StudiVZ: Spinoff vom Geldverbrennen

Alexander Trust, den 30. Januar 2007
StudiVZ - Screenshot
StudiVZ – Screenshot

Der Artikel von Chris von F!XMBR „Web 2.0-Blase: Willst Du Geld verbrennen – musst zu Holtzbrinck rennen“ hat beim Lesen und Kommentieren doch tatsächlich noch einen weiteren Gedanken zu Tage gefördert, der nicht uninteressant ist. Zumindest wirft er einige neue Facetten auf.

Schnelles Geld?

Chris verweist auf den Golem-Artikel „Holtzbrinck verspricht schnelles Geld für junge Start-Ups„. Darin wird über ein neues Finanzierungskonzept von Holtzbrinck für Start-ups berichtet. Ja, die Bezeichnung „schnelles Geld“ stört mich besonders, sollte aber anderen ebenso zu denken geben. Es gibt eigentlich kein schnelles und/oder langsames Geld. Es gibt einen Topf und endliche Ressourcen. Dort wo Gewinne eingefahren werden, müssen andernorts Verluste realisiert werden. Ethische Grundlagen, die selbst in jedem Volks- oder Betriebswirtschaftsstudium zu den ersten Regelsätzen gehören (sollten).

Was ist so schlimm daran, dass Holtzbrinck Risikokapital an Frischlinge verteilt?! Geht es Holtzbrinck wirklich um die jungen Wilden der Web-2.0-Ära? Oder hat man dort nur eine Möglichkeit erkannt, möglichst schnell auf einen Zug aufzuspringen, der sonst ohne einen abfahren würde? Holtzbrinck hat keine Ahnung vom neuen Internetgeschäft, das lässt sich aus dem Interview mit dem Finanzgeschäftsführer Jochen Gutbrod mit der Wochenzeitung „Die Welt“ herauslesen. Man betreibt mehr oder weniger offenkundig Politik. Investitionen werden getätigt, um über kurz oder lang ein Bein in die Tür des Internetgeschäfts zu stellen. Egal wie wenig vielversprechend manche Investitionen auch sein können. Oder wie kritisch die Töne werden können, die eine Rentabilität in Frage zu stellen wissen.

Investitionen als Politikum

Politische Investitionen sind nicht selten. In jüngster Zeit gab es meiner Meinung nach einige Beispiele von vorwiegend strategischen Hauruck-Aktionen: So geschehen unter anderem im Fall zwischen Arena und Premiere (Bundesligarechte) – Kabelnetzbetreiber wollten auf Teufel komm raus ein Wörtchen mitreden. Durch geschickte Einrichtung einer neuen Firma wurden kartellrechtliche Einwände „umgangen“. Ob das Projekt am Ende lukrativ sein wird, ist dabei nur sekundär von Belang. Medienmogul Rupert Murdoch kaufte sich bei MySpace ein. Horrende Summen flossen. Der Rest der Welt ist skeptisch, ob Murdoch die Kosten dafür so schnell wieder reinholt. Murdoch war indes wichtig, als TV-Mensch nicht irgendwann vom Internet überholt zu werden. Politische Aktionen werden ausgesessen, und irgendwann, hoffen die Verantwortlichen, ist Gras über die Sache gewachsen. Entscheidend ist dann nicht mehr, ob das Geschäft sich in Geldwert bezahlt gemacht hat oder nicht, weil man den Einflussbereich erweitert hat und mit neuen Projekten aktiv werden kann.

Ideen werden pervertiert

Doch zurück zu Holtzbrinck und seinen Investitionen. StudiVZ wurde übernommen. Eine politische Investition, wie wir heute wissen, weil man den Geschäftsbereich von Holtzbrinck umstrukturieren möchte. So formuliert man es zumindest auf Seiten der Entscheider. „Fast Forward“ heißt die neue Finanzierungsoffensive von Holtzbrinck Ventures. Ich habe nichts gegen englischsprachige Begriffe, jedoch kommt es mir so vor als würde die Bedeutung im deutschsprachigen Raum immer ein wenig pervertiert.

Man führe sich den Unterschied zwischen „Unternehmer“ und „Entrepreneur“ vor Augen. Mir ist klar, im Englischen gibt es für beides nur ein Wort. Aber ich sehe ganz klar eine Unterscheidung. Ähnlich die jetzt bei der Readers Edition eingeführte Bezeichnung von „Citizen Journalism“ im Vergleich zu „Bürgerjournalismus“. Die Readers Edition fährt damit derzeit vor die Wand, entlässt ihre Moderatoren und bekleckert sich nicht mit Ruhm. Dazu an anderer Stelle mehr… – Die genannten Begriffspaare und viele weitere zeigen in meinen Augen, dass die englischen Bezeichnungen in ihrer Ausprägung in der deutschen Realität eher so etwas wie einen pejorativen Charakter erhalten. Muss das so sein?

Kapital, aber wofür?

Was lange währt, wird endlich gut. Zum Spinoff also: Man verspricht den Kapitalsuchenden, „dass nach einer kompakten Prüfungsphase bis zu 150.000 Euro gewährt werden“.1 Wenn Holtzbrinck also den Verdacht hegt, das könnte lukrativ werden, kriegt man Geld? Nun, evtl. werden auch andere Fälle abgedeckt, dann nämlich, wenn man Konkurrenz vermeiden möchte. Alle Kapitalnehmer dort draußen sollten so viel Heuschrecken-Freundlichkeit jedenfalls mit einer nötigen Portion Skepsis entgegentreten. Im Fall des StudiVZ hieß es doch, dass der Springer-Verlag ein Gebot abgegeben hätte. Da Holtzbrinck allerdings mit im Boot saß, wurde das angeblich bessere Angebot ausgeschlagen, und vielleicht hat man Dariani und Co. das Ruder einfach aus der Hand genommen. So wie man als Kapitalgeber sehr viel Mitspracherecht erhält. Bei F!XMBR schrieb ich „Angenommen, es käme ein Social Network auf die Idee, sich bei Holtzbrinck Kapital zu besorgen… am nächsten Tag wären sie einverleibt.“ – Einverleibt wären die einen, dem anderen hat man die Führung entzogen. Kapital bedeutet Abhängigkeit. Ob man darin eine Entschuldigung für den Verkauf sehen kann? Wenn das Unternehmen StudiVZ vorher bewertet wurde, und der Wert derart hoch eingeschätzt wurde, hielten die Gründer die Mehrheitsanteile und hätten sich nichts sagen lassen müssen.

Chris charakterisiert die Situation in Replik auf meinen Kommentar ganz schön:

Ich denke, das ist ein Aspekt – wird im frühen Stadium Geld verbrannt in ein Unternehmen investiert – dann sitzt Holtzbrinck wie die Made im Speck drin.
Mal bezogen auf StudiVZ: Hätte Holtzbrinck früher zu den Investoren gehört, wäre die Übernahme viel früher gelaufen, und die Gründer nach den Skandalen einfach ausgetauscht worden – so geschah das alles sehr spät, schließlich wurden von den Kunden Dariani & Co. als die Menschen hinter StudiVZ gesehen. Halt dieses selten dämliche Klischee vom Laptop in der Garage. ;)“2


  1. Vgl. Golem. 
  2. Chris von F!XMBR. 

Ähnliche Nachrichten