County Fair im Test: Ich bin ein Jahrmarktbesitzer …

Alexander Trust, den 11. April 2009
County Fair
County Fair, Screenshot

… holt mich hier raus! – Diese Worte kamen mir nach den ersten Eindrücken spontan in den Sinn. Entwickler TikGames hat vor kurzem mit County Fair eines seiner Spiele ebenfalls für den Mac herausgebracht und ich hatte die große Freude, es zu testen. Auf den allerersten Blick könnte man denken, man hätte es mit einem Konkurrenten von Rollercoaster Tycoon oder Theme Park zu tun.

Doch weit gefehlt. TikGames‘ Jahrmarkt-„Simulation“ ist in meinen Augen eine bodenlose Frechheit. Während namhafte Konkurrenzprodukte mit mehreren Hundert Megabyte Festplattenplatz zu Buche schlagen, kommt County Fair mit knappen 65 Megabyte aus.

Der erste Eindruck

Es verhält sich bei Computerspielen eigentlich wie im richtigen Leben. Der erste Eindruck zählt oft viel und währt sehr lange. County Fair tut alles, um seine Schokoladenseite nicht zu zeigen. Die Bildschirmauflösung ist, wie man in manchen Kreisen sagt „hard coded“. Eine Veränderung kann ich nicht vornehmen. Die einzige Möglichkeit, die ich habe, ist die Wahl zwischen dem Vollbildschirm-Modus oder dem im Fenster. Ersterer zeigt auf einem (modernen) TFT-Display im 16:9-Format links und rechts schwarze Streifen, weil die native Auflösung des Spiels in 4:3 programmiert wurde. Das Fenster indes ist auf dem gleichen TFT-Display bei einer Auflösung von 1900 * 1200 Pixel fast schon zu klein und lässt sich zudem nicht verschieben. Es prangt zentral auf dem Desktop, minimieren funktioniert nicht, maximieren ebenfalls nicht.

Rumtata Rumtata

Ich soll verwandt sein mit jemandem, der eine Gesellschaft von Freizeitparks führt, dazu aber nicht mehr im Stande ist. Von einem Anwalt erhalte ich einen Brief, indem mir fast schon testamentarisch die Verantwortung überschrieben wird. Die ersten Minuten bin ich mit Lesen beschäftigt, und stelle fest, dass mein Verwandter nur nicht richtig wirtschaften konnte, Schulden angehäuft hat und ich als Spieler nun den Karren aus dem Dreck ziehen darf. Wer des Englischen nicht zu mächtig ist, guckt in die Röhre, weil es – bislang jedenfalls – keine lokalisierte Fassung gibt. Während ich so lese habe ich das Gefühl, dass etwas mit dem Audio nicht stimmt. Es kommt immer eine Art Rumtata-Jingle, das bald 2 1/2 Mal anspielt, ehe es ausklingt noch Kindergeschrei untergemischt kriegt und dann mittendrin wieder von vorne beginnt. Ich hatte gehofft, wenn ich nur schnell genug den Brief lese und mich ins Getümmel schmeiße, wird der Spuk bald ein Ende haben. Weit gefehlt. Zwar wechselt der Jingle dann in jedem neuen Level, doch, wer plant, tatsächlich längere Zeit mit County Fair zuzubringen, sollte den Titel am besten stumm schalten.

