Games Convention Online 2009: Pressekonferenz titelt auf zu neuen Ufern
Stefan Keller, den 5. Juli 2009Die Games Convention lebt weiter – wenn auch unter anderen Voraussetzungen. Mit vielen aufmunternden Worten versuchte die Messeleitung an diesem Donnerstag zu retten, was zu retten ist. Unser Redakteur Stefan Keller berichten vom Leipziger „Weisheitszahn“ über das Ende der europäischen Spiele-Leitmesse.
Die Messeleitung hat am Donnerstag in den Augustusplatz 9 geladen – Leipziger nennen ihn liebevoll den „Weisheitszahn“ ob seiner nach oben abgespitzten Bauform und seiner Vergangenheit; er war früher das Universitätsgebäude der Universität Leipzig. Hoch hinaus ging es: Im 29. Stock fand die Konferenz statt, die zahlreiche Journalisten verfolgten.
Die Zukunft findet im Internet statt
Durch die Veranstaltung führten Wolfgang Marzin (Geschäftsvorsitzender der Messe Leipzig), Silvana Kürschner (Strategiedirektor der GC Global) und Werner Matthiesen aus Dänemark (Aufsichtsrat der größten deutsche Gilde „Gothic“). Sie stellten weite Teile ihres Konzepts für die neue Spielemesse in Leipzig vor: Die Games Convention Online.
Grob stellten sie zu Beginn vor, in welche Richtung die noch experimentelle Messe laufen soll: Vor allem der Zusatz „online“ soll demzufolge ganz groß geschrieben werden.
Marzin erzählte von seinen Erfahrungen mit der Leipziger Messe in Bezug auf Videospiele. So sei die Games Convention seit ihrem Start 2002 berühmt gewesen für ihre Kompetenzen – gleich ob online oder offline. Wie schon damals sei die Messe mit den Marktführern der Branche am Start – nur, dass sie die Firmen jetzt geändert haben. Stolz berichtete er, dass die GCO mit rund 50 Europa- und sogar Weltpremieren glänzen wird.
Messe war gestern – heute spielen alle mit
Die Messeleitung teilte mit, dass der Begriff „Messe“ etwas bescheiden gewählt sei. Viel eher könne man von einem „Event“ sprechen. Natürlich gibt es auch auf dem Messegelände Spiele zu bestaunen, jedoch geht das Konzept ein Stück weiter. Im Zuge der GCO werden allerhand sonstige Veranstaltungen angeboten, beispielsweise Konzerte oder auch so genannte Sessions, in denen Spiele gespielt werden können. Dabei sei nicht einmal die Uhr ein Gegner, viele der Angebote laufen bis tief in die Nacht oder sogar 24 Stunden lang.
Bezüglich Online-Spielen ist Korea bei Online-Spielern bestens bekannt. Nicht nur, dass die Spieler dort so gut wie ausschließlich online spielen, sitzen dort auch viele der Entwickler für Internet-Spieler. Dieses Land hat die Messe als Partner gewonnen. Neben der Spiel-Affinität, ist Korea auch führend bei den notwendigen Technologien.
Obwohl die Messe nichts mehr mit der Games Convention zu tun hat und sich daher noch im experimentellen Status befindet, haben Spieler viel zu entdecken. Dass die Messe Neuland betritt und daher nur eine vergleichsweise kleine Zahl von rund 60 Ausstellern ihre Entwicklungen präsentieren, tut der Freude keinen Abbruch. Die Zahl der auf der Messe neu vorgestellten Spiele ist fast gleich der auf der Games Convention 2008. Dies liege aber vor allem daran, dass die Offline-Spiele dazu neigen, viele Nachfolgerversionen zu produzieren, die aus der Statistik der neuen Spiele herausfallen.
Spiele sind unser Leben!
Die Spieleindustrie, wurde lobend erwähnt, sei aktuell der Treiber für die Entwicklung von Hard- und Software in der Unterhaltungselektronik. Wolfgang Marzin erzählte eine kleine Anekdote, die er als Aufhänger für die Notwendigkeit einer Online-Spiele-Messe nutzte. Er wollte auf einer Dienstreise mit einem geübten Gamer ein Video-Tennisspiel spielen. Leider war dieses Spiel noch nicht online-orientiert und da keiner der beiden ihren Spielstand bei sich hatten, mussten sie bei null anfangen, was ärgerlich war, weil ihre Spieler zu Hause bereits wesentlich weiter entwickelt waren. Wäre das „Savegame“ online gespeichert, hätte es diese Unannehmlichkeit nicht gegeben.
