender der alten iPod touch-Generation ebenfalls eher unspektakulär. Der iPod bettelt nach seinem USB-Kabel und iTunes. Selbiges wird dann in alter Gewohnheit den iPod initialisieren und fragt den Anwender, ob er seine Musik selbst verwalten möchte. Interessant ist, dass der iPod touch 3G mit der Firmware 3.1 ausgeliefert wurde, die es für ältere iPods überhaupt nicht gab. Diese erhielten nach 3.0 direkt die 3.1.1. Das Upgrade wird zudem als erste Amtshandlung angeboten.
Nach den Grundeinstellungen über iTunes kann es losgehen. – Der zu Vergleichszwecken daneben liegende iPod touch 2G offenbarte die erste offensichtliche Änderung an der Hardware der neuen Touch-Modelle: Der Bildschirm zeigt die Farben etwas blauer an als der alte und wirkt daher etwas kälter.
Die ersten Minuten
Die Benutzeroberfläche überrascht nicht. Kein Wunder: Das iPhone-OS kommt in gleicher Form schon beim iPhone und allen vorherigen iPod touchs zum Einsatz. Einzig die Anordnung der Programme hat sich geändert und mehr oder minder der des iPhones angenähert. Seine Zähne zeigt der neue iPod erst, wenn man mit ihm arbeiten will. Als positives Beispiel seien Spiele genannt. Während Worms vom Aufruf bis zur Fortsetzung eines Spiels auf dem alten 32 GB-iPod touch gute 35 Sekunden brauchte, ist der aktuelle Vertreter in 16 Sekunden spielbereit.
iPod als MP3-Player: der Klang
In der Keynote zum iPod touch der zweiten Generation merkte Steve Jobs an: „But remember, this speaker is very, very casual“. Leider, muss man sagen, hält der iPod touch 3G dieses Versprechen. Mit dem Lautsprecher in den neuen Geräten hat Apple einen Schritt zurück getan. Zwar ist er deutlich lauter als der des älteren iPods, dafür hat er massive Probleme mit der Tonausgabe. Bei voller Lautstärke ist dies sogar unabhängig von der Art des Tons hörbar. Besonders augenscheinlich wurde dies jedoch bei der Musikwiedergabe. Von Polarkreis 18 über Serum 114, bis hin zu R.E.M. und Robbie Williams haben wir im Test kein Lied gefunden, das bei voller Lautstärke annähernd gut geklungen hätte. Spätestens beim Refrain übersteuert das Gerät so stark, dass vom Lied selbst nicht mehr allzu viel zu hören ist. Einen guten Ton lieferte der iPod erst bei 75% Lautstärke ab.
100% Lautstärke grenzen auf Kopfhörern wohl nahe an Körperverletzung. Doch zumindest sollte man vom iPod erwarten, dass er eine ordentliche Wiedergabequalität erzeugt, wenn er diese Einstellung anbietet. Auch das erlebten wir leider nicht. In unserer Testauswahl aus der persönlichen iTunes-Bibliothek blieb der 3G nur bei „Losing My Religion“ von R.E.M. cool. Anzumerken ist, dass die Lautstärke zwei Stufen geringer noch immer lauter ist als die des Vorgängers, dort die Musik aber glasklar war. Wohlgemerkt gilt diese Beobachtung wohl primär für den Fall, dass man die beigelegten Kopfhörer verwendet. Der Rückschluss ist erlaubt, dass die Kopfhörer mit dem „Mehr“ an Lautstärke Schwierigkeiten haben, denn über Aktiv-Boxen konnten wir im Test keine Übersteuerungen feststellen.
iPod als Allround-Organizer und Spielzeug
Wenn der iPod bei der Pflichtaufgabe der Musikwiedergabe über den eigenen Lautsprecher nicht vollständig überzeugt, kann er eventuell zusätzliche Punkte bei der Kür als Organzier sammeln… Hier leistet sich das Testobjekt keine Schnitzer – alles wie gewohnt. Wer vom iPod touch bereits die Firmware 3.0 kennt, wird von Software-Seite nichts Neues entdecken können. Einzig die Sprachmemos können nun Out-Of-The-Box verwendet werden, denn im Lieferumfang sind Kopfhörer mit Mikrofon enthalten.
Apps, die für den alten Touch entwickelt wurden, laufen problemlos. Zu Abstürzen kam es zwar gelegentlich, doch darüber muss man sich nicht unnötig den Kopf zerbrechen, denn die gab und gibt es auf dem Vorgänger-Modell genauso oft oder selten. Die allgemeine Arbeitsgeschwindigkeit ist, je nach Anwendung, etwas oder deutlich schneller. Vor allem Spiele profitieren, wie bereits angemerkt von dem Plus an Leistung. Beim Surfen mit Safari macht sich der zusätzliche Arbeitsspeicher bei umfangreicheren Webseiten positiv bemerkbar. Insgesamt gibt es in diesem Metier keinen Grund zur Besorgnis.
Eintagsfliege oder Dauerbrenner: Der Akku
Der iPod touch 3G verfügt über recht ordentliche Akkulaufzeiten. Diese sind beim reinen Musikhören zwar geringer als die der Vorgängerversion, doch hat sich das Arbeitstempo in vielen Fällen dramatisch erhöht. Apple verspricht 30 Stunden Musikgenuss – bei unserem Test war nach 31 Stunden und 14 Minuten Schluss (zufällige Wiedergabe aus 2300 Titeln auf Kopfhörern bei mittlerer Lautstärke). Das Vorgängermodell hielt mit 36 Stunden etwas länger aus. Eine Anwendung, die das Gerät etwas fordert, Worms (mit integriertem Lautsprecher, 50% Lautstärke), lief erstaunliche fünf Stunden. Der alte Touch strich in diesem Fall bereits nach drei Stunden die Segel.
Fazit
Gerecht zu urteilen, fällt angesichts der Mängel bei der Musikwiedergabe nicht leicht. Der iPod touch 3G hat seine Reize, zweifellos. Jedoch ist er, historisch bedingt, in der Wahrnehmung der Käufer primär ein MP3-Player. Ausgerechnet in dieser Disziplin patzt er. In seiner zweiten Haut – als digitaler Organizer und Spiele-Handheld – gibt er ein gutes Bild ab, wobei er hier mit seinem eigenen Vorgänger konkurriert. Vor allem das Tempo hat es uns angetan. Der größere Arbeitsspeicher trägt sein Scherflein dazu bei.
Als Spielekonsole wird in erster Linie das 8 GB-Modell vermarktet – wohlgemerkt mit alter Hardware. Diese strategische Entscheidung seitens Apple erzeugt einen komplizierten Bewertungshintergrund. Denn wenn die stärkere Hardware offensichtlich nicht in erster Linie für Spiele genutzt werden soll, bleibt wenig übrig, das den neuen Touch besser als den alten aussehen lässt.
Unsere Empfehlung lautet daher schweren Herzens: Seht zu, dass ihr einen alten iPod bekommt. Wenn die 8 GB reichen, dann diesen, ansonsten einen der zweiten Generation aus zweiter Hand oder aus alten Lagerbeständen. Es sei denn, ihr könnt etwas mit der neuen Hardware anfangen und nutzt vor allem den integrierten Lautsprecher nicht, dann könnte die aktuelle Generation interessant sein.