Tutorial und Trophäensystem

Grafisch und tontechnisch hat County Fair also bis hierhin nicht den Eindruck erweckt als würde es seine Daseinsberechtigung im Jahr 2009 verdienen. Vielleicht überzeugt Randal mich ja davon, dass ich County Fair gewogen bleiben sollte. R. ist des Spielers persönlicher Adjutant, der einen einweist in die Kunst des Jahrmärkte Führens. Das allerdings ist so schwierig nicht. Wir ziehen mit unseren Jahrmärkten von Stadt zu Stadt und müssen meist auf jeden Fall eine gewisse Summe Geld einnehmen. Außerdem gibt es von den Betreibern dann und wann Vorgaben dazu, welche Attraktionen und Fressbuden sie sich von uns mindestens Wünschen. Keine Sorge, in Panik muss hier niemand verfallen, denn mitunter gibt es die geforderte Attraktion erst am letzten Tag, da wir vor Ort sind, als Bauoption. Es ist wie im richtigen Leben auch: Alles braucht seine Zeit. Und das gleich in doppeltem Sinn. Doch zuvor sei noch das Trophäensystem erwähnt. XBox Live macht dem PlayStation Network immer noch etwas vor, wenn es um die Integration von Profilen, Avataren und Trophäen geht. Diese Ausmaße nimmt die Sache bei County Fair natürlich nicht ein. Hier führt es eher ein Schattendasein. Die ersten Trophäen sind schnell gewonnen, und alle anderen sind mit nicht zu viel Aufhebens verdient. Wenn man sich einfach brav und artig von Level zu Level und von Stadt zu Stadt spielt, wird man auf Dauer einen Großteil oder sogar alle Trophäen sein Eigen nennen dürfen.

Guck auf die Uhr

County Fair hat offenkundige Schwächen gezeigt, macht aber für die Zielgruppe der Gelegenheitsspieler manches wieder wett. Der erste Blick gilt immer der Uhr: Wir sind vor Ort nur für eine festgelegte Zeit von Tagen gebucht, zu Beginn meist nur 3 oder 4 Tage lang. Wenn wir es in der Zeit nicht schaffen, die Ziele zu erreichen, müssen wir ein Level nochmal spielen. Finden wir nach dem Erreichen der Ziele gefallen daran, können wir ansonsten gerne weiterspielen, zumindest noch so lange, bis der letzte Tag verstrichen ist.

Als ich schrieb, alles bräuchte seine Zeit, meinte ich damit ebenso den Bau der Attraktionen. Der geht zwar im Verhältnis relativ fix, doch fühlte ich mich an Aufbaustrategiespiele wie die Siedler erinnert; denn in County Fair kloppen und schrauben die Mechaniker eine Weile dran rum, bis Attraktionen, Fress- oder Spielebuden aufgebaut sind.

4 gewinnt

Neben den Mechanikern, die wir anheuern müssen, gibt es noch Sicherheitspersonal, Krankenschwestern und Putzmänner. Auf eine Geschlechterquote wurde dezent verzichtet. Alle Angestellten wollen bezahlt werden und es ist besser sie nur nach und nach einzustellen, wenn Bedarf besteht. Wir können über den Preis pro Tag verhandeln und trotzdem kann es passieren, dass sich unsere Mitarbeiter zwischendrin zu Wort melden und gerne eine Gehaltserhöhung fordern. Kommen wir dem Wunsch nicht nach folgt in den meisten Fällen die Kündigung stehenden Fußes. Nun ist es kein zu großes Rechenexempel: Gehaltserhöhungen kann man eigentlich immer gewähren – sie werden nicht über Sieg oder Niederlage in einem Level entscheiden. Geizkragen können gleichwie die Kündigung in Kauf nehmen und direkt im Anschluss mit zwei Mausklicks neue Arbeitskräfte einstellen.

Wir werden immer dezent darauf hingewiesen wenn eine Attraktion kaputt ist. Ein Klick genügt und ein Mechaniker nimmt sich der Sache an. Hat sich jemand verletzt, ist es irgendwo schmutzig, wurde jemand bestohlen? – Man lässt es uns wissen und wir müssen handeln. Zum einen erzeugen kaputte Attraktionen und Popcornstände keinen Umsatz, zum anderen gibt es Kontrollen von den örtlichen Gesundheits-, Polizei- und anderen Behörden wie Sand am Meer. Ist aber just jemand dagewesen, um nach dem tadellosen Funktionieren unserer Jahrmarktsstände zu schauen, werden wir mit einer Strafe belegt. Besser ist es also, man handelt sofort, auch wenn das in manchen Momenten in eine kurze Klickorgie ausartet, weil gerne mal mehrere Dinge zugleich passieren. Wie im wirklichen Leben halt.

