Interview: Christian Zwittnig und Peter Krotky von „Die Presse“

Alexander Trust, den 18. Januar 2007
Interview
Interview

Fangnetz lautet eine Rubrik von Österreichs „Die Presse“, in der Auszüge von Blogartikeln auch im Rahmen der Print-Ausgabe veröffentlicht werden (sollen). Die Betreiber der österreichischen Zeitung schrieben Blogger an, und baten um Erlaubnis, die Artikel auszugweise veröffentlichen zu können, ohne finanzielle Gegenleistung. Das rief den Web-2-Kritiker-Papst Don Alphonso auf den Plan.

In seinen Augen ist die Tantieme, die die Blogger dafür erhalten, nicht befriedigend. In der Online-Ausgabe von „Die Presse“ werden an den Artikeln keine aktiven Links zur Quelle gesetzt. Während auf den Seiten der Zeitung keine Links gesetzt werden, gibt es daneben ein nicht-kommerzielles Blogprojekt namens „Fangnetz“ von derselben Presseinstitution, in der sehr wohl aktive Links auf die ursprünglichen Artikel gesetzt werden.

Um ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen, fragte ich nach bei „Die Presse“ und den Verantwortlichen. Meine Fragen wurden mir in diesem Fall von Christian Zwittnig (Online-Redakteur) und dem Geschäftsführer Peter Krotky beantwortet.

Alexander Trust:

Auf welche Art und Weise haben Sie von dem Artikel des Herrn Meyer erfahren, und wann war das?

Christian Zwittnig:

Auch wenn mir nicht ganz klar ist, was die Frage bezwecken soll: Zirka 12 Stunden nach Veröffentlichung durch einen freundlichen Hinweis.

Alexander Trust:

Warum haben Sie sich erst mit Verzögerung in der Blogbar zu Wort melden wollen, und wie sind Sie damit umgegangen, dass der Hausherr Ihre Kommentare zensierte?

Christian Zwittnig:

Nur weil Herr Meyers Blog, in die Belanglosigkeit abzudriften droht und er deshalb um Aufmerksamkeit kreischt, ist das für mich doch kein Grund gleich zu springen. Außerdem hatte ich nie vor, mich mit ihm oder seiner Kommentatoren-Herde auf irgendeine Diskussion einzulassen. Wenn Herr Meyer unbedingt Page Views generieren will, muss er sich schon etwas Anderes einfallen lassen.

Was die Zensur betrifft: Im ersten Mail habe ich nur darauf hingewiesen, dass ich später eine Antwort verfassen werde. Dass Herr Meyer einen derartigen Kommentar zensiert, finde ich seltsam, aber nicht weiter tragisch. In den weiteren Kommentaren habe ich lediglich auf die Antwort in meinem Blog hingewiesen. Und die hat er ja – wenn auch etwas eigenwillig – gebracht.

Alexander Trust:

Sie haben bereits für den Fangnetz-Blog eine Stellungnahme formuliert, in der Sie einige Dinge Ihrer Meinung nach richtigzustellen versuchen. Zum Beispiel geben Sie an, dass Herr Meyer offensichtlich nicht richtig recherchiert hätte, da er sonst wohl auf das Blog von Fangnetz gestoßen wäre, in dem, anders als Herr Meyer es darstellt, Links zu den Seiten der Inhalteanbieter stehen. Wenn Sie allerdings auf der Website von „Die Presse“ die Rubrik Fangnetz besuchen, stellen Sie zum einen fest, dass dort keine „aktiven“ Links gesetzt sind, und zum anderen führt aber nirgends von der Seite ein Link auf Ihr Blog. Wem muss man – muss man überhaupt? – in diesem Fall den Schwarzen Peter zuschieben?

Christian Zwittnig:

Hätten Sie sauber recherchiert, wüssten Sie, dass das Fangnetz-Blog ein privates und unbezahltes Blog ist, das als Forum zum Thema „Web 2.0 und Print“ dienen soll. Es steht, wie auch dem Blog selbst zu entnehmen ist, in keiner offiziellen Verbindung mit der Internetseite von „Die Presse“. Was die inaktiven Links auf der Presse.com-Seite betrifft: An diesem technischen Problem wird bereits gearbeitet und es sollte, wie bereits mehrfach in meinem Blog erwähnt, bald behoben sein.