Neben diesem Beispiel erwähnte er auch neue Richtungen in der Bildung. Das Konzept von virtuellen Klassenräumen findet immer mehr Anhänger – das Lernen auf spielerischer Basis zu ermöglichen, liegt also im Trend.
Die Politik stärkend im Rücken
Die Spieleindustrie habe sich gewandelt. Wurde man als Spieler und auch Messeleitung 2002 noch in eine Schublade gesteckt, hat sich der Ruf von Videospielen mittlerweile dramatisch verbessert. Neben den „klassischen“ Spielen gewinnen auch immer mehr Familienspiele die Oberhand.
Wie wichtig Videospiele inzwischen geworden sind, zeigt auch die Präsens der Politik. Ministerpräsident Tillich wird es sich nicht nehmen lassen, die Games Convention Online zu eröffnen. Dabei spiele es auch keine wirkliche Rolle, in welche Richtung die Messe geht – das Interesse bestünde online wie offline, so Marzin.
Von Zielgruppen und Geschäftsmodellen
Um die Größe des Personenkreises, den man ansprechen möchte, macht man sich bei der Messe keine Sorgen. Allein in Europa seien 150 Millionen potenziell interessierte Onlinespieler zu finden, weltweit seien es sogar 10 Milliarden.
Das Business-Center, das alte GC-Hasen als das Ziel für Fachbesucher, Presse und Geschäftsleute in bester Erinnerung haben, wird auch bei der GCO das Geschäft für Aussteller und Entwickler abdecken. Beim Thema „Geschäft“ gehe es jedoch weniger um den Einzelhandel. Dieser sei bei Online-Spielen schlicht und ergreifend so gut wie nicht relevant. Wichtiger sind Online-Vertriebsmodelle, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, etwa das kostenlose Spielen oder die In-Game-Werbung.
Silvana Kürschner hatte eine Präsentation vorbereitet, die zeigten sollte, warum die Messeleitung eine Online-Spiele-Messe für sinnvoll hält und wie man sich das Geschehen vorstellt. Den Anfang durfte der Markt machen, der ein außerordentlich wachstumsstarker sei. Online- und mobile Spiele erleben momentan einen regelrechten Aufschwung auf der Haben-Seite. Der Wachstum bei Onlinespielen beträgt in Deutschland 14,6 Prozent, bei mobilen Spielen sind es immerhin 12,1 Prozentpunkte. Beinahe zwei Drittel der in Europa ansässigen Spieler sind online-orientiert. Man möchte diesen Menschen ein „zu Hause“ geben, denn einen so großflächig organisierten Treffpunkt für sie gibt es momentan noch nicht.
Mit Vorträgen Informationen vermitteln
Die GCO Conference wird ein Konzept, unter dessen Dach sich Vorträge zum Thema Spielen und Spiele finden werden – freilich mit Schwerpunkt auf die Online-Spiele. Dabei hat die Messe grob drei Schienen im Blick. „Industrie, Technologie und Angebot“ sollen über den technischen Standpunkt berichten und Entwicklern sowie Publishern die Möglichkeit eröffnen, über ihre Spezialgebiete zu berichten. Der Bereich „“Nutzung und Wirkung“ soll die Frage klären, wie Spiele bei den Gamern ankommen, was sie in ihnen auslösen und warum Spieler ein bestimmtes Produkt nutzen. Der letzte Punkt ist „Gesellschaft und Politik“ und wird deutlich machen, welche Wirkung Videospiele auf die Gesellschaft haben, vor allem in Hinblick auf rechtliche Aspekte.
Der Besucherbereich soll bereits seitens der Messe Leipzig geschmückt werden. Ausstellern wird es so ermöglicht, bei minimalen Kosten – im Prinzip wird nur Standpersonal benötigt – ihre Produkte zur Schau zu stellen. Zwei Designs hat dabei die Messe auf ihrer Pressekonferenz vorgestellt, die Themenwelt „Water“ (Wasser) sowie „Fire“ (Feuer). Für die Besucher sollen diese Effekte genutzt werden, um richtig in ihrem Spiel zu versinken.
Wie bereits erwähnt, konnte die Messe Korea als Partnerland gewinnen. Die Partnerschaft sieht vor allem so aus, dass es Unterstützung von vielen koreanischen Unternehmen gibt. Ganze 18 der 60 Aussteller sind Entwickler und Publisher aus dem fernen Osten – um Namen zu nennen: NHN, NCSoft, NDoors, Nexon und Joymax, wobei NHN der Hauptsponsor aus Korea ist.