4 Mal 4 im Quadrat

countyfair_07.jpg Da wir an den Orten nur begrenzt Stellfläche zur Verfügung haben, müssen wir schauen, ob wir wirklich alles unterbringen können oder wollen. Jedes Objekt lässt sich zur Not wieder abbauen und woanders wieder aufbauen. Das benötigt allerdings wiederum ein wenig Zeit. Einmal gekauft, haben wir das Geld aber nicht zum Fenster rausgeworfen und müssten eine Attraktion nicht nochmal kaufen. Viel schwerer wiegt, dass wir die Attraktionen nicht drehen können. Platztechnisch würde es durchaus Sinn ergeben. Dadurch, dass manche Attraktionen – und von denen gibt es in der Tat nicht wenige – erst nachträglich zu erwerben sind, kommen wir manchmal in die missliche Lage, Platz zu schaffen. Vor allem dann, wenn in späteren Leveln die wirklich „dicken Dinger“ in den Startlöchern stehen. Attraktionen lassen sich drei Mal aufleveln. Das ist mit einem Mausklick schnell geschehen, wie überhaupt alles relativ nah beieinander liegt und flott in Auftrag gegeben wurde. Zeit ist bei dem Spiel echt ein Problem. Nicht so sehr der generelle Zeitdruck, als die Tatsache, dass der Spieler kaum zur Ruhe kommt, selbst in den ersten, besonders einfachen Leveln nicht. Bei Theme Park oder Rollercoaster konnte ich den Leuten zusehen und ein wenig verschnaufen. Bei County Fair klickt man irgendwann nur noch munter im Karree.

Simulation oder Strategie?!

Wo ich eine Bude hinstelle ist vollkommen egal, wichtig ist nur, dass es sie gibt. Hohe Zufriedenheitswerte erreicht man durch Angebot und Preis. Es gibt 4 Kategorien von Besuchern: Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Leute. Preise kann man entsprechend am Eingang festlegen, und da man zwangsläufig fast immer versucht alles zu bauen, was möglich ist (man kann immer nur jede Attraktion ein Mal bauen), wird es zumindest am Angebot nicht scheitern. Bleiben die Leute fort, weil z. B. eine Wetteransage im Radio einen Sturm vorher gesagt hat, lohnt es sich, in Radiowerbung zu investieren, oder in der Tageszeitung zu inserieren oder einen Spot im Fernsehen zu bringen. Es gibt verschiedene Schräubchen an denen man drehen kann bei County Fair. Die Komplexität des Spiels ist, trotz ziemlich vieler Schrauben irgendwie überschaubar. Oft heißt die Devise: möglichst schnell, möglichst viel. County Fair ist in meinen Augen aber wohl nichts von beidem – weder Strategiespiel noch Simulation.

Fazit

Nein, County Fair ist wahrlich mehr ein Spiel für zwischendurch. Angesichts des moderaten Preises (19,95 Dollar) und der Tatsache, dass es nicht schon nach 2, 3 Stunden vorbei ist, sondern mehr Spielstunden in Aussicht stellt, kommt nach dem anfänglichen Ärger meine abschließende Bewertung zustande (2,5 von 5 Macs). Es gibt einige schwerwiegende technische Mankos: Beispielsweise die „Musik“, die diesen Namen wahrlich nicht verdient hat, die man aber zum Glück im Optionsmenü ausstellen kann, lässt einen schaudern und manchem treibt sie die Weißglut ins Gesicht. Die Grafik ist ebenfalls dürftig, bzw. konkurriert wohl eher mit Computerspielen aus den 90er Jahren. Für einen Casual-Titel okay, doch für ein Vollpreisspiel mit mehr Ambitionen wäre es zu wenig. Die Tatsache, dass die Entwickler von TikGames offenbar noch einen 4:3-Röhrenbildschirm im Sinn hatten, als sie das Spiel programmierten, spricht Bände. Zwar hat sich der sehr schlechte erste Eindruck „ein wenig“ relativiert mit der Zeit, doch insgesamt bricht sich leider recht bald die Langeweile Bahn. Wer trotzdem an einer Demoversion interessiert ist, kann sie im Macgamestore direkt runterladen.


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Testergebnis

URS: 2,5 von 10
2,5

Negatives

  • Grafik nicht mehr zeitgemäß
  • weder Simulation noch Strategie
  • Musik verdient die Bezeichnung nicht

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