Alexander Trust:

Was sagen Sie zu dem Vorwurf des Herrn Meyer, Sie respektive Ihre Zeitung würden sich die Inhalteanbieter nach ihrer politischen Gesinnung aussuchen (vornehmlich mehr als rechtslastig), die zu Ihrer Publikation passen würden?

Peter Krotky:

Der Vorwurf zeigt für mich zunächst einmal die Unkenntnis des Herrn Meyer, was unsere Zeitung angeht. Vielleicht sollte er diese vor einem solchen Urteil einige Zeit lesen (Hat er das jemals getan?). Dann kann er ja gern zu dem Schluss kommen, dass sie ihm nicht gefällt. Einzig: Die „Presse“ als „rechtsreaktionär“ bezeichnen, würde in Österreich kaum jemand. Und zwar deshalb nicht, weil das der Realität einfach nicht gerecht wird. Aber wenn für jemanden schon alles „rechtsreaktionär“ ist, was nicht der extremen Linken zuzuordnen ist, gut: dann wird die Punzierung schon stimmen *g*.

Zum Demokratieverständnis von Herr Meyer nur folgendes Zitat aus seinem Blog: Er beschreibt da ein von ihm als Stilmittel verwendetes fiktives Gespräch zwischen dem Chefredakteur der „Presse“, Michael Fleischhacker, und Andreas Khol, dem Chef des ÖVP-Seniorenbundes, und fügt selbst hinzu: „…und für solche Leute etwas anderes als ein Pflasterstein?“ Ein Aufruf zur Gewalt von Herr Meyer? Sieht so die von ihm beschworene freie Diskussionskultur aus? Ist das sein Umgang mit Andersdenkenden? Oder ist der für Menschen angedrohte Pflasterstein sein Ausweis des Gegenteils der vermeintlichen Rechtslastigkeit? Wenn Herr Meyer Gewalt fordert (und viel anders kann man diese Stelle seines Blogs wohl nicht verstehen), dann sollte er sich klar sein, dass er damit die Grundlagen von Rechtsstaat und Demokratie verlässt.

Was den Vorwurf der Auswahl von Autoren nach ihrer Gesinnung angeht: Möglicherweise weiß Herr Meyer nicht, dass Karl Marx einmal Londoner Korrespondent der „Presse“ war. Möglicherweise weiß Herr Meyer auch nicht, dass die „Presse“ immer auch stark von jüdischen Redakteuren geprägt war und die Zeitung von den Nazis nach dem Anschluss Österreichs eingestellt wurde (und dabei einige der Redakteure damals Selbstmord begingen). Vielleicht weiß Herr Meyer auch nicht, dass eine ganze Reihe ausgewiesener Linker zur Autorenschaft der „Presse“ zählt (die die „Presse“ ob ihrer journalistischen Qualität schätzen und ob ihrer liberalen Tradition, allen Meinungen eine entsprechende Plattform der intellektuellen Auseinandersetzung zu geben). Wenn Herr Meyer das alles nicht weiß und nicht kennt, muss man ihm sagen: Sie hätten vorher recherchieren sollen. Und wenn er es weiß, muss man fragen: Warum stellen Sie dann solche Behauptungen auf?

Alexander Trust:

Können Sie die Kritik „Don Alphonsos“ verstehen, wenn eine Zeitung, die zu einem riesengroßen Medienunternehmen in Österreich gehört (Styria Medien AG), sich zwar um die Inhalte der Leute bemüht, diese dann jedoch mit Verweis auf ein schmales Budget ohne Entgelt abspeisen mag?

Peter Krotky:

Natürlich kann ich den Vorwurf verstehen. Ich teile ihn nur nicht. Es gibt unsere Anfrage an Blogger, ob wir ihre Beiträge in einer dafür vorgesehenen Spalte der Zeitung auszugsweise veröffentlichen dürfen. Dafür bezahlen wir kein Honorar. Das ist das Angebot. Jedem Blogger steht es selbstverständlich völlig frei, dieses Angebot für gut oder schlecht zu befinden und es somit anzunehmen oder abzulehnen. Ich kann nur die Empörung über dieses Angebot nicht nachvollziehen. Ich empöre mich ja auch nicht darüber, wenn ein Lokal für das Bier zehn Euro verlangt. Sondern ich kaufe dann dort einfach kein Bier und gehe in ein anderes Lokal. Wozu eine Diskussion mit dem Lokalbesitzer über die Ungerechtigkeit der Welt führen? Und wozu über jene klagen, die sich doch für zehn Euro dort ein Bier leisten?