Die eigentliche Messe
Die Messe an sich unterteilt sich in mehrere Teilbereiche. So gibt es die Community, bei der es um die Spieler selbst geht. Das GamersCamp erlaubt zu einem Preis von 34,50 Euro (ein Tag und Übernachtung) bzw. 81 Euro (Dauerkarte, gültig vom 30.07 bis 02.08) den Besuch der Messe, beinhalten aber auch eine Übernachtung. Zusätzliche Vorteile sind u. a. ein frei zugängliches WLAN-Netzwerk, mit dessen Hilfe rund um die Uhr gespielt werden kann.
Um sicher von und zur Messe zu gelangen, stellt die GCO für GamersCamp-Nutzer eine Art Taxi, einen Shuttle, zur Verfügung, das bereits im Preis enthalten ist.
Bei „Cult & Creation“ geht es vornehmlich um Pioniere der Spielelandschaft und die Geschichte der digitalen Unterhaltung. Vor Ort werden Ralph H. Baer, der Besitzer des ersten Patents für ein Videospiel aus 1967) und Richard Bartie, der das erste Mehrspieler-Adventure-Spiel 1979 entwickelte, sein.
„Online4Family“ soll mit Spielen beschäftigen, die der Bildung, aber auch der Unterhaltung der ganzen Familie dienen. Hier ist auch der Jugendschutz ein Thema. Bei den Casemodding & ModdingMasters geht es um die Gehäuse der PCs, mit denen gespielt werden soll. Im Rahmen der Messe werden Wettbewerbe ausgeschrieben, wer das beste selbstentworfene bzw. das beste modifizierte Gehäuse gebaut hat.
Eine kleine Tradition haben die World Cyber Games in den Messehallen zu Leipzig. Die German Finals werden genau dort ausgetragen. Neu an der Veranstaltung in diesem Jahr sind ist der Mobile Game Championship, ähnlich zu den WCG, aber auf Basis von Handy-Spielen.
Online geht’s weiter … immer!
Was nach einem abgedroschenen Slogan des mittlerweile nur noch als Website existenten Gaming-Senders „GIGA“ anhört, kann so ähnlich als Leitspruch für die GCO adaptiert werden: Das Internet wird einen zentralen Platz einnehmen. Bereits im Vorfeld berichtet die Messe zusammen mit ihrem Medienpartner GAME-TV über sich selbst. Während der Messe sind Live-Übertragungen vom Geschehen auf der Messe geplant. Ebenso verhält es sich mit Internet-Radio-Sendungen. „Klassische“ soziale Netzwerke kommen aber nicht zu kurz. In Foren, Weblogs und auch Twitter wird die Berichterstattung natürlich nicht versiegen.
Die Messeleitung, in Person von Wolfgang Marzin, erwartet Besucher in einer Größenordnung von 50.000 bis 70.000 Besuchern, die aus einen Einzugsbereich von rund 400 km kommen. Er gab aber zu bedenken, dass die Games Convention ähnliche Wurzeln hatte. Überhaupt sei das Projekt momentan nur eine Investition, die über drei, vielleicht vier Jahre laufen soll und dann würde man sehen, was daraus wird. Was zumindest Deutschland angeht, ist der Zeitpunkt der Messe denkbar günstig gewählt; während die ersten Bundesländer die letztem Tage der Sommerferien genießen, sind jene Tage die ersten freien Tage für bayrische Schüler. Theoretisch könnte also jeder vorbeikommen.
Irgendwie vertraut, aber …
Die Games Convention, Europas bis dahin größte Messe, die sich komplett den Videospielen gewidmet hat. Was ist davon übrig geblieben? Glaubt man der administrativen Gewalt der Messe – nichts. So oft wurde betont, dass alles neu ist und sich überhaupt nicht mit der „alten“ Games Convention vergleichen lässt. Doch dass der Name zum größten Teil aus einer Wiederverwendung besteht, hat wohl nicht nur marketing-strategische Gründe. Vieles vom Messekonzept – zumindest, was „physische Besucher“ (Marzin) erwartet, erinnert stark an die gute alte GC. Nicht zuletzt aber auch der Pioniergeist, denn ob des Namens muss man das Baby wohl wirklich neu aufbauen – oder es geschieht im Premierenjahr ein Wunder.