Mir scheint, als ob man es manchen sowieso nie recht machen kann. Denn: Würden wir Geld anbieten, würde die Diskussion vermutlich in die Richtung laufen, dass nun etablierte Medien Blogger „kaufen“. Und das würde ja moralisch sicher auch wieder als ganz ungehörig empfunden werden; der Blogger wäre dann ja so etwas wie ein Söldner. Oder wäre etwa Herr Meyer tatsächlich so problemlos käuflich? 50 Euro für den Abdruck und er wäre dabei? Wo bleibt dann der von ihm zitierte Traum? Ich halte die Grundlinie der Argumentation von Herrn Meyer für ausgesprochen inkonsistent. Aber so ist das wohl nun einmal mit Menschen, für die die Welt an sich schlecht ist. Das so zu empfinden, ist sein gutes Recht. Nur teilen muss ich diese Position nicht.

Alexander Trust:

Herr Meyer betont bei all seiner Kritik vor allem, dass es ihm darum geht, die Blogosphäre gegenüber den klassischen Medien zu stärken. Er deutet immer wieder an, in Gesprächen mit Verantwortlichen auch dafür zu plädieren, ordentliche Arbeit ordentlich zu entlohnen. Sind Sie der Auffassung, Herr Meyer leistet auch in diesem Fall wieder Lobbyarbeit, oder kommen für Sie noch weitere Gründe in Betracht?

Peter Krotky:

Also was jetzt: Die Blogosphäre ernst nehmen und stärken? Oder doch einfach nur Geld dafür haben wollen? Dass wir überhaupt Blogger-Beiträge in unserer Zeitung abdrucken und ums um diese Szene kümmern, sollte doch schon zeigen, dass wir Blogger ernst nehmen und bereit sind, uns mit ihnen positiv auseinanderzusetzen (und ihnen – auch nicht gerade billigen – Raum in unserer Zeitung widmen). Und dass Blogger – wenn sie journalistisch gut sind – so oder so über kurz oder lang von etablierten Medien auch honorierte Angebote für eine Mitarbeit erhalten, passiert ja jetzt schon. Aber sobald jemand so etwas annimmt, würde er vermutlich von Leuten wie Herrn Meyer nicht mehr als Teil der Blogger-Szene erlebt, sondern als Teil des medialen „Establishments“. Dass Herr Meyer offensichtlich ein solches Angebot noch nicht erhalten hat, liegt vielleicht daran, dass er inhaltlich und schreiberisch nicht gut genug ist. Meine Vermutung: Er leidet nicht an der Ungerechtigkeit der Welt, sondern an der mangelnden Rolle, die ihm darin zuteil wird. Dafür können aber Zeitungen nichts, die bei ihm höflich anfragen, ob sie mal auszugsweise einen Beitrag von ihm abdrucken dürfen. Er kann ja gern sagen: „Dafür verlange ich 100 Euro“. Und die Zeitung kann dann sagen, ob sie das zahlen will oder nicht (und ihn dann eben auch nicht veröffentlicht). So einfach ist die Sache.

Alexander Trust:

Abschließend vielleicht noch diese Frage: Glauben Sie, dass Ihrer Zeitung oder dem Projekt dadurch dauerhaft Schaden entsteht, und inwiefern ist es möglich, dass diese Sache noch ein „Nachspiel“ haben wird?

Peter Krotky:

Warum sollte uns daraus Schaden entstehen? Wir versuchen auf die Blogger-Szene zuzugehen. Wenn alle so reagieren würden wie Herr Meyer oder viele Blogger nun seiner Argumentation folgen, müssten wir halt feststellen, dass das so nicht geht. Dann wird die Kolumne „Fangnetz“ eben eingestellt und auch die Online-Ausgabe wird sich dann ihre künftigen Aktivitäten in Richtung Blogs noch einmal überlegen. Dann machen wir eben was anderes. Und dann wird Herr Meyer vermutlich von „Ausgrenzung“ der Blogosphäre schreiben – eine Ausgrenzung freilich, an der er dann nicht unbeteiligt war. Wenn aber die Debatte dazu beiträgt, quasi einheitliche Rahmenbedingungen für den Umgang zwischen Bloggern und etablierten Medien zu schaffen: gut so. Dann bräucht´s aber eine sachlichere Auseinandersetzung als jene, die Herr Meyer führt